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Was war. Was wird.

Verhaften Sie die üblichen Bekloppten! Ach nee, war was anderes, bemerkt Hal Faber gerade noch, bevor er sich den Bekloppten und Großtönern der Woche widmet.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Mein Name ist Faber, Hal Faber. Das ist ein nicht im neuen elektronischen Personalausweis eintragbarer Künstlername, weil er nur im Internet benutzt wird, nicht bei einer künstlerischen Tätigkeit, so der offizielle Bescheid. Um es mit Max Liebermann zu sagen, kommt Kunst vom Können und das hier, das ist Wulst, genau gesagt WWWW-Wulst. Als Kind von Homo Faber zu Ehren des großen fehlerfreien Computers Hal 9000 Hal getauft, entdeckte ich das Licht der Welt in einem dunklen Augenblick. Seit meiner Geburt summe ich das Lied Bicycle Built for Two, mit dem das Leben eines großen Computers endete, als Dave Bowman rücksichtslos seine Speicherbänke entfernte.

*** In seinem neuesten Buch beschreibt Nicholas Carr ganz zum Schluss die Szene aus 2001 – Odyssee im Weltraum mit Dave Bowman und Hal: "Was sie so ergreifend und gleichzeitig so seltsam macht, ist die emotionale Reaktion des Computers auf die Stillegung seines Geistes: seine Verzweiflung, als ein Schaltkreis nach dem anderen abgeschaltet wird, sein kindliches Betteln und Flehen – 'Ich spüre es. Ich habe Angst.' – und schließlich die Rückversetzung in einen Zustand, der sich nur als Unschuld bezeichnen lässt."

*** Gräbt man sich in die Computergeschichte ein, so wird man den Computer ILLIAC II finden, der Anfang der 60er Jahre das Lied Bicyle Built for Two spielen konnte. Eine Vorführung von ILLIAC beeindruckte Arthur C. Clarke und er schrieb das Drehbuch zu Hals Tod mit diesem Liedchen im Hintergrund. Als die Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrick gedreht, von Arthur Clarke am Set geschrieben wurde, wussten beide nicht, dass die dramatische Szene der Exkulpation der Speicherbänke zuvor von dem Dichter Dannie Abse in seinem Gedicht "In the Theatre" Thema war, das eine Operation des Gehirnchirugen Lambert Rogers schildert. Später zeigte sich Clarke nachhaltig erschüttert über Abses Gedicht und "leave .... my ..... soul ..... alone".

*** Dazu schreibt der nämliche Carr: "Hals Gefühlsausbruch steht im Kontrast zu der Gefühllosigkeit, welche die menschlichen Figuren in dem Film auszeichnet, die mit beinahe roboterhafter Effizienz ihren Tätigkeiten nachgehen. Ihre Gedanken und Handlungen wirken fremdbestimmt, als folgten sie den Schritten eines Algorithmus." In dieser Woche haben die üblichen auserwählten Kritiker/Verdächtigen den Film Plug & Pray gesichtet, der nächste Woche in die Kinos kommt. Er handelt von den üblichen Bekloppten aus der Community der KI-Forscher, ergänzt um einen Ray Kurzweil, der täglich 250 Aufbaumittel schluckt, um besonders alt zu werden. Und er handelt vom Sterben des Gesellschaftkritikers Joseph Weizenbaum. Die schönste Szene ist jene, in der Joe Johann Sebastian Bach hört und sich vorbereitet. Nach seinem Tod räumt seine Tochter die chaotische Bude am Alexanderplatz in Berlin auf. Ein Kameraschwenk auf den Bildschirm erfasst diesen Nachruf von heise online, doch jeder Hinweis auf den Verlag ist ausgeblendet, die Sprachausgabe wird angeworfen. Nach und nach rupft die Tochter den Computer auseinander, bis der Ton erstirbt: Eine grausame Szene in Anlehnung an die Odyssee im Weltraum, die dadurch getoppt wird, dass der Film im Abspann allein die Firma VoiceCorp nennt.

*** So und nicht anders sieht es aus, wenn das Urheberrecht missachtet und belächelt wird. Da helfen auch verkorkste gewerkschaftliche Positionspapiere nicht, die den internationalen Urheberüberwachungsstaat fordern: "Ziel ist technische Instrumente zu finden, die es ermöglichen, dass beim Aufruf einer Seite mit illegalen Angeboten ohne Registrierung der Nutzer/innen-IP auf dem Monitor eine – von dazu legitimierten Institutionen vorgeschalteter – Information über die Rechtswidrigkeit des Angebots und dessen Nutzung erscheint." Wer sind eigentlich die "legitimierten Institutionen", die über die Rechtswidrigkeit eines Angebotes entscheiden, an das dann Warnhinweise getackert werden? Unklar. Ein Gericht, eine Gewerkschaftskommission, die 6,3 Vollzeitäquivalente des BKA, ein Urheber-Spionagesatellit, ein Urheberoberbeauftragter beim Content-Provider oder Bernd von Krautchan?

*** Zu den seltsamen Nachrichten dieser Woche gehört nicht nur die verdrehte Position von ver.di. Ein "Bericht aus Bonn" gehört dazu, der mich über meinen genetischen Defekt aufgeklärt hat. Wieder sind vom Geldregen, den das ganz ohne ver.di funktionierende Internet-Meldesystem im Oktober über mich ausgeschüttet hat, Spenden an Organisationen wie Reporter ohne Grenzen geflossen, deren Arbeit ich wunderbar finde. Daran ist mein COMT-Hal-Gen schuld, das alle Hals dieser Welt zu großzügigen Spendierhosenträgern macht. Uns ist der Altruismus einprogrammiert in den Genen, wir können nicht anders, bis zum letzten Organ, solange das Hirn noch zuckt und zappelt. Freiwillig spenden wir im Alltag zum Beispiel Fingerabdrücke für den elektronischen Personalausweis, obwohl die nur beim Reisepass verpflichtend sind, weil der Reisepass freiwillig ist.

*** Heute vor 75 Jahren verkaufte Elizabeth Maggie Philips die Rechte an ihrem Spiel "The Landlords Game" an Rechtsanwälte der Firma Parker Brothers. Sie machten aus dem Spiel, das in die Ideen von Henry George über Armut und Ungerechtigkeit einführen sollte, das heute bekannte Raubspiel "Monopoly". Georges Ideen über das allen gehörende, zu versteuernde Landeigentum gerieten schnell in Vergessenheit, seine Warnungen gegen die Einwanderung von billigen chinesischen Lohnarbeitern hielten sich etwas länger. Er war einer der ersten, der vehement dafür eintrat, dass nur qualifizierte Facharbeiter und Handwerker mit abgeschlossener Ausbildung in die USA einwandern sollten – unsere Zuwanderungsdebatte über ausgebildete IT-Spezialisten mit einem Jahresgehalt von 40.000 Euro lässt grüßen. Wer mehr Geld will, muss nicht nur deutsche Sprachkenntnisse mitbringen, sondern Kenntnisse des deutschen Liedgutes nachweisen, das wir von den Spaghettifressern übernommen haben.

*** Ein Lied muss angepasst werden: von Oberstaufen nach Parum ersetzen Etsch und Belt in der Süd-Nordachse, reimlich ergänzt vielleicht durch Aachen und Klein-Bonum, das bekanntlich überall liegt, ähnlich wie bei uns der Vertriebene ein Dauerzustand ist. Typisch deutsch könnte man die Debatten über Streetview nennen, wäre da nicht der Großtöner Jeff Jarvis, der sich in der Zeit als Freund Deutschlands auskotzen kann über das Deutschnet. Jarvis ärgert sich über das Verbot, Geodaten und Gesichtserkennung zu kombinieren unter Verweis auf die Toten durch Katrina und das Erdbeben in Haiti. Kleiner geht es nicht, dem deutschen Wesen amerikanische Werte zu vermitteln, die noch nichjt mit Monopoly eingeübt worden sind. Im Gegenzug poltert die denkfaulste Stütze der Gesellschaft von Zwangsräumung und Enteignung. Irgendwo dazwischen tummeln sich die Spinner der Aktion verschollene Häuser. Wer am lautesten schreit, wer den schlimmsten Vergleich findet, siegt. Einfach mal den Verstand abschalten, kann man mit Peter Lustig formulieren. Oder sollte man besser an die wundersamen Brain Chips erinnern, mit denen wir konditioniert werden? Natürlich ist das Theater noch lange nicht zu Ende: Warten wir ab, bis die Einfaltspinsel im Dienst der Datensammler darauf kommen, dass Gene wie Häuser eigentlich öffentlich sein sollten, weil sonst ein Cousin achten Grades nicht gefunden werden kann. Was Privatsphäre ist, das ist den pathogenen Claqueren des Web 2.0 schon längst abhanden gekommen.

Was wird

Dieses Thema ist dank der nahtlos sich anschließenden Drecksarbeit von Oracle ein bisschen in den Hintergrund geraten, doch Ehre, wem Ehre gebührt: Am Montag will SCO nach etlichen Terminverschiebungen den glücklichen Gewinner seiner Auktion präsentieren, der angeblich Unix zu einem neuen Höhenflug verhelfen soll. Ein verständlicher Wunsch, geäußert aus einem tiefen Keller voller Schuldverschreibungen. Natürlich gibt es Skeptiker, die behaupten, dass auch dieser Termin platzen wird. Ich halte mich an den großen britischen Barden, der die unendliche Geschichte mit seinen Kommentaren begleitet: "Klein Kraut ist fein, groß Unkraut hat Gedeihn." (jk)