Amazon sperrt AWS Chime zu
Der Unified-Communications-Dienst Chime von Amazon Web Services akzeptiert keine neuen Kunden mehr und schlieĂźt in einem Jahr. Partner Slack darf weitermachen.
(Bild: Bryce Johnson CC-BY 2.0)
AWS Chime macht dicht. Der Dienst für Unified Communications (UCaaS) in Unternehmen nimmt ab sofort keine neuen Kunden mehr an. Bestandskunden können Chime noch ein Jahr lang nutzen, sind aber eingeladen, zu anderen Diensten umzusiedeln. Mit Chime genutzte Telefonnummern müssen zu anderen Netzbetreibern portiert werden, sollen sie nicht verloren gehen. Chime wird Chats, Videokonferenzen samt Übertragung von Bildschirminhalten und Businesstelefonie geboten haben.
Amazon.com hat Chime 2017 auf den Markt gebracht, in Konkurrenz zu damals etablierten Diensten wie Microsofts Skype for Business, Ciscos WebEx und Google Hangouts. Grundlage Chimes soll Technik der Firma Biba gewesen sein, die Amazon im Jahr davor still und leise ĂĽbernommen haben dĂĽrfte. Doch waren diverse Leistungsmerkmale Chimes nur in Nordamerika verfĂĽgbar, was den Erfolg zumindest nicht beflĂĽgelt hat.
Slack nicht betroffen
Und selbst im eigenen Konzern hatte Chime schweren Stand. 2019 hat Amazon eine Partnerschaft mit Slack geschlossen. Slack nutzt Chime-Technik fĂĽr Videokonferenzen und Sprachverbindungen, sogar eine "Amazon Chime Meetings App for Slack" ist der Zusammenarbeit zu verdanken. Dem Vernehmen nach nutzen Amazon-Mitarbeiter seither weitgehend Slack fĂĽr Chats, weniger Chime.
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In der Mitteilung vom Donnerstag über das Ende Chimes sagt Amazon, dass das Chime SDK fortgeführt wird. Damit können Anwendungen Dritter, wie Slack, die Chime-Technik und AWS-Infrastruktur bis auf Weiteres für Videokonferenzen, Chats und Sprachverbindungen samt Anschluss ans Telefonnetz und Sprachtranskription einsetzen. Dafür kassiert AWS natürlich Gebühren.
Konkurrenz im eigenen Hause
2021 hat Amazon den Kommunikationsdienst Wickr übernommen, der, im Unterschied zu Chime, von Haus aus Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bietet. Zwar ist Wickr nicht in alle AWS-Regionen verfügbar, aber dort, wo es geht, unterstützt es Datensourveränität: Die Daten bleiben auf Kundenwunsch in der jeweiligen Region und werden nicht alle in die USA übertragen. Entsprechend ist Wickr Teil der Angebote der AWS European Sovereign Cloud. Hinzu kommen Optionen wie ephemeral messaging (sich nach dem Lesen automatisch löschende Mitteilungen) oder traffic obfuscation, um das für die Kommunikation genutzte Gerät nicht preiszugeben.
Wickr konnte nicht zuletzt US-Militärs überzeugen; sowohl Heer als auch Kriegsmarine, Kriegsmarineinfanterie als auch die Luftwaffe haben die selbst gehostete Militärvariante Wickr RAM eingekauft. Das zivile Pendant für Selbsthosting in Konzernen heißt Wickr Enterprise; wer nicht selbst hosten möchte, kann zu AWS Wickr greifen. Den für Verbraucher positionierten Dienst Wickr ME hat Amazon allerdings Ende 2023 eingestampft, stand das Angebot doch gegen Signal und Whatsapp auf verlorenem Posten.
Für Chime-Nutzer hält AWS jetzt einen Leitfaden für den Datenexport und andere tunliche Maßnahmen bereit. Als alternative Dienste erwähnt Amazon Slack, Webex, Wickr und Zoom.
(ds)