Forderungen nach "drittem Korb" der Urheberrechtsnovelle

Während der Rechtsausschuss des Bundestags die umstrittenen Änderungen an der zweiten Stufe der Urheberrechtsreform verabschiedet hat, macht sich der Bildungsausschuss für die rasche Einleitung einer dritten Runde stark.

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Der Rechtsausschuss des Bundestags hat am heutigen Mittwoch die umstrittenen Änderungen zum lange umkämpften Regierungsentwurf für die zweite Stufe der Urheberrechtsreform verabschiedet, auf die sich die große Koalition im Vorfeld verständigt hatte. Damit ist der Weg frei für die Verabschiedung der von der Bundesregierung gelobten Novelle am Donnerstag durch das Parlamentsplenum. Neben den Regierungsfraktionen stimmten auch die Liberalen für die Korrekturen. Die Grünen enthielten sich, die Linken lehnten das Vorhaben ab. Alle Fraktionen brachten umfangreiche Entschließungsanträge ein, um die Weichen für die künftige Urheberrechtsgesetzgebung und Reformen an der Reform zu stellen. Insgesamt bricht der Bundestag beim so genannten 2. Korb der Novelle wie schon bei der ersten Stufe wieder mit der Tradition, Änderungen am Urheberrechtsgesetz einstimmig zu verabschieden.

An den Möglichkeiten zum privaten Kopieren ändert sich mit dem jetzt so gut wie abgesegneten Entwurf nicht viel. Zum besseren Vorgehen gegen die Verbreitung geschützter Werke in Tauschbörsen gibt es aber eine weitere Einschränkung: So dürfen alsbald keine Privatkopien mehr gezogen werden "von offensichtlich rechtswidrig zugänglich gemachten" sowie unter gleichen Bedingungen "hergestellten Vorlagen". Gestrichen werden zugleich entscheidende Kriterien des Regierungspapiers zur Neuregelung der Vergütungspauschale fürs eingeschränkte private Kopieren. So fällt etwa die zunächst vorgesehene Deckelung der Urheberrechtsabgabe bei fünf Prozent des Gerätepreises weg. "Hightech-Käufer werden zur Kasse gebeten", kritisiert der Branchenverband Bitkom nach dem verlorenen Stellungskrieg mit Urheberrechtsvertretungen. Der geplante Interessenausgleich sei in entscheidenden Punkten gescheitert.

Der Bildungsausschuss des Bundestags plädiert derweil in einer Entschließung, die auf die Bildungsexperten Carsten Müller (CDU) und Jörg Tauss (SPD) zurückgeht, wie einige der Fraktionen für die "möglichst rasche" Aufnahme der Arbeiten "an einem dritten Korb". Darin müssten die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung in der Informationsgesellschaft endlich angemessen berücksichtigt werden. Die beiden Forschungspolitiker hatten sich im Vorfeld bereits für entsprechende Änderungen am 2. Korb stark gemacht, konnten sich damit aber nicht durchsetzen.

Im Rahmen des 3. Korbs gilt es dem Bildungsausschuss zufolge insbesondere etwa zu prüfen, "wie das – auch international inzwischen immer nachhaltiger eingeforderte – Prinzip eines freien und für die Nutzer im Regelfall kostenlosen Zugangs zu mit öffentlichen Mitteln produziertem Wissen (Open Access) auch in Deutschland festgeschrieben werden kann". Damit könnte die Chance eröffnet werden, dass "innovative, attraktive und elektronischen Umgebungen angemessene Organisations- und Geschäftsmodelle für Publikation und Distribution von Wissen entstehen". Diese wiederum dürften auch Verlagen und der gesamten Informationswirtschaft neue Möglichkeiten zur Erschließung neuer Märkte bieten.

Auch bei der Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen hat der Bildungsausschuss noch Nachbesserungsbedarf ausgemacht. So sollten dazu neben öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven auch Bildungseinrichtungen allgemein befugt werden. Dies sei "unerlässlich", um etwa die Nutzer von Weiterbildungsstätten oder Schüler "nicht unverhältnismäßig von der dynamischen technologischen Entwicklung abzukoppeln". Darüber hinaus setzen sich die Bildungspolitiker dafür ein, dass die geltenden Bereichsausnahmen bei der Intranet-Klausel zum öffentlichen Zugänglichmachen von Ausschnitten eines Werks für Unterricht und Forschung überdacht und die Befristung der Regelung ersatzlos gestrichen wird. Zudem verweisen sie darauf, dass in den USA und Großbritannien Urheber, die bei aus Steuermittel finanzierten Einrichtungen beschäftigt sind, Nutzungsrechte an Verlage nur eingeschränkt übertragen können und dies im 3. Korb auch mit zu bedenken sei.

Das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" sieht derweil mit dem 2. Korb "seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt": Mit den gegenüber dem Regierungsentwurf erneuten Einschränkungen zu Lasten eines freien Umgangs mit Wissen und Information in der Wissenschaft habe Schwarz-Rot das im Koalitionsvertrag selbst erklärte Ziel, ein "bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht" zu schaffen, vollständig verfehlt.

Der Protest der Vereinigung richtet sich vor allem gegen die einseitige Begünstigung einer fortschreitenden Kommerzialisierung auch von mit öffentlichen Mitteln erstelltem Wissen. Nach den Studiengebühren würden nun auch drastische Informationskosten auf die Studierenden zukommen, Bibliotheken massiv an der Informationsversorgung von Bildung und Wissenschaft im elektronischen Umfeld gehindert. Auch Volker Kitz vom Max-Planck-Institut für geistiges Eigentum in München bedauert, dass der Bundestag die von den Ländern vorgeschlagenen Regeln zu Open Access bei wissenschaftlichen Werken nicht aufgegriffen hat. Dass Forscher ihre Ergebnisse leichter im Internet verfügbar machen können, wäre durchaus im Sinne der Allgemeinheit.

Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Grünen, monierte, dass der der Gesetzentwurf darauf verzichtet, die digitale Privatkopie endlich der analogen gleichzustellen. Wer heute ein urheberrechtlich geschütztes, digitales Werk rechtmäßig erworben habe, könne davon unter Umständen nicht einmal Sicherheitskopie anfertigen, wenn der Rechteverwerter einen Kopierschutz angebracht habe. Dies sei völlig inakzeptabel. Außerdem würden Nutzer unnötig kriminalisiert, wenn in Zukunft jede einzelne Urheberrechtsverletzung im privaten Bereich strafrechtlich geahndet werden könne. Das belaste nicht nur die Staatsanwaltschaften, sondern sei auch unverhältnismäßig. Bettins Warnung: "Hier werden Schulhöfe kriminalisiert." Die SPD-Medienpolitikerin Monika Griefahn begrüßte dagegen, dass "nach zahlreichen langen und intensiven Verhandlungen aus der Gesetzesnovelle tatsächlich ein Gesetz für die Urheber geworden ist".

Zur Diskussion um das Urheberrecht, das geistige Eigentum, Tauschbörsen und illegale Kopien sowie um die Urheberrechtsnovellierung siehe die Übersicht mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln und zu den Gesetzesentwürfen und -texten:

(Stefan Krempl) / (jk)