Sicherheit, Anti-Terror und Datenschutz - fünf Jahre nach "9/11"

Heute vor fünf Jahren trafen entführte Passagierflugzeuge das World Trade Center von New York und das Pentagon. Seitdem reißen die Diskussionen um mehr Terrorbekämpfung, Sicherheit und Datenschutz auch in der IT-Welt nicht mehr ab.

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Fünf Jahre nach den Anschlägen auf die Zwillingstürme von New York und auf die Zentrale des US-Verteidigungsministeriums richten sich die Augen der Weltöffentlichkeit wieder auf "Ground Zero". Die USA gedenken der fast 3000 Toten und Vermissten, noch heute leiden Helfer, die an den Bergungs- und Aufräumarbeiten beteiligt waren, an den Spätfolgen. Wenn vom 11. September 2001 die Rede ist, dann häufig von dem "Tag, an dem sich die Welt änderte".

Die Anschläge hatten nicht nur politische und wirtschaftliche Folgen, die USA schickten nach den Terroranschlägen nicht nur Soldaten nach Afghanistan und Irak, sondern entdeckten ebenso die Informationstechnik als Mittel und Risiko im Kampf gegen den Terror, auch mit hierzulande weit reichenden Konsequenzen. Wer in der Suchmaske des heise-Newstickers allein nach dem Auftauchen des Begriffs "Terror" forscht, wird auf rund 350 Fundstellen verwiesen. Lediglich 17 von den aufgelisteten Meldungen sind vor dem 11. September 2001 online gegangen.

Nicht einmal drei Wochen nach den Anschlägen lag im US-Parlament bereits eine überarbeitete Fassung des Antiterror-Gesetzpakets Patriot Act ("Provide Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism") vor. Es stellte unter anderem das unbefugte Eindringen in Computer unter Strafe, zudem sollten die Gesetzeshüter leichteren Zugang zu ungeöffneten E-Mails und Telefongesprächen von Verdächtigen bekommen. Zur gleichen Zeit hat der US-Geheimdienst National Security Agency mit Erlaubnis des US-Präsidenten George W. Bush, aber ohne die eigentlich erforderliche richterliche Genehmigung, heimlich damit begonnen, Telefongespräche von US-Bürgern mit Terrorverdächtigen im Ausland abzuhören und Verbindungsdaten innerstaatlicher Kommunikation auszuwerten.

Die Ermittlungspannen, die verhindert hatten, dass die Attentäter vor ihren Todesflügen gestoppt werden konnten, verdeutlichten beim FBI einen massiven technischen Rückstand. Es hat einige Jahre gebraucht, bis nun die verschiedenen Abteilungen und lokalen Filialen anscheinend in der Lage sind, auf einen gemeinsamen Datenbestand zuzugreifen und nach Terrorverdächtigen zu recherchieren. Allerdings bezweifeln Beobachter in den USA, dass die Computersysteme des FBI so wie auch des DHS den massiv gestiegenen Anforderungen, die an die Technik als Hilfsmittel im Kampf gegen den Terror gestellt werden, gewachsen sind. Die kürzlich vom FBI vorgeführte Antiterror-Datenbank erregt so wie die Bespitzelung durch den NSA den Unmut der Bürgerrechtler, da der Datenschutz beeinträchtigt und die Grundrechte in Frage gestellt würden. Nun wehren sie sich gegen eine Überarbeitung der gesetzlichen Grundlage für Abhöraktionen, die das Vorgehen des US-Präsidenten und des NSA gewissermaßen nachträglich legitimieren würde.

Auch in Deutschland wurde schnell gehandelt. Kaum zwei Wochen nach den Anschlägen jenseits des Atlantiks legte Bundesinnenminister Otto Schily sein erstes Paket Anti-Terror-Gesetze vor, das zum Beispiel schärfere Überprüfungsmöglichkeiten für Personal in Flughäfen vorsah. Datenschützer, Juristen und Politiker fühlten sich ebenso schnell aufgefordert, zu Besonnenheit und zu einer Verhältnismäßigkeit der Mittel zu mahnen. Schilys Nachfolger Wolfgang Schäuble meinte nun anlässlich des Jahrestags, die Anti-Terror-Gesetze hätten sich bewährt. Die Verschärfung der Einreisebestimmungen in den USA nahm die Bundesregierung zum Anlass, zum 1. November 2005 den biometrischen Reisepass einzuführen. Aufsehen erregt auch die Übermittlung von Flugpassagierdaten an die USA und die Diskussion um eine Anti-Terror-Datei.

Ein häufig von Politikern vorgebrachtes Argument lautet, man müsse den Terroristen, die sich moderner Kommunikationsmittel bedienten, mit ebenbürtigen Waffen begegnen. Durch die damit verbundenen Diskussionen sind Begriffe der IT-Welt auch in die Hauptnachrichten des Fernsehabends gerückt und damit in die Köpfe der Bürger, an denen beispielsweise Themen wie die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten noch vorbeigegangen sein mögen. Die zunehmende Verbreitung der Computer- und Kommunikationstechnik fällt zusammen mit vermehrt wiederholten Mahnungen vor einer Potenzierung und Globalisierung der Gefahren durch diese – nicht nur durch Terroristen, sondern auch durch "Cyberkriminelle", Pädophile, Schadcode-Programmierer und andere, gegen die allerorten technische Fallen und Schutzmauern errichtet werden.

Auf der anderen Seite mehren sich Befürchtungen, mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnik werde versucht, die Vision vom "gläsernen Menschen" zu verwirklichen. Fünf Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurden Überwachung der Bürger, Eindringen in die Privatsphäre durch staatliche Stellen und Auswertung der Spuren, die jeder im Internet und mit anderen modernen Kommunikationsmitteln hinterlässt, teils schleichend, teils mit Aplomb durchgesetzt – in einem Maße, das zuvor unvorstellbar war und manches Mal bereits selbstverständlich erscheint. Und dies alles mit dem Argument, Sicherheit vor Terror herstellen zu wollen, um die Freiheit der Bürger zu schützen. Vor diesem Hintergrund wird in den USA dieser Tage häufig eine Äußerung zitiert, die in der Regel Benjamin Franklin, einem der Gründerväter der USA, zugeschrieben wird: "Diejenigen, die ihre Freiheit zugunsten der Sicherheit aufgeben, werden am Ende keines von beiden haben – und verdienen es auch nicht."

Siehe dazu auch in c't:

Siehe dazu auch in Telepolis: (anw)