Stellungskrieg rund um Urheberrechtsabgaben

Die Geräteindustrie protestiert mit der Aktion "Teuerland" gegen eine Ausweitung von Urheber-Vergütungspauschalen, während Vertreter der Kreativen den Herstellern die Verbreitung "dreister Phantasiebehauptungen" vorwerfen.

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Die Gerätehersteller wollen ihrer Ansicht nach "völlig illusorischen Maximalforderungen" für Vergütungspauschalen vor Augen führen

Die seit langem heftig geführte Auseinandersetzung um die künftige Bemessung der Pauschalabgaben für das private Kopieren urheberrechtlich geschützter Werke geht in die nächste Runde: Die Geräteindustrie hat am heutigen Mittwoch in Berlin die Aktion "Teuerland ­ wir schlagen drauf" gestartet, um noch deutlicher auf die ihrer Ansicht nach überzogenen und standortpolitisch gefährlichen Forderungen von Vertretern der Kreativen zu neuen Vergütungspauschalen hinzuweisen. Nach einem parlamentarischen Frühstück und einer Pressekonferenz können sich in einem extra aufgebauten Zelt im Innenhof des Sony Center am Potsdamer Platz nun auch Verbraucher zwei Tage lang ein Sammelsurium digitaler Gerätschaften anschauen und die dazu im Raum stehenden "völlig illusorischen Maximalforderungen" der zuständigen Verwertungsgesellschaften "plakativ" vor Augen führen, wie Henning Ohlsson, Geschäftsführer von Epson Deutschland, sagt. Zum gleichen Zweck hat die Kampagne Anzeigen etwa im Spiegel geschaltet.

Zu sehen sind etwa Multifunktionsgeräte, die heute laut Regine Stachelhaus, Geschäftsführerin von Hewlett-Packard Deutschland, 80 Euro im Handel kosten. Die von der VG Wort begehrten Abgaben dafür würden bei 76,70 Euro anfangen, sodass sich der Preis fast verdoppeln könnte. Die Preise für derlei PC-Peripheriegeräte verfalle jedes Jahr um zehn Prozent, sekundierte ihr Bernd Bischoff, Geschäftsführer von Fujitsu Siemens Computers: "Die Industrie kann die Erhöhungen nicht auffangen, sie muss sie an die Verbraucher weitergeben." Die Kunden würden so ins Ausland abwandern oder dort übers Internet einkaufen. "Wir gehen von einer zehnprozentigen Umsatzverlagerung in Nachbarländer aus", betonte Willy Fischel vom Bundesverband Technik des Einzelhandels, demzufolge Deutschland bereits "Abgabenspitzenreiter in Europa" ist. Damit würden bis zu 2700 Arbeitsplätze hierzulande gefährdet.

Mit der Kampagne, die altbekannte Argumente neu verpackt, reagiert die Industrie auf die scharfe Kritik der Urheberrechtsvertreter am Regierungsentwurf zur zweiten Stufe er Urheberrechtsreform. Erfasst werden sollen demnach nur noch Geräte, die in "nennenswertem Umfang" für private Vervielfältigungen genutzt werden. Zudem ist eine Kappung der Vergütungshöhe bei fünf Prozent des Gerätepreises vorgesehen. Ein Aktionsbündnis der Urheber sowie die von zahlreichen Journalistenvereinigungen gestützte Initiative Urheberrecht laufen gegen diese Vorschläge Sturm, da sie einen "Raubbau" an der Vergütungspauschale befürchten. Die Industrie geht dagegen davon aus, dass die Einnahmen der Verwertungsgesellschaften auch mit der Abgabendeckelung auf 596 Millionen Euro im Jahr 2007 hochschnellen.

Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des Branchenverbands Bitkom, nutzte den Start der Protestaktion nun, um seine Forderung nach einem "Systemwechsel" zu verdeutlichen. Ihm zufolge sei "das Internet komplett auszunehmen vom Pauschalregime", da man dort Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) einsetzen und so eine individuelle Urhebervergütung sicherstellen könne. Eine "hundertprozentige Sicherheit" gegen Cracker und illegale Kopierer böten diese zwar nicht, räumte er ein. Er rede aber ausschließlich über eine Vergütung legaler Privatkopien. Die illegale Nutzung etwa von Tauschbörsen oder das Knacken von DRM-Systemen würden generell zivil- und strafrechtlich verfolgt, wobei insbesondere die Musikindustrie das Schlagtempo erhöhen will. Eine Beibehaltung der Pauschalabgabe würde im Web 2.0 schon allein daran scheitern, weil darin "jeder auch Produzent" und "die Welt der Unterhaltungskonsumenten aufgelöst wird". Dies würde einen "gigantischen Umverteilungsmechanismus" rund um Urheberabgaben nötig machen.

Bischoff trommelte ebenfalls für DRM und erinnerte daran, dass auf dem IT-Gipfel der Bundesregierung im Dezember die umstrittenen Kopierschutzsysteme in einem Atemzug mit Embedded Systems genannt worden seien. Tatsächlich zählte die Bitkom-Spitze beide Entwicklungen in ihrem Katalog von "Schlüsseltechniken" auf. "Wir sehen aus wie der Depp, wenn wir hier nicht auch DRM-Systeme verkaufen", arbeitete Bischoff nachdrücklich auf eine verstärkte Aktivität rund um die technischen Plomben für digitale Inhalte hin.

Mitglieder von ver.di und der Initiative Urheberrecht protestierten gegen das "erklärte Ziel" der Importeure und Hersteller, die bewährte Vergütungspauschale "zu schleifen"

Die VG Wort kritisierte die Informationen der Geräteindustrie bereits im Vorfeld der heutigen Presseveranstaltung als "dreiste Phantasiebehauptungen". Es handle sich um einen Versuch, die Öffentlichkeit in einem "Fantasialand" durch manipulativ dargestellte Zahlen auf ihre Seite zu ziehen. "Hier wurden nach Belieben einfach Zahlen aus dem Zusammenhang gerissen, Positionen der Verwertungsgesellschaften unvollständig dargestellt, und an einigen Stellen sogar fantasiereiche Berechnungen ohne jede reale Entsprechung durchgeführt", empört sich VG-Wort-Vorstand Ferdinand Melichar. "Das gesamte Machwerk lässt sich mit den regelmäßig in unseren Geschäftsberichten veröffentlichten Zahlen und den von uns unmissverständlich kommunizierten Forderungen im Bereich der Urheberrechtsnovelle mühelos widerlegen. Die Druckerindustrie spekuliert einfach darauf, dass sich Viele diese Mühe nicht machen." In einem aktuellen Newsletter (PDF-Datei) setzt sich die VG Wort ausführlich mit den Thesen der Industrie auseinander.

Am Eingang zum Sony Center protestierte zudem ein Häuflein Demonstranten von der Dienstleistungsgesellschaft ver.di und anderen Mitgliedern der Initiative Urheberrecht gegen die Teuerland-Kampagne und das "erklärte Ziel" der Importeure und Hersteller, die bewährte Vergütungspauschale "zu schleifen". Der Bitkom lasse nun "Preiserhöhungen androhen", heißt es in einer gleichzeitig verteilten Pressemappe, "falls der Gesetzgeber nicht tut", was die Industrielobby wolle. Man komme daher nicht umhin, beim Bitkom "eine leichte Tendenz zum Größenwahnsinn zu vermuten". Habe sich der Verband doch vor rund zwei Jahren noch dazu "verstiegen, eine Verpflichtung zu staatlicher Förderung der von ihm vertretenen – großteils ausländischen – Unternehmen mit Verfassungsrang einzufordern".

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)