Digitale Souveränität: EU startet eigenen DNS-Dienst mit praktischen Funktionen
Das EU-Projekt bietet wahlweise Filter für den Jugendschutz und welche mit Werbeblockern an, aber auch ungefilterte DNS-Resolver. Der Dienst ist kostenlos.
(Bild: Shutterstock.com; SuPatMaN)
Die EU bietet nun einen eigenen DNS-Auflösungsdienst (Resolver) an und möchte ihren Bürgern damit helfen, unabhängiger von Angeboten großer US-Unternehmen wie Cloudflare und Google zu werden. Der Dienst heißt DNS4EU und filtert Internetadressen auf Nutzerwunsch vor: Neben Phishing- und Betrugsseiten sperrt er jugendgefährdende Websites und Werbung.
Ein DNS-Resolver gehört zu den fast unsichtbaren Basisdiensten für stabile Internetzugänge: Er werkelt im Hintergrund, meist beim Provider und sorgt dafür, dass Internetadressen wie www.heise.de zu IP-Adressen wie 2a02:2e0:3fe:1001:7777:772e:2:85 übersetzt werden. Doch in vielen Ländern – auch in Deutschland – werden Sperrverfügungen durch Lobbyverbände oder Jugendschutzbehörden oft auf DNS-Ebene umgesetzt. Deswegen und aus Geschwindigkeitsgründen behelfen sich Nutzer oft mit alternativen Anbietern wie Google, die mit dem Resolver 8.8.8.8 nicht nur eine der schönsten IP-Adressen nutzen, sondern auch über eine Billion Anfragen am Tag beantworten. Auch Cloudflare (1.1.1.1) und Quad9 (9.9.9.9) betreiben offene Resolver. Problematisch: Viele dieser Server sind in den USA, weswegen die Quad9-Stiftung seinen Sitz bereits nach Zürich verlegte.
Deren Geschäftsführer Simon Forster kommentierte den DNS4EU-Launch gegenüber heise online: "Wir unterstützen als Organisation jedwede Initiative, die DNS stärkt und diversifiziert – weg von der Hegemonie der großen profitorientierten Organisationen mit Hauptsitz in einem einzelnen Staat."
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Mit DNS4EU möchte die EU nun eine eigene Alternative zu den Anbietern außerhalb des Unionsgebiets schaffen und startet mit einem Angebot für Bürger. Sie können einen DNS-Resolver auswählen (und z.B. als DNS-Server im Router eintragen), der ihre Bedürfnisse abdeckt. Zum Start gibt es vier verschiedene Varianten, die zudem kombinierbar sind:
- Ungefilterte DNS-Antworten für Nutzer, die zum Beispiel eigene Filterlisten pflegen oder solche nicht wünschen,
- eine Sperrliste für betrügerische und gefährliche Webseiten wie Malware und Phishing,
- auf Jugendschutz optimierte Filterung, die jugendgefährdende, gewaltverherrlichende und andere unerwünschte Inhalte ausblendet und
- ein Ad-Blocker auf DNS-Ebene
Der Dienst steht sowohl mit Resolver-Adressen in IPv4 und IPv6 als auch per DoH (DNS over HTTPS) oder DoT (DNS over TLS) bereit. Die Adressen finden sich auf der Projekt-Webseite (welche ironischerweise CloudFlare als Proxy und dDoS-Schutz verwendet) nach Filterzweck geordnet. Um die Ausfallsicherheit zu verbessern, liefert DNS4EU sowohl für DNS-Abfragen in IPv4 als auch für solche in IPv6 jeweils eine zweite IP-Adresse mit.
Für die Filterlisten bedient sich DNS4EU nach eigenen Angaben öffentlicher Listen wie der Bon-Apetit-Liste pornografischer Domains und der Werbe-Blockliste Goodbyeads. Falls eine Domain fälschlich blockiert wird oder in einer Liste fehlt, stellt der Anbieter ein Meldeformular bereit.
(Bild: heise online / cku)
Die Betreiber betonen, dass die DNS4U-Resolver keine "rechtliche Filterung" durchführen und auch nicht als Zensur-Vehikel gedacht seien. Tatsächlich ergab eine Stichprobe mit einigen Domains der "CUII-Liste", dass keine der verzeichneten Adressen durch die Resolver zensiert wird – die Adressen werden genauso aufgelöst wie etwa beim Google-Nameserver. Auch bei manchen Anbietern gesperrte Domains wie die des Pornoportals YouPorn löst DNS4EU brav zu IP-Adressen auf – sofern der Nutzer keinen Kinderschutz-Filter aktiviert hat.
Hinter dem Projekt stecken verschiedene Domainregistrare und DNS-Unternehmen, darunter deSEC aus Berlin. Mit Ablauf der EU-Förderung Ende 2025 soll DNS4EU "kommerzialisiert" werden, also in den Betrieb durch ein gewinnorientiertes Unternehmen übergehen. Diese Kommerzialisierung hat indes bereits begonnen: Unternehmen und Regierungsinstitutionen soll das Spin-Off "Whalebone"helfen, per DNS Bedrohungen zu erkennen und Angriffe zu verhindern.
Quad9 ist kein Konsortium, sondern eine Stiftung. Diese Korrektur übersandte uns Quad9-Geschäftsführer Forster, dessen Stellungnahme zu DNS4EU wir bei dieser Gelegenheit einholten und in der Meldung ergänzten.
Siehe auch:
- DNS4EU bei heise Download
(cku)