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Was war. Was wird.

War's das? Ist damit alles zu Ende, weil die menschliche Rasse mal wieder alles übertreibt und in IT-Technik das Allheilmittel für alle Übel und Sünden sieht? Ach, was reg ich mich auf, denkt sich Hal Faber und träumt von Caracas.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Wie die Woche war? Ich könnte den Titel der Computer-Aufzeichnungen von Charles Bukowski zitieren: "Den Göttern kommt das große Kotzen." Und es mit dem Rückblick sein lassen. Doch schon der etwas frei übersetzte Titel der Aufzeichnungen zeigen, dass wir mal wieder gegen die Fakten kämpfen müssen wie Christopher Robin und Pu, der Bär im Hundert-Morgen-Wald. "The Captain Is Out to Lunch And The Sailors Have Taken Over The Ship", das klingt schon etwas anders. Und dennoch haben die Götter das große Kotzen gekriegt. "Die menschliche Rasse übertreibt alles. Ihre Helden, ihre Feinde, ihre Bedeutung." Nach 77 Jahren hat die menschliche Rasse Pluto von seiner Arbeit als Planet entbunden. Während sich Pluto einen neuen Job sucht, ist uns die Plutokratie der Verzichtsberater erhalten geblieben. Wir sollen keinen Urlaub machen und auf den Neukauf eines Autos verzichten. Und wenn wir arbeitslos sind, dann soll auch noch ein Urlaub gestrichen werden, den es in dieser Form gar nicht im Sozialgesetzbuch gibt. Das erweiterte Besuchs- und Reiseverbot ist wichtig, ist doch die Vermittlungssoftware hochempfindlich. Ich persönlich wäre schon glücklich, wenn die Politiker darauf verzichten würden, ihre Stammtischsätze in Zeitungen zu kotzen.

*** Die norddeutsche Tiefebene ist vor allem das. Eben. Steile Flanken für Mutige gibt es nicht mehr, seitdem der Deister von einer Alpinistenkommission zur Nichtalpe herabgestuft, der Brocken wegen der Häcksen von der Gleichtellungskommission zur Bergin erklärt wurde. In dunklen Nächten wird man dort die neue Häckse Paris Hilton treffen können, das ist schon das wirklich Schlimmste, was hier passieren kann. Das gefährlichste Gewässer ist die reißende Ems, die vom großen Emssperrwerk in Schach gehalten wird. So eben das Land, so ruhig sind seine Götter. Selbst Irmin, der Blutrünstigste unter ihnen, hielt nichts von großen Königen und mehr von flachen Hierarchien. Doch halt! Einen großen König hatten wir doch. Das war der dicke König Sigmar von Goslar. Der erbte das Land Niedersachsen, als Rüttel-Schröder da rein durfte.

*** Nun hat sich der spät berufene Umweltengel und Pinguin-Fan Gabriel einen Genossen zur Brust genommen, in dessen Parteibuch-Wiki jemand ein Foto vom braven Mustersozi mit einem leicht anrüchigen Untertitel parkierte. Wie man unschwer bemerken kann, ist das alles ein schräger Kommentar zum endlosen Kapitel der Forenhaftung, die auch uns Tiefebenenbewohner in dieser Woche beschäftigte. Was die Anwälte bewegte, die ihrer Mandantschaft einen "hochwertigen und zielgerichteten Service in allen Fragen des Wirtschaftsrechts bietet", weiß ich nicht. Bislang verzichtete Gabriel übrigens nur auf Atomkraftwerke. Sollte sein Beispiel Schule machen, droht uns der Verzicht, sich unseres eigenen Verstandes zu bedienen.

*** Der immer noch amtierende Popbeauftragte der SPD scheint übrigens irgendwo zwischen Gunter Gabriel und Peter Gabriel angesiedelt. Sigmar "I will rock you" Gabriel fordert eine Musik, die sich einem wachen Bezug gegenüber der Wirklichkeit nicht verschließt. Wie beispielsweise Tokio Hotel, das sind ganz wache süße Jungs: "Tom: Wenn das Hotel uns das erlauben würde, dann würde ich schon gerne mal ein Zimmer richtig zerlegen. Grade nach einer Show mit Adrenalin im Blut...". Das bringt mich nach all den Sommerrätseln zu der Sommer-Hitparade, die ohne Erlaubnis von Hotels auskommt. Aber wieso eigentlich Sommer-Hitparade? Wieso überhaupt Sommer? Adrenalin im Blut kann man auch ohne kreischende Teenies haben. Nach den Jubelarien über die entspannten Deutschen in der Sonne über der WM und der anschießend allzu erwartbaren Stöhnerei über die Bruthitze versteckte sich der Sommer doch nur hinter einem Trauerkleid, das nur zu gut zu der Stimmung passt, die einem überfallen mag, wenn man all die neuen Patrioten und Beschwörer des relaxten Nationalgefühls so aufmarschieren sieht. Der gute Deutsche aber geht videoüberwacht und terrordateigespeichert seinen Weg. Vielleicht sollte man statt "Wir Deutschen" doch mal lieber wieder Maxim Billers "Deutschbuch" aus dem Bücherschrank kramen: Man ist dann gewarnt, dass uns wohl demnächst auch noch die nächste Renaissance von Ernst Jünger droht. So bleibt möglicherweise als Musik dieses Sommers nur noch "Nimm mich mit (nach Caracas)" – und das ausgerechnet von der Deutschmusikquotenpropagandistin Inga Humpe, die in ihrer 2raumwohnung "Melancholisch schön" vor sich hindudelt ... Aber das entscheiden wir dann doch lieber nächste Woche, wenn möglichweise der Frust über den entschwundenen Sommer (wenn auch nicht über die immer noch vorhandenen Neonationalisten) verflogen ist.

*** Aber ach, kurz mag man noch in Erinnerung an den verflossenen Sommer und das Sommerrätsel verweilen. Aus gegebenem Anlass möchte ich auf die Auflösung des letzten Teiles hinweisen, die nunmehr das richtige Foto von Gerald Combs (Ethereal/Wireshark) enthält – alle Ähnlichkeiten mit fiktiven Personen wie Ken Clark oder Al Bundy sind zufällig. Aus ebenso gegebenem Anlass möchte ich außerdem noch einmal auf den nicht erratenen Florian Pfaff hinweisen, der nach wie vor der Gegenstand von spitzfindigen juristischen Erörterungen ist, die das Gewissen als Berufsrisiko definieren. Soldaten gehen also freiwillig ein gewisses Berufsrisiko ein, wenn sie in eine Kriegshandlung verwickelt werden, die ihren religiösen Überzeugungen widerspricht. Ob das in dem Kleingedruckten steht, das begeisterte Gamer in Leipzig unterschrieben haben? Wobei die Bundeswehr grundsätzlich gut beraten ist, auf der größten deutschen Baller-Show den Nachwuchs zu akquirieren. Das sieht man an dem Rundendreher Sebastian Vettel, der die Strecke zuvor auch nur am Computer trainieren durfte. "In echt" fuhr er dann so explosiv, als ob Dell- und Apple-Batterien in seinem Tank steckten.

*** Jaja, die Computer, Produkte heimatloser Tramps, die in den seltsamsten Hütten enden. Der nette Verlag in der norddeutschen Tiefebene hat eine kleine Umfrage zu Gebraucht-Notebooks gestartet. Ich persönlich bin der Meinung, dass mehr als 200 Euro für solch ein Gerät zuviel Geld ist, aber ich schreibe auch nur spartanisches ASCII, programmiere nicht und hechel auch nicht nach dem Vorteil, "optimal vernetzt kollektives Wissen zu akkumulieren", bis der Blog platzt. Also habe ich mich dieser Tage gefreut, für ein paar Scheinchen das Update von einem Thinkpad X21 zu einem X30 geschafft zu haben. Auf beiden laufen Windows XP und Linux völlig problemlos. Und knallen tun sie auch nicht. Das ist übrigens keine Werbung, weil diese Geräte nicht mehr gebaut werden. Schlimmstenfalls steigen die Preise auf dem Gebrauchtmarkt. Aber 200 Euro, 200 Euro, da war doch noch was? Richtig! Vor 10 Jahren stellte Larry Ellison Ende August den ersten NC aus der Vorserie vor, für alle, die nur schreiben wollen und denen dabei Windows im Weg ist. Auf der Europa-Premiere in Paris crashte Ellison den Rechner bei dem Versuch, eine CD von Mariah Carey zu bestellen und gleichzeitig einen Song von Mariah Carey abbbbzzzuuuussspppppppllllnnn. Man mag das für den Aufstand der unbelebten Materie gegen die Geschmacklosigkeiten derjenigen betrachten, die sie zu beherrschen meinen und mit unsäglichem Gedöns belästigen. Der weise Jo Bager aber schrieb zukunftsweisend: "Abgesehen davon ist gerade in Deutschland die Internet-Infrastruktur noch meilenweit davon entfernt, eine NC-Architektur zuzulassen."

