Neuausrichtung beschert Nokia tiefrote Zahlen

Noch sind die Finnen Weltmarktführer, jedoch gerät der Spitzenplatz im Zuge der Neuausrichtung in Gefahr: Der Handy-Absatz brach um 20 Prozent ein, unterm Strich blieb ein dicker Verlust.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 243 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der finnische Mobilfunkkonzern Nokia ist im zweiten Quartal des Geschäftsjahres tief in die roten Zahlen geraten. Wie das Unternehmen am Donnerstag in Helsinki mitteilte, sank der Umsatz im Vergleich zum Vorjahresabschnitt um 7 Prozent auf knapp 9,3 Milliarden Euro. Vor allem die Neuausrichtung der Handysparte lastet schwer auf dem Unternehmen: Nach einem Nettogewinn von 227 Millionen Euro im Vorjahr musst Nokia nun einen Verlust von 368 Millionen Euro verkraften.

Die im Zuge der strategischen Neuausrichtung erwarteten Schwierigkeiten seien im zweiten Quartal deutlicher zu Tage getreten als erwartet, erklärte Nokia-CEO Stephen Elop das überraschende Ergebnis. Auch die Analysten hatten einen so deutlichen Einbruch nicht vorhergesehen, die Finanzexperten hatten einen Verlust von gut 100 Millionen einkalkuliert. Das Unternehmen will weiter auf die Kostenbremse treten und die geplanten Einsparungen beschleunigen. Die Börse reagiert positiv.

Das Kerngeschäft mit Handys ist im zweiten Quartal stark unter Druck geraten. Der Umsatz der Handysparte brach um 20 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro ein und lag damit noch unter den ohnehin schon gesenkten Erwartungen. Im lukrativen Smartphone-Segment gingen die Einnahmen sogar um 32 Prozent zurück. Nokia setzte im zweiten Quartal insgesamt 88,5 Millionen Handys ab, im Vorjahresquartal waren es noch 111 Millionen. Darunter waren nur 16,7 Millionen Smartphones (Vorjahr: 25,2 Millionen Stück). Zum Vergleich: Börsenliebling Apple hat im abgelaufenen Quartal über 20 Millionen iPhones verkauft.

[Update: Der durchschnittliche Verkaufspreis (ASP) der Geräte legte im Vorjahresvergleich um 1 Euro zu und betrug im zweiten Quartal 62 Euro. Ein Smartphone kostete dabei im Schnitt 142 Euro, ein Standard-Handy 36 Euro. Im ersten Quartal 2011 kostete ein Nokia-Handy im Schnitt noch 65 Euro, ein Smartphone 146 Euro und ein normales Handy 40 Euro. Der ASP sei im Quartal durch starke Konkurrenz und gezielte Preisaktionen unter Druck geraten, teilte Nokia dazu mit.

Neben den Einbußen im Kerngeschäft drücken auch die Kosten der von Elop angestoßenen Restrukturierung auf das Ergebnis. Nokia gibt die Restrukturierungsbelastungen für das Quartal mit 297 Millionen Euro an. Darüber hinaus schlägt die Auslagerung der Symbianentwicklung an Accenture mit 275 Millionen Euro zu Buche. Rund 2800 Nokia-Mitarbeiter sollen bis Oktober das Unternehmen wechseln. Dazu kommen noch Abschreibungen in Höhe von 41 Millionen Euro.

Im Umsatz der Gerätesparte sind Lizenzeinnahmen aus dem umfangreichen Patent-Portfolio der Finnen enthalten. Nokia hatte im Patentstreit mit Apple zuletzt einen Vergleich erzielt. Die Einnahmen daraus schlagen sich in der nicht nach IFRS-Regeln erstellten Bilanz positiv nieder und verhelfen den Finnen zu einem operativen Plus von 391 Millionen Euro – auch das ein Grund für die freundliche Reaktion der Börse. Die Anleger zeigten sich darüber hinaus erfreut von der Aussicht, der Konzern werde die operativen Kosten über das für 2013 gesetzte Sparziel von einer Milliarde Euro hinaus senken können.

Auch die zusammen mit Siemens betriebene Netzwerksparte Nokia Siemens Networks (NSN) blieb mit einem operativen Verlust von 111 Millionen Euro weiter in den roten Zahlen. Der Umsatz stieg immerhin um 20 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro. Beide Unternehmen hatten eine Woche zuvor ihre Bemühungen um einen Teilverkauf des seit langem mit Verlusten kämpfenden Joint Ventures aufgegeben. Der Umsatz bei Navteq ging auf 245 Millionen Euro leicht zurück, operativ konnte die Karten-Sparte ihren Verlust von 81 auf 58 Millionen Euro eindämmen.]

Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Nokia in Euro
Quartal Umsatz Nettogewinn
1/00 6,5 Mrd. 0,91 Mrd.
2/00 7 Mrd. 0,98 Mrd.
3/00 7,58 Mrd. 0,92 Mrd.
4/00 9,28 Mrd. 1,21 Mrd.
1/01 8 Mrd. 1,05 Mrd.
2/01 7,35 Mrd. 0,83 Mrd.
3/01 7 Mrd. 0,76 Mrd.
4/01 8,79 Mrd. 1,15 Mrd.
1/02 7 Mrd. 0,92 Mrd.
2/02 6,94 Mrd. 0,90 Mrd.
3/02 7,2 Mrd. 0,88 Mrd.
4/02 8,8 Mrd. 1,24 Mrd.
1/03 6,7 Mrd. 0,97 Mrd.
2/03 7,02 Mrd. 0,66 Mrd.
3/03 6,9 Mrd. 0,86 Mrd.
4/03 8,79 Mrd. 1,17 Mrd.
1/04 6,63 Mrd. 0,82 Mrd.
2/04 6,64 Mrd. 0,71 Mrd.
3/04 6,94 Mrd. 0,66 Mrd.
4/04 9,063 Mrd. 1,019 Mrd.
1/05 (*) 7,396 Mrd. 0,863 Mrd.
2/05 8,059 Mrd. 0,799 Mrd.
3/05 8,403 Mrd. 0,881 Mrd.
4/05 10,333 Mrd. 1,073 Mrd.
1/06 9,507 Mrd. 1,048 Mrd.
2/06 9,813 Mrd. 1,140 Mrd.
3/06 10,100 Mrd. 0,845 Mrd.
4/06 11,701 Mrd. 1,273 Mrd.
1/07 9,856 Mrd. 0,979 Mrd.
2/07 12,587 Mrd. 2,828 Mrd.
3/07 12,898 Mrd. 1,563 Mrd.
4/07 15,717 Mrd. 1,835 Mrd.
1/08 12,660 Mrd. 1,222 Mrd.
2/08 13,151 Mrd. 1,103 Mrd.
3/08 12,237 Mrd. 1,087 Mrd.
4/08 12,662 Mrd. 0,576 Mrd.
1/09 9,274 Mrd. 0,122 Mrd.
2/09 9,912 Mrd. 0,287 Mrd.
3/09 9,810 Mrd. -0,913 Mrd.
4/09 11,988 Mrd. 0,948 Mrd.
1/10 9,522 Mrd. 0,349 Mrd.
2/10 10,003 Mrd. 0,227 Mrd.
3/10 10,270 Mrd. 0,322 Mrd
4/10 12,653 Mrd. 0,745 Mrd.
1/11 10,399 Mrd. 0,344 Mrd.
2/11 9,275 Mrd. -0,368 Mrd.
(*) Ergebnis seit Q1 2005 ausgewiesen nach neuen IFRS-Bilanzierungsregeln.

(vbr)