Kazaa-Nutzer klagen gegen Kazaa

Eine Kazaa-Nutzerin, die nicht-lizenzierte Musikstücke getauscht haben soll, verklagt den Anbieter der Filesharing-Software auf Schadensersatz. Der Vorwurf: Mit betrügerischen Geschäftsmethoden habe Kazaa seine Nutzer zu Rechtsverstößen verleitet.

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Jeder verklagt jeden: Die Musikindustrie verklagt die Anbieter von P2P-Software und ihre Nutzer, beide lassen sich nicht einschüchtern und klagen ihrerseits gegen die Industrie. Seit dem Nikolaustag gibt es in dem rechtlichen Ringelreihen eine neue Variante: Nutzer der Tauschbörsen-Software Kazaa klagen gegen deren Hersteller Sharman Networks. Eine bei Tausch nicht lizenzierter Songs ertappte Kazaa-Nutzerin, die sich bereits mit der Musikindustrie vor Gericht verglichen und entsprechend gezahlt hatte, wirft dem Hersteller der Filesharing-Software irreführende und betrügerische Geschäftspraktiken vor. In der Sammelklage verlangt sie von Sharman Networks Schadensersatz und Strafzahlungen sowie die Übernahme der Verfahrenskosten.

Konkret wirft die Klageschrift dem offiziell auf dem südpazifischen Archipel Vanuatu beheimateten Sharman Networks vor, für den P2P-Client fälschlicherweise mit "kostenlosen Downloads" geworben zu haben. Den Nutzern sei so in irreführender Absicht suggeriert worden, der Tausch auch von nicht-lizenzierten Inhalten über die Software sei legal. Das Unternehmen habe dabei stets gewusst, dass der eigentliche Zweck der Software einer illegalen Handlung diene und dies zur Bereicherung ausgenutzt. Außerdem sei Kazaa durch die automatische Freigabe des Daten-Ordners so konfiguriert gewesen, dass jeder Nutzer Rechtsverstöße begehen musste. Weder seien die Nutzer über diese Konfiguration noch die möglichen rechtlichen Implikationen ausreichend informiert worden. Die Nutzer seien deshalb zu teuren Vergleichen mit der Musikindustrie gezwungen gewesen.

Sollte die Klage Erfolg haben und auch als Sammelklage zugelassen werden, droht dem Kazaa-Anbieter nun massiver Ärger von seinen ehemaligen Nutzern. Für den Anwalt Ray Beckerman, der zahlreiche Mandanten gegen die Musikindustrie vertritt, kommt das nicht überraschend. Er erwartet, dass Kazaa als dritte Partei zunehmend in die Verfahren zwischen Musikindustrie und Privatpersonen hineingezogen wird. Das ist nicht verwunderlich, denn Kazaa spielt in vielen der von der Musikindustrie massenhaft angestrengten Zivilklagen die Rolle des Tatwerkzeugs.

Damit wird Kazaa nun von einer weiteren Seite direkt für die von Nutzern begangenen Urheberrechtsverstöße in die Pflicht genommen. Mit einem anderen Ansatz argumentiert ein von der RIAA verklagter Filesharer: Die gegen ihn von der Musikindustrie erhobenen Ansprüche seien mit dem zwischen Sharman Networks und Vertretern von Film- und Musikindustrie erzielten Vergleich abgegolten. Kazaa hatte sich mit Industrie auf eine Zahlung von über 115 Millionen US-Dollar geeinigt. Zuvor hatte der oberste Gerichtshof der USA im Fall Grokster entschieden, dass eine Firma, die bewusst und gezielt Mittel zur Urheberrechtsverletzung anbiete, auch für damit begangene Rechtsverstöße haftbar zu machen sei. Der Vergleich zwischen Industrie und Kazaa, so das Argument nunmehr, decke damit auch eventuelle Ansprüche der Industrie gegen Individuen. Auch mit den Musikverlagen hat sich Sharman inzwischen verglichen. (vbr)