"Musikindustrie vs. Tauschbörsen" geht in die letzte Instanz

Die Entscheidung des Supreme Court in der Klage gegen Grokster und Streamcast könnte die Richtung bestimmen, in der sich die Zugriffsmöglichkeiten der Kunden auf urheberrechtlich geschützte Werke und der Umgang mit digitalen Medien entwickeln.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 442 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

Der Kampf zwischen der US-amerikanischen Unterhaltungsindustrie und den Herstellern von Tauschbörsen-Software hat die letzte juristische Instanz erreicht. Der Oberste Gerichtshof der USA nahm sich am heutigen Dienstag der Klage von 28 Film- und Musikkonzernen gegen Grokster und StreamCast Networks (Morpheus) an. Ein Urteil wird allerdings frühestens im Juli erwartet. Die verklagten Firmen hatten alle bisherigen Verfahren in den anderen Instanzen gewonnen.

Die Musikindustrie macht in der Klage geltend, in den vergangenen Jahren schwere Verluste durch Tauschbörsen erlitten zu haben. Zwar sind mehrere Konzerne inzwischen dazu übergegangen, das legale Herunterladen ihrer Musik über das Internet anzubieten, so verkaufte der Online-Dienst iTunes Music Store von Apple seit seinem Start vor knapp zwei Jahren mehr als 300 Millionen Musikstücke. Die Zahl der kostenlos heruntergeladenen Titel, die nicht bei den Rechteinhabern oder den Rechteverwertern lizenziert worden sind, liegt nach Meinung der Industrie aber immer noch beim einem Vielfachen.

Die Hersteller der Tauschbörsen-Software haben sich in der Vergangenheit erfolgreich damit verteidigt, dass sie für den Missbrauch ihrer Produkte durch Verbraucher nicht verantwortlich sind. Sie beziehen sich dabei auf das so genannte Betamax-Urteil des Supreme Court: Darin war Sony von dem Vorwurf freigesprochen worden, Videorecorder-Hersteller seien für mögliche illegale Nutzung ihrer Geräte zur Herstellung von Raubkopien verantwortlich zu machen.

Unterstützung erhielten Grokster und Streamcast nicht nur vom Medienmogul Mark Cuban und von einzelnen Musikern, sondern unter anderem von IT-Verbänden: Der Schutz geistigen Eigentums dürfe nicht auf Kosten technischer Innovationen durchgesetzt werden. Das Betamax-Urteil habe es möglich gemacht, dass sich eine angeblich zerstörerische Technik in Videorecordern, CD-Playern, Apples iPod bis hin zum Computer als solchem entfalten konnte.

Der Fall erregt aber nicht nur das Interesse der User, sondern ruft auf beiden Seiten Verbündete auf den Plan; auch unter Musikern ist die Haltung nicht einheitlich. So schlugen sich die Christian Coalition of America, aber auch das Hip-Hop Summit Action Network auf die Seite der Medienbranche. Künstler Tom Jones und Avril Lavigne oder die der Songwriters Guild of America unterstützen die Musik- und Filmverbände ebenfalls in ihrem Vorgehen gegen die beiden Hersteller von Tauschbörsensoftware. Die Medienbranche sieht das Betamax-Urteil falsch interpretiert: Wenn ein Produkt oder ein Service hauptsächlich für illegale Zwecke genutzt werde, müsse ein Provider oder Anbieter zur Rechenschaft gezogen werden. Ähnlich wie im Fall von Napster lautet der Vorwurf gegenüber Grokster und Streamcast gar, sie hätten die Software explizit dafür entwickelt, damit Anwender Urheberrechtsverletzungen begehen könnten.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshof der USA in einigen Wochen wird von vielen Betrachtern als ähnlich bedeutsam für die Hightech-Industrie und die moderne Medienbranche eingeschätzt wir das Betamax-Urteil von 1984. Als eine Art Betamax-Urteil für das digitale Medienzeitalter könnte es die künftige Richtung bestimmen, in der sich die Zugriffsmöglichkeiten der Kunden auf urheberrechtlich geschützte Werke und der Umgang mit digitalen Medien sowie Online-Distribution entwickelt. Die Verbände der Film- und Musikbranche haben aber bereits angekündigt, sie würden ihre kommerziellen Download-Dienste und Medien-Onlineshops weiter ausbauen, auch wenn sie vor dem Supreme Court gegen Grokster und Streamcast unterliegen würden.

Siehe dazu auch in Telepolis:

  • Copyright, Peer-2-Peer und Innovation-- Der Oberste US-Gerichtshof entscheidet im epochalen Fall "MGM vs. Grokster" nicht nur über das Schicksal von Tauschbörsen, sondern über digitale Erfindungen allgemein.

(jk)