Fußball-WM: ein Ticket unter Freunden

Im Zuge der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den EnBW-Chef wegen mit WM-Tickets garnierter Einladungen an Politiker sind Befürchtungen aufgetaucht, dass Datenbestände durchsucht werden, die zur Überprüfung der Ticketinhaber angelegt wurden.

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Von
  • Detlef Borchers

Im Zuge der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen den EnBW-Chef Utz Claassen und seine Einladungen, mit denen WM-Tickets an Politiker verschenkt werden sollten, sind Befürchtungen aufgetaucht, dass die Staatsanwaltschaft die Datenbestände durchsuchen könnte, die zur Überprüfung der Ticketinhaber angelegt wurden. Der EnBW-Chef hatte mehrere Politiker zum Besuch von WM-Spielen eingeladen und ihnen dafür Tickets aus dem Kontingent in Aussicht gestellt, über das EnBW als nationaler Sponsor verfügt. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe leitete daraufhin eine Prüfung ein, ob bei der Aktion der Tatbestand einer "Vorteilsgewährung an Amtsträger" oder eine "Vorteilsannahme im Amt" vorliegt: Weder dürfen Politiker größere Geschenke annehmen, noch dürfen Unternehmen größere Geschenke machen. Das Verfahren wurde in Gang gesetzt, nachdem bekannt geworden war, dass die EnBW mehrere ranghohe Politiker eingeladen hatte. Das wird von der EnBW nicht bestritten, sondern nur als Einstieg in eine größere Aktion deklariert. So betonte der EnBW-Anwalt Klaus Menge gegenüber den SWR-Nachrichten, es sei von Anfang an vorgesehen gewesen, das gesamte baden-württembergische Kabinett, Landräte und Regierungspräsidenten einzuladen.

Als nationaler Sponsor verfügt EnBW wie die Postbank, die Deutsche Bahn, Obi, Oddset und die Hamburg-Mannheimer über 5000 Tickets. Besser dran sind die internationalen Großsponsoren wie Philipps, Toshiba oder die Deutsche Telekom, die jeweils über 25.000 Tickets verfügen und sie in vielfältigen Gewinn- und PR-Aktionen an den Mann bringen. So verschenkte Toshiba Tickets für die Vorrundenspiele beim Kauf eines Laptops. Bei den nationalen Sponsoren werden die Tickets überwiegend intern verteilt. So vergibt die Postbank 3700 Tickets an Mitarbeiter, die besonders gute Arbeit bei der Integration der unlängst übernommenen BHW geleistet haben und verlost den Rest der Karten unter den 25.000 Mitarbeitern.

Die den Sponsoren zugeteilten Tickets müssen über ein Web-Interface von den eingeladenen Personen um die nötigen Daten (Name, Anschrift, Ausweis/Passnummer) komplettiert werden. Tickets, die nicht personalisiert wurden, müssen von den Sponsoren wieder an die FIFA zurückgegeben werden. Diese kann die Tickets in den Pool der so genannten fünften Verkaufsphase überführen, aus dem sich Fans in stundenlanger Klickerei Karten erkämpfen. Die Daten aller personalisierten Tickets müssen auf Seite der FIFA beziehungsweise dem WM-Organisationskommittee Ende September 2006 gelöscht werden, soweit es sich um unproblematische Abwicklungen handelt. Für die Polizeibehörden und Staatsanwaltschaft gelten längere Aufbewahrungsfristen. Die Daten von problematischen Tickets sollen ähnlich wie die Daten von den abgelehnten WM-Saisonarbeitern bis Ende 2007 aufbewahrt werden.

Gegen die Anfangsermittlungen der Karlsruher Staatsanwaltschaft hat OK-Vizepräsident Theo Zwanziger protestiert. Politiker, Amtsträger und Geschäftsleute seien zunehmend verunsichert und würden Spieleinladungen ausschlagen, um Probleme mit der Staatsanwaltschaft zu vermeiden. Das würde die Stimmung und die Geschäfte trüben.

Zur Technik und zum Datenschutz bei der Fußball-WM 2006 siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)