Österreichische Gesundheitskarte: Projekt-Vergabe soll illegal erfolgt sein

Bei der Vergabe des ersten Projektteils soll es illegale Absprachen zwischen dem Konsortium aus Siemens, IBM und Telekom Austria sowie ÖVP-nahen Managern des Hauptverbands der Sozialversicherungen geben haben.

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Neue Vorwürfe rund um die österreichische Gesundheitskarte e-card sorgen heute für Aufregung in Österreich. Bei der Vergabe des ersten Projektteils soll es illegale Absprachen zwischen dem Konsortium aus Siemens, IBM und Telekom Austria sowie ÖVP-nahen Managern des Hauptverbands der Sozialversicherungen geben haben. Geheime abendliche Treffen ("no-dates") hätten demnach im Jahr 2003 in der Zentrale der Regierungspartei ÖVP in der Wiener Teinfaltstraße stattgefunden. Bei einer Zusammenkunft sollen die Hauptverbandsmanager Vertretern des Konsortiums geraten haben, einen Preis von knapp unter 38 Millionen Euro zu veranschlagen. Am folgenden Tag soll das schließlich erfolgreiche Angebot des Konsortiums über 36,9 Millionen Euro eingegangen sein. Diese Vorwürfe gehen laut Berichten der Wochenzeitschrift News aus der Klage einer Vision & Concept IT-Consulting GmbH hervor. Sie fordert 1,3 Millionen Euro Schadenersatz. Aufgrund der angeführten illegalen Absprachen sei ihr diese Summe als Prämie entgangen.

Nachdem der im April 2001 abgeschlossene Gesamtvertrag über ein Chipkartensystem mit dem Konsortium EDS/OGRA im März 2003 gescheitert war, wurde das Projekt in einen Software- und einen Chipkarten-Teil getrennt. Die ersten Angebote für ein Betriebssystem für die e-card-Terminals und das Rechenzentrum lagen unbestätigten Informationen zu Folge bei 80 Millionen bis 160 Millionen Euro. Daraufhin wurden eine Gruppe von Professoren der TU Wien sowie Reinhold Bierbaumