Fußball-WM: 400 weniger vor dem Anpfiff

Stärker denn jemals zuvor stehe die IT-Sicherheit auf der Agenda der Sicherheitsexperten, hieß es auf der WM-Sicherheitskonferenz, auf der die Ablehnung von bislang 400 WM-Beschäftigten nach der Zuverlässigkeitsprüfung bekannt gegeben wurde.

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Von
  • Detlef Borchers

Bei der noch laufenden Zuverlässigkeitsprüfung der rund 250.000 Beschäftigten, die zur Fußball-WM in den zwölf Stadien und 36 offiziellen Hotels arbeiten, sind bisher 400 Personen abgelehnt worden. Dies gab Jürgen Mathies, Leiter des WM-Vorbereitungsstabes, in Berlin auf der zweitägigen WM-Sicherheitskonferenz bekannt. Die Konferenz wird von der Gewerkschaft der Polizei unter dem Titel "In Sicherheit bei Freunden" veranstaltet. Abgelehnt wurden vor allem Straftäter und Personen mit einem extremistischen Hintergrund. Mathies betonte, dass entgegen den Behauptungen mancher Datenschützer die jeweiligen Arbeitgeber nicht über die Ablehnungsgründe informiert wurden: "Die negativen Bescheide wurden ohne Begründung rausgeschickt." Zuvor hatte der schleswig-holsteinischen Datenschützer Thilo Weichert gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erklärt, dass die datenschutzrechtliche Situation bei den Zuverlässigkeitsprüfungen "hoffnungslos gegen die Wand gefahren" sei.

Für Mathies und seine Kollegen laufen die Vorbereitungen zur Fußball-WM auf Hochtouren. In diesen Tagen gehen die WM-Leitstellen in Neuss (ZIS, Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze), Meckenheim (Bundeskriminalamt), St. Augustin (Bundespolizei) und Berlin (NICC, nationales Information and Communication Center beim BMI) in den Schichtbetrieb. 500 ausländische Polizisten treffen ein, die die Fans ihrer Länder beaufsichtigen sollen. Die letzten Sicherheitsmaßnahmen werden auf der parallel zur Sicherheitskonferenz stattfindenden Innenministerkonferenz in Garmisch-Patenkirchen verabschiedet.

Die letzten Verträge mit den Organisatoren von "Public Viewing"-Veranstaltungen werden unter Dach und Fach gebracht. Die Größte wird in Hamburg auf dem Heiligengeistfeld mit 50.000 Teilnehmern auf 80.000 Quadratmetern vor einer 80 Quadratmeter großen Leinwand starten, die meisten Veranstaltungen finden in Berlin statt, wo gleich das ganze Baumareal rings um die Straße des 17. Juni "eingefriedet" wird. Die Kosten für Umzäunung, Einlasskontrollen und die vorgeschriebene Videoüberwachung werden auf die Gäste umgelegt, die je nach Gefahrenlage obendrein mit einem absoluten Alkoholverbot rechnen müssen.

3,2 Millionen Besucher werden in den Stadien die Spiele verfolgen, davon 1 Million Ausländer. Doch wesentlich mehr Fans werden in Deutschland erwartet. So rechnet der holländische Fußballverband KNVB allein für die Vorrundenspiele mit bis zu 4000 Personen pro Spiel, die ohne Ticket nach Deutschland reisen. Für sie veranstaltet seine Fan-Organisation SCO (Supportersclub Oranje) vor jedem Match eine eigene "Orange Party", komplett mit einer "Orange Parade" zu den Stadien in Frankfurt und Stuttgart. Wie der holländische Fan-Beauftragte Gijs de Jong auf der Sicherheitskonferenz betonte, werden dabei alle Informationsregister gezogen, die 974 registrierten niederländischen Hooligans zu Hause gelassen. Dem widersprach Gregor Rosenthal, "Beauftragter für alle WM-Sicherheitsbelange" beim Bundesinnenministerium: Nach Erkenntnissen seiner Fachleute rechnet man mit 150 bis 200 orangenen Hools pro Spiel. Dagegen hält sich Rosenthal auf der Sicherheitskonferenz bei anderen Ländern strikt an die offiziellen Sprachregelungen. "3500 britische Hooligans haben ein Ausreiseverbot bekommen, und 3500 werden nicht kommen." Der Rest ist eine Frage der eigens zur WM temporär wieder eingeführten Grenzkontrollen und guter Datenprofile.

Stärker denn jemals zuvor steht die IT-Sicherheit auf der Agenda der Sicherheitsexperten, versicherte Rosenthal seinen Zuhörern. Gerade weil Daten, TV-Bilder und Sprache in einem gemeinsamen Netzwerk fließen, müsse Hackern und Internet-Angreifern eine größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Parallel zur Sicherheitskonferenz meldeten sich die beiden großen IT-Dienstleister Avaya und die Deutsche Telekom zu Wort. Avaya gab bekannt, dass alle Verfügbarkeitstest für das Sprach- und Datennetz erfolgreich abgeschlossen wurden. Die zertifizierten Tests durch den englischen Dienstleister Netconsult Online hätten eine Verfügbarkeit von 99,9 Prozent ergeben; auch die FIFA habe das Netz durch eigene Spezialisten getestet und abgenommen.

Die Telekom wiederum stellte in einer eigenen Pressemitteilung ihre KSM und den obersten ZEM für die IT dieser WM vor. Welchselbiger Michael Lange heißt und als "Zentraler Eskalations Manager" die Aktionen aller 12 "Konzern Stadion Manager" koordiniert. Diese sind hartgesottene Typen und erwarten laut Pressetext ständig das Unvorhersehbare, etwa "dass ein Photojournalist in höchster Not den Stecker einer Telekom-Stromversorgung am Spielfeldrand zieht, um sein Notebook aufzuladen." Wer der DAE, der "dümmste anzunehmende Elektriker" war, der die Stromleitungen so auslegte, dass ein Journalist mit seinem Notebook die gesamte Stromversorgung torpedieren kann, das verrät die Pressemeldung allerdings nicht. Wir sehen: diese WM wird spannend, ganz ohne Fußball.

Zur Technik und zum Datenschutz bei der Fußball-WM 2006 siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)