Rätselhaftes Athlon-64-Angebot bei Dell
Auf der US-Webseite bietet Dell einige AMD-Prozessoren an; die Branche spekuliert nun ĂĽber die BeweggrĂĽnde.
Und täglich grüßt das Murmeltier – das ist der erste Gedanke, der vielen Beobachtern angesichts der Meldung einfällt, dass Dell in den USA nun auch einige Athlon-64-Prozessoren offeriert: Schließlich geistern Gerüchte über AMD-CPUs in Dell-Rechnern mehr oder weniger regelmäßig durch die IT-Welt. Dell ist der bekannteste Hersteller, der ausschließlich Computer mit Intel-Prozessoren verkauft; während AMD fast alle großen Dell-Konkurrenten von den Vorzügen der schnellen und günstigen Athlon-64- und Opteron-Prozessoren überzeugen konnte – sogar Aldi verkaufte kürzlich ein Turion-64-Notebook – blieb Dell bisher standhaft. Auch im Server-Bereich, wo die versammelte Konkurrenz auch Opterons einsetzt, hält Dell die Stellung und hat mit der Einführung von Dual-Core-Systemen geduldig auf Intel gewartet.
Würde Dell umschwenken, könnte AMD "I Got You Babe" pfeifen und einen erneuten Triumph feiern. Immerhin liegt der aktuelle Fall ein wenig anders als bisherige Spekulationen. Während es früher fast immer nur um die Interpretation der Aussagen von Dell- oder AMD-Mitarbeitern ging oder um einige wenige Opteron-Server, die Dell im Projektgeschäft auslieferte, verkauft Dell diesmal die Athlon-64-Prozessoren ganz offen über die US-Webseite. Es handelt sich dabei um sechs Sockel-939-Prozessoren von AMD in der Einzelhandels-Box, darunter das aktuelle Topmodell Athlon 64 FX-57, sowie drei Dual-Core-Versionen.
Dell ordnet die Prozessoren in die Produktsparte Desktop-Zubehör/Prozessoren ein, obwohl Dell ja bisher keinen PC mit Athlon-64-CPU im Angebot hat, der sich damit aufrüsten ließe. Und als Komponenten-Versender hat sich Dell bisher nicht hervorgetan; es sind auch sonst keine Tendenzen erkennbar, dass Dell in den USA mit einer breiten Palette von PC-Hardware-Bauteilen in das Online-Versandgeschäft einsteigen will. Dagegen spricht auch, dass Dell beispielsweise nur zwei Box-Prozessoren von Intel anbietet und sonst nur (Intel-)Prozessoren als Zubehör für hauseigene Rechner. In Deutschland bietet Dell in der Sparte Desktop-Zubehör überhaupt keine Prozessoren an.
Die Branche rätselt nun über Dells aktuelle AMD-CPU-Offerte. Ist sie ein Zeichen dafür, dass Dell wirklich bald Athlon-64-Rechner anbieten will? Michael Singer von News.com/USA deutet das so und argumentiert, dass Dell dringend auch billigere PCs anbieten müsse. Der mittlere Preis von Dell-Rechnern in den USA liege deutlich über dem landesweiten mittleren Gerätepreis, während HP mit einem wesentlich geringeren mittleren Verkaufspreis zurzeit erfolgreicher agiert. Für preiswertere PCs mit hoher Leistung sei Dell aber auf AMD-Prozessoren angewiesen, weil auch die Konkurrenten solche Rechner fast immer billiger als ähnlich positionierte Intel-Systeme verkaufen könne.
Auf eine völlig andere Perspektive verweist The Register aus England: Man könne doch auf die Idee kommen, dass Dell damit auf die Klage von AMD gegen Intel wegen unfairer Handelspraktiken reagiere. AMD hat unter anderem auch Dell zur Herausgabe von Unterlagen für das Kartellverfahren aufgefordert. Durch den Verkauf von AMD-Prozessoren schwäche Dell die Argumentation seitens AMD, dass Dell alternativlos auf Intel-Prozessoren setze.
Beide Spekulationen lassen sich zurzeit nicht weiter untermauern. Man kann aber davon ausgehen, dass AMD zu sehr hohen Rabatten bereit ist, um mit Dell ins Geschäft zu kommen. Andererseits schätzen Analysten, dass Intel seine Prozessoren zu sehr niedrigen Kosten fertigt und deshalb -- wie bei den Dual-Core-Prozessoren -- noch erheblichen Preis-Spielraum hat. (ciw)