*** Heute haben wir das Internet in Deutschland. Und das ist ganz furchtbar, auch ohne NC, denn das Internet ist auch ein Terrornet. Die Bits und Bytes stehen nicht immer auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung und müssen demnach scharf kontrolliert werden. Und wer bitte gibt mir die Garantie, dass dies nicht der Lageplan für einen besonders perfiden Bombenteilchenbeschleuniger ist? Ist nicht schon verdächtig, dass hier das Wort anonym auftaucht, Kennzeichen merkbefreiter Strategen, die "irgendeine Art von Vorratsdatenspeicherung" anonymer Daten fordern? Vernagelte Hardliner dieser Art leben anscheinend gern in Schleswig-Holstein, wo gerade der Bungsberg als höchster Berg nach einer Kommissionssitzung von Justizminister Uwe Döring und Innenminister Ralf Stegner zurücktreten musste. Seinen Platz nimmt ab sofort Konrad Freiberg aus Schwarzenbek ein. Der ist zwar kleiner, aber nach der wissenschaftlich erhärteten Umlaufbahn-Abräumthese (siehe Pluto weiter oben) ungleich würdiger, weil er sich aktiv für die Abschaffung der freiheitlich demokratischen Grundordnung einsetzt und eine Kronzeugenregelung will, die bislang nur üble Denunziationen produziert hat.

Was wird.

Bleiben wir in Schleswig-Holstein. Dort findet am Montag zu Haitabu eine Akademie der letzten Daten-Wikinger statt, die den seltsamen Titel Mach's gut. Mach's besser!" trägt. Behandelt wird so das Datenschutzmanagement in Unternehmen und Verwaltungen. Dabei nimmt sogar der erwähnte Bungsberg-Regulator von der Schlei, Ralf Stegner, an einer Diskussion darüber teil, ob Datenschutz als Ordnungsprinzip zur Optimierung von Unternehmensabläufen genutzt werden kann. Höhepunkt der Tagung ist der Auftritt von Peter Cullen, seines Zeichens der oberste Datenschützer von Microsoft. Er soll welterstmalig ein neues Konzept seines Unternehmens vorstellen, wie bei der Entwicklung von Software Datenschutz implementiert wird. Wieder einmal setzt die Erde inmitten der acht Planeten unseres Sonnensystems neue Standards! Dank Microsoft.

Dann gibt es kein Halten mehr, denn die IFA bricht aus. Das ist eine Messe wie die CeBIT in meiner lieblichen Heimatstadt, sie unterscheidet sich von der CeBIT nur darin, dass nicht der freie Stamm der Sachsen die Messe organisiert, sondern die Berliner, bekanntlich ein Reitervolk aus der hinteren Mongolei, das mit der Graffitti-Sprühdose im Sattel aufwächst. Die Inhalte von IFA und CeBIT unterscheiden sich ansonsten nicht mehr großartig, was beispielsweise Nokia gemerkt hat. Die Finnen bleiben beiden Veranstaltungen fern und beehren genau wie Apple die Photokina in Köln mit einem Stand. Wobei im Fall von Apple die Stammes- und Götterfrage kompliziert ist. Wheels of Zeus deuten immerhin auf einen Stamm in Fetatistan hin. Und dann sind da noch die bemitleidenswerten Kölner, ein Stamm, der bedingt durch langjährige römische Anwesenheit verlernt hat, wie richtiges Bier gebraut wird. Wie war das noch? Genau: Den Göttern kommt das große Kotzen. (Hal Faber) / (jk)