Bundesregierung weist Kritik der Länder an der Urheberrechtsreform zurück

Die Bundesregierung hält in ihrer Antwort an den Bundesrat an der Neuregelung der Vergütungspauschale, am eingeschränkten Versand von Fachinformationen und an ihrer Skepsis gegenüber "Open Access"-Publikationen fest.

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Die Bundesregierung weist die scharfe Kritik des Bundesrats am Entwurf für die zweite Stufe der Urheberrechtsreform größtenteils zurück. Wie aus ihrer Gegenäußerung (PDF-Datei) zur Position der Länderkammer hervorgeht, hält sie an der geplanten Neuregelung der Vergütungspauschale für Privatkopien und am eingeschränkten Versand von Fachinformationen durch Bibliotheken fest. Auch dem von den Ländern geforderten "Paradigmenwechsel" hin zu einem "Open Access"-Publikationsmodell für öffentlich geförderte wissenschaftliche Arbeiten steht das Bundeskabinett sehr skeptisch gegenüber. Als tatsächlich prüfungsbedürftig hält es letztlich nur Randforderungen der Länder. Diese wollten vor allem erreichen, dass die Novelle den Bedürfnissen von Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie der Informationsfreiheit der Bürger stärker Rechnung trägt.

Im Streit um die Urheberrechtsabgabe etwa will die Bundesregierung nach wie vor sehr weit den Forderungen der Geräteindustrie entgegenkommen. Die erhobenen Bedenken gegen die vorgesehene Koppelung einer Vergütungspflicht an die Nutzung von Vervielfältigungsgeräten und Speichermedien zum Erstellen von Kopien "in nennenswertem Umfang" erscheinen ihr als "diskussionswürdig"; streichen will sie die Einschränkung gleichwohl nicht, da sie "sinnvoll und angemessen" sowie "unter dem Aspekt der Bürokratievermeidung erforderlich" sei. Die Regelung gewährleiste, dass Geräte, deren Vergütungsfreiheit bislang außer Diskussion stand, nicht mit neuen Abgaben belegt würden. Den angeführten Nutzungsumfang in Höhe von zehn Prozent will die Regierung aber nicht als "absolute Fixgröße" verstanden wissen. Verwertungsgesellschaften fürchten, dass sie künftig auch wegen der bislang unbestrittenen Vergütungspflicht für bereits abgabenpflichtige Geräte bis zum Bundesgerichtshof gehen müssen.

Der in den Raum gestellten Begrenzung der Pauschalvergütung auf fünf Prozent vom Gerätepreis hält die Regierung weiter die Stange. Diese sei "vernünftig", da sie "die von der Praxis geforderte unternehmerische Planungssicherheit" gewährleiste. Um das "urheberfreundliche System der Abgaben, das es in anderen EU-Staaten nicht oder nicht so weitgehend gibt, zukunftsfähig zu erhalten", müssten "ökonomische Grundtatsachen des Wettbewerbs im europäischen Binnenmarkt respektiert werden". Sonst würden die Käufer auf Nachbarstaaten oder das Internet ausweichen und so den "Produktions- und Handelsstandort" Deutschland gefährden.

Die Bundesregierung begrüßt dagegen den Ansatz des Bundesrates, die bisher in ihrem Entwurf vorgesehene Pflicht zur Erstellung von empirischen Untersuchungen, mit denen das Ausmaß der tatsächlichen Nutzung bestimmt werden soll, zu relativieren und diese etwa erst im Stadium der Schlichtung vor der vorgesehenen Schiedsstelle zur Geltung zu bringen. Prüfen will sie zudem generell die Anregung der Länder, dass Kopien von im Internet mit dem Segen des Rechteinhabers öffentlich zugänglich gemachten Werken nicht nach den Vorschriften über die pauschale Vergütungspflicht für Privatkopien vergütungspflichtig sind. Online-Autoren würden demnach bei der Ausschüttung der Urheberabgaben durch die Verwertungsgesellschaften leer ausgehen. Die VG Wort plant momentan aber noch, erstmals vom kommenden Jahr an auch Online-Publikationen mitzuvergüten.

Hart bleibt die Regierung beim elektronischen Versand von Fachinformationen durch Bibliotheksdienste wie subito. So sperrt sie sich gegen die Forderung des Bundesrats, diesen auch dann für zulässig zu erklären, wenn Verlage selbst online den Zugang zu den Werken mittels vertraglicher Vereinbarung ermöglichen. Es werde aber im eigenen Interesse der Verlage liegen, ihre Konditionen "angemessen" auszugestalten, da der vorgesehene Schutz ihrer Online-Verwertung sonst nicht mehr greife. Andererseits widerspricht die Regierung dem Ansinnen der Länder, dass Bibliotheken an elektronischen Leseplätzen gleichzeitig nur die Anzahl der Bände zugänglich machen dürfen, die sie im Bestand haben. Andernfalls könnte die Medienkompetenz der Bevölkerung nicht gefördert werden und es seien auch "keine angemessene Bedingungen für den Forschungs- und Wissenschaftsstandort sicherzustellen."

Den "Open Access"-Vorstoß der Länderkammer lehnt die Regierung mit der Begründung ab, dass "wegen der dadurch aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen insgesamt noch erheblicher Erörterungsbedarf bestehe". Es sei auch zu klären, ob es sich bei dem Vorschlag nicht um eine europarechtlich unzulässige Einschränkung der Verwerterrechte handle. Zudem würden sich die internationalen Großverlage derzeit selbst um "praktikable vertragliche Lösungen" bemühen, denen nicht mit einer "übereilten" Gesetzesänderung vorgegriffen werden sollte. Es sei auch zu befürchten, dass renommierten deutschen Wissenschaftlern mit der kostenlosen Netzveröffentlichung Publikationswege in Zeitschriften mit hoher Reputation verstellt werden könnten. Laut Bundesrat sollen Autoren das Recht erhalten, den Inhalt eines Fachwerks im nicht-kommerziellen Umfeld und in einer gesonderten Formatierung nach Ablauf einer Mindestfrist von sechs Monaten seit Erstveröffentlichung "anderweitig öffentlich zugänglich zu machen".

Die Kritik am Regierungsentwurf dürfte auch mit der Verteidigung durch das Kabinett nicht geringer werden. So haben etwa die Grünen am gestrigen Montag einen Parteiratsbeschluss verabschiedet, der mit der Reform hart ins Gericht geht. "Die Bundesregierung wird das Ziel eines fairen Interessenausgleichs verfehlen", heißt es in dem Papier. Der Entwurf stärke einseitig die Position der Verwerter geistigen Eigentums. Statt die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, würde der Zugang zu Informationen und Wissen erschwert und die Nutzung neuer Technik eingeschränkt. Auch Verbraucherrechte würden missachtet.

Im Einzelnen fordern die Grünen etwa ein Recht auf die Durchsetzung der Privatkopie auch gegen technische Kopierschutzmaßnahmen und die Wiedereinführung der umstrittenen P2P-Bagatellklausel in das Gesetz, mit dem das Bundesjustizministerium ursprünglich den illegalen Download nicht lizenzierter Quellen etwa in Tauschbörsen straffrei stellen wollte, solange dies nur in geringem Umfang geschieht. Änderungsvorschläge im Sinne des Bundesrats haben überdies Medien- und Forschungspolitiker aus der Großen Koalition vorgebracht. Angesichts der anhaltenden Proteste zeigt sich die Regierung inzwischen skeptisch, ob die Novelle noch in diesem Jahr verabschiedet werden kann.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)