BKA-Gesetz: Schwarz-Rot will Polizei "vorsorgende" Datenspeicherung erlauben
CDU/CSU und SPD haben einen Entwurf mit neuen Regeln für den polizeilichen Informationsverbund im BKA-Gesetz vorgelegt. Der Vorgänger war verfassungswidrig.
(Bild: Pradeep Thomas Thundiyil/Shutterstock.com)
Schwarz-Rot will mit einem Paket zur Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) Vorgaben eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober umsetzen. Die Karlsruher Richter erklärten unter anderem die Befugnis zur "vorsorgenden Speicherung" personenbezogener Daten von Beschuldigten im polizeilichen Informationsverbund (PIV) für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Laut den Koalitionsfraktionen betreffen die Gründe der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift aber nicht den Kern der mit ihr eingeräumten Befugnis, sondern einzelne Aspekte ihrer rechtlichen Ausgestaltung.
Dem Fraktionsentwurf zufolge ist der PIV ein "wichtiger Bestandteil des polizeilichen Informationsaustauschs in der deutschen Sicherheitsarchitektur". Bei dem Verbund handelt es sich um eine zentrale und gemeinsame Datenplattform der Polizeibehörden des Bundes wie dem BKA und der Bundespolizei sowie der Länder. Sein Hauptzweck ist der Austausch von Informationen und Erkenntnissen, um die Kriminalitätsbekämpfung effizienter zu gestalten.
Eine vorsorgende, also präventive Datenspeicherung, die nun prinzipiell weiter möglich bleiben soll, zeichnet sich laut der Gesetzesbegründung dadurch aus, "dass sie nach Abschluss des unmittelbaren Anlassfalls und damit der Erfüllung des der ursprünglichen Erhebungsmaßnahme zugrundeliegenden Zwecks erfolgt". Es handele sich um einen Sonderfall der zweckändernden Nutzung von Daten. Als zentrale Punkte für eine verfassungsgemäße Ausgestaltung dieses Ansatzes im PIV habe das Verfassungsgericht festgesetzt, dass angemessene Zwecke, Schwellen und Fristen für die Aufbewahrung vorzusehen seien.
Spielraum für polizeiliche Prognosen soll wachsen
Für die Aufgabenerfüllung der Polizei ist es laut der Initiative von wesentlicher Bedeutung, Daten von Verurteilten, Beschuldigten, Tatverdächtigen und weiteren Personen im PIV abrufen zu können – zur Strafverfolgung, -verhütung und Gefahrenabwehr. Sonst drohten Erkenntnislücken bei den Ordnungshütern. Zur Umsetzung der Karlsruher Vorgaben soll mit dem Gesetzentwurf ein neuer Paragraf 30a BKA-Gesetz die besonderen Vorgaben für die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten enthalten. Umfasst ist vor allem eine Negativprognose als Voraussetzung der präventiven Speicherung von Beschuldigtendaten.
Videos by heise
Mit der Novelle will die Koalition zugleich den Anwendungsbereich für die gesetzlich vorgesehenen Individualprognosen im Falle der vorsorgenden Speicherung der Daten von Beschuldigten und Tatverdächtigen im PIV ausweiten. Die gesetzlich geregelte Vorausschau entspreche den Anforderungen des Gerichts: so müsse eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass die Betroffenen eine strafrechtlich relevante Verbindung zu möglichen Straftaten aufwiesen und die gespeicherten Daten zu deren Verhütung und Verfolgung angemessen beitragen könnten. Das setze tatsächliche Anhaltspunkte voraus. Als Prognosekriterien kämen etwa die Art, Schwere und Begehungsweise der vormaligen Tat sowie die Persönlichkeit des Betroffenen und sein bisheriges strafrechtliches Erscheinungsbild infrage.
Mit Änderungen in Paragraf 77 werde ein "ausdifferenziertes Regelungskonzept für die Speicherdauer" geschaffen, heißt es weiter. Nur bei besonders schweren Straftaten sei eine Prüffrist zum Entfernen von Daten von bis zu fünf Jahren bei Erwachsenen gerechtfertigt, im Übrigen dürfe diese drei Jahre nicht überschreiten. Für die vergleichbaren Zeiträume nach dem Bundesdatenschutzgesetz gelte im PIV für präventiv gespeicherte persönliche Informationen, dass diese bei Erwachsenen zwei Jahre, bei Jugendlichen und Kindern ein Jahr nicht überschreiten dürften.
Kontaktpersonen können weiter beschattet werden
Laut einem zweiten Gesetzentwurf soll auch die von den Karlsruher Richtern beanstandete Befugnis zum Einsatz besonderer Mittel der Datenerhebung gegenüber Kontaktpersonen von Verdächtigen beibehalten werden – mit erhöhten Maßgaben. Den zwei Fraktionen zufolge würde dem BKA ohne diese Option zur heimlichen Überwachung ein wichtiges Instrument zum Verhindern terroristischer Anschläge verloren gehen. Wichtige Mittel seien etwa die längerfristige Observation, die Überwachung durch den Einsatz technischer Mittel außerhalb von Wohnungen sowie der Einsatz von verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen. In begründeten Einzelfällen könne es erforderlich sein, dass auch Kontaktpersonen von terroristischen Störern Adressaten solcher Befugnisse würden.
Das Bundesverfassungsgericht hat für neue Regeln eine Frist bis zum 31. Juli gesetzt. Die Reform falle "schlank" aus, weil der Gesetzgeber diese "dringend ganz schnell machen" müsse, unterstrich Sebastian Fiedler (SPD) bei der 1. Lesung der Entwürfe am Donnerstag im Bundestag. Wer nur flüchtig mit Terrorverdächtigen in Kontakt komme, bleibe außen vor. Die Koalition wolle das BKA aber etwa auch bei der "cyberspezifischen Bedrohungslage" auf die Höhe der Zeit bringen und "insgesamt mit bestmöglichen Befugnissen ausstatten". Ein AfD-Redner kündigte an, die Oppositionsfraktion werde zustimmen.
Die Grünen wollten sich dem Verfahren nicht in den Weg stellen, ließ Lukas Benner durchblicken. Er warf aber die Frage auf, ob die vorgesehene Gleichstellung von Tatverdächtigen und Beschuldigten verfassungsgemäß sei. Zugleich bedauerte der Innenpolitiker, dass die CDU/CSU-Fraktion während der Ampel-Zeit eine größere, gut austarierte Reform des BKA-Gesetzes ausgeschlagen habe. Insgesamt plane Schwarz-Rot einen "Frontalangriff auf Grundrechte". Jan Köstering (Linke) warnte vor einer "weitergehenden Bevorratung von Daten" und dem Ausspionieren von Kontaktpersonen. Schwarz-Rot gehe immer so weit, "wie es das Bundesverfassungsgericht gerade so zulässt". Regelmäßig komme es zu verfassungswidrigen Normen, was die Grundrechte verschiebe. Im weiteren Verfahren werde sich die Linke vor allem die Löschfristen anschauen.
(mho)