Augmented Reality im Auto
Dänische Forscher haben eine Konzeptstudie für den Toyota-Konzern entwickelt, bei der aus Seitenscheiben in Fahrzeugen interaktive Bildschirme werden.
Dänische Forscher haben eine Konzeptstudie für den Toyota-Konzern entwickelt, bei der aus Seitenscheiben in Fahrzeugen interaktive Bildschirme werden.
Auch wenn sie sich bislang nur schleppend bei Otto Normalverbraucher durchsetzt: Der sogenannten Augmented Reality (AR), der erweiterten Realität, wird nach wie vor eine große Zukunft vorhergesagt. Momentan versteht man darunter ganz praktisch vor allem Smartphones oder Tablet-Rechner, die ein Kamerabild der Umgebung zeigen, das dank AR-Software mit interessanten Informationen überblendet wird – erweitert, eben.
Das kann dann beispielsweise eine Navigationshilfe sein, die den Weg zum nächsten Restaurant über Pfeile im Echtbild anzeigt, Hintergrundinfos zu einer touristischen Sehenswürdigkeit, vor der der Nutzer gerade steht oder ein Fahrassistent fürs Auto, der die Meterzahl bis zum Vordermann grafisch darstellt oder Verkehrsschilder optisch hervorhebt.
Wirklich spektakulär ist das derzeit noch nicht, mancher Kritiker spricht gar von Spielerei. Tatsächlich dürfte sich die Anzahl der Langzeitnutzer von AR-Anwendungen auf Smartphones und Tablets derzeit noch in Grenzen halten. Firmen wie der risikokapitalfinanzierte niederländische Spezialist Layar, wo immerhin 60 Mitarbeiter an solchen Lösungen arbeiten, versuchen deshalb, mit immer neuen Nutzungsbereichen zu werben.
Eine Konzeptstudie, die Forscher am Institut für Interaktionsdesign in Kopenhagen (CIID) in Zusammenarbeit mit dem europäischen Designzentrum Kansei1 des japanischen Automobilkonzerns Toyota entwickelt haben, zeigt nun, wie AR in einigen Jahren in voller Pracht aussehen könnte, wenn die Technik mitspielt. Statt nur ein kleines Smartphone oder ein etwas größeres Tablet als mit Informationen überlagertes Fenster in die Welt zu verwenden, arbeiten die CIID-Wissenschaftler mit den kompletten Seitenscheiben eines Fahrzeugs.
Die Idee: Aus den einfachen Gläsern wird eine interaktive Spielfläche, auf der die Passagiere per Finger Informationen abrufen oder, wie Kinder es jetzt mit angelaufenen Scheiben tun, "malen" können.
Grundsätzlich technisch machbar ist die Idee schon heute: Statt eines normalen Fensters steckt in der Scheibe ein berührungsempfindlicher Bildschirm. Außen angebrachte Kameras nehmen die Umgebung auf, die dann darin wiedergegeben wird, so dass es für den Passagier wirkt, als schaue er durch Glas nach draußen. Dank perspektivisch korrekter Wiedergabe soll es auch nicht störend wirken.
Das Bildschirm-Fenster erlaubt dann die AR: Es können Informationen über das Kamerabild gelegt werden, im Fall des CIID-Konzept beispielsweise der Abstand zu Objekten wie Bäumen oder Häusern, die zuvor mit dem Finger markiert wurden. Aber auch Navigationselemente könnten eingeblendet werden. Gesteuert wird das alles über einen kleinen Computer, der im Kofferraum oder der Mittelkonsole stecken könnte.
Der Prototyp hat weitere Funktionen. So kann man Objekte, die am Passagier vorbeiziehen, anhalten und an die heranzoomen – interessant etwa, um Sehenswürdigkeiten zu betrachten, an denen man gerade vorbeigefahren ist. Eine Funktion, die es für Smartphones mit Apps wie "Word Lens" bereits gibt, das automatisierte Übersetzen von Schrift per AR-Überlagerung, wollen die CIID-Forscher ebenso einbauen. Aber nicht nur die Seitenscheiben sollen auf längere Sicht zum interaktiven Fenster werden: Erwogen wird von den Projektverantwortlichen auch, das Panoramadach des Autos ins Konzept einzubeziehen. Dann könnte man beispielsweise in der Nacht einen Sternenhimmel zeigen, astronomisch wie optisch korrekt.
In einem Video, das allerdings nur aus statisch gefilmten Bildern und Computergrafik besteht, lässt sich anschaulich nachvollziehen, wie das Konzept umgesetzt werden könnte. Dabei sehen die Seitenscheiben nicht anders aus als gewöhnliche Fenster – nur dass sie eben in Wahrheit Bildschirme sind.
Bevor das CIID-Konzept Serienreife erlangt, müssen Displays allerdings noch flacher, stabiler und etwas formbarer werden, um als Fenster und Panoramadächer in Autos verbaut werden zu können. Und sicher sowie zertifiziert müsste die Technik natürlich auch sein – eine Frage, mit der sich das Team bislang noch gar nicht beschäftigt hat. Länger als zehn Jahre dürfte es aber nicht dauern, ein solches Projekt in die Praxis umzusetzen, hoffen die Forscher. Nun muss nur noch eine Nachfrage her. Beeindruckender als AR-Anwendungen für Smartphones und Tablets sind bereits die Prototypen. (bsc)