Die Internet-Verwalter vor der VeriSign-Entscheidung

Die ICANN-Verträge mit VeriSign, die durch die Übernahme des ehemaligen Domain-Monopolisten Network Solutions in den Besitz des Registry-Geschäfts kamen, könnten sich als Zerreißprobe für die private Verwaltung des Domain Name System erweisen.

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Von
  • Monika Ermert

Die ehrenamtlichen Vorstände der Internet Corporation for Assigned Names an Numbers (ICANN) stehen heute vor einer schweren Entscheidung – die Verträge mit VeriSign, durch die Übernahme des ehemaligen Domain-Monopolisten Network Solutions in den Besitz des .com-Registry-Geschäfts gekommen, könnten sich als Zerreißprobe für die private Verwaltung des Domain Name System erweisen.

Hauptprogrammpunkt einer Telefonkonferenz des Vorstands ist der neue Vertrag über den Betrieb der lukrativen .com-Registry mit dem derzeitigen Betreiber VeriSign. In den vergangenen Wochen ist die Domain-Branche fast geschlossen gegen diesen Vertrag Sturm gelaufen. Er erlaubt VeriSign die Erhöhung der Preise pro Domain und sichert VeriSign die von vielen als echte Goldgrube bezeichnete Registry praktisch für die Ewigkeit.

Gleich mehrfach haben die Registrarunternehmen in den letzten Tagen ihren Unmut über die Vorzugsbehandlung für VeriSign kundgetan. Vor gut einer Woche veröffentlichte eine Gruppe großer Registrare einen offenen Brief an den ICANN-Vorstand, in dem sie sich entschieden gegen den Vertrag aussprachen. Vergangenen Donnerstag luden Registrare und ICANNs Business User erneut zur Pressekonferenz und appellierten an den Vorstand, den Vertrag in der vorliegenden Form nicht durchzuwinken, sondern in Ruhe zu verhandeln.

Empört sind die Unternehmen auch, weil VeriSign sich im Vertrag eine Schonfrist für die Umsetzung von ICANN-Regeln bei der Einführung neuer Registry-Dienste hat einräumen lassen. Dass VeriSign im Gegenzug eine wegen solcher Dienste gegen ICANN angestrengte Klage zurückziehen will, ist daher aus Sicht der Kritiker kein wirklicher Gewinn. Auch die Nutzervertreter innerhalb der ICANN fordern, die ICANN solle das Verfahren lieber zu Ende bringen. Allgemein wird erwartet, dass die ICANN dabei gute Chancen hätte. Mögliche Wettbewerbsklagen gegen den neuen VeriSign-Vertrag könnten dagegen schwerer durchzufechten sein.

Eine Klage der Coalition for ICANN Transparency (CFIT) läuft bereits, der Richter hat bislang eine Verfügung zu Gunsten von ICANN abgelehnt, die Beweisaufnahme läuft noch. Zahlreiche Registrare haben betont, man wolle zuerst alle von der ICANN vorgesehenen Prozeduren durchlaufen, bevor man selbst an eine Klage denke. Nach einer möglichen Verabschiedung des Vertrags mit VeriSign wollen US-Registrare zunächst einmal noch beim US-Handelsministerium Einspruch einlegen, das dem Vertrag auf Grund seiner Aufsichtsrolle über ICANN zustimmen muss.

Handelt sich ICANN eine Menge Ärger ein, könnte sich das möglicherweise auf ein ganz anderes Verfahren auswirken: den Ende März auslaufenden Vertrag über die Internet Assigned Numbers Authority (IANA), der zentralen Koordinationsstelle für IP- und DNS-Festlegungen. Nachdem in der vergangenen Woche das Ministerium in einem Request for Information nach möglichen Alternativanbietern gefragt hat, wird viel über die mögliche Abspaltung einzelner Funktionen spekuliert. Der US-Anwalt und ICANN-Nutzervertreter Bret Fausett entwarf ein Szenario, in dem die IANA-Aufgaben unter der Internet Engineering Task Force (Protokollparamenter), den regionalen IP-Registries (IP-Adressen) und einen privaten Kontraktor für die Rootverwaltung aufgeteilt werden. Marilyn Cade, Vertreterin der ICANN-Business-User, warnt davor, dass die .com-Affäre auch den gegenüber der aktuellen ICANN-Aufsicht skeptischen Regierungen weiteren Anlass für Reformforderungen geben könnte. Regierungen und supranationale Organisationen wie die EU haben sich allerdings bislang nicht um mögliche Wettbewerbsverzerrungen durch das offenbar enge ICANN-VeriSign-Verhältnis gekümmert. (Monika Ermert) / (jk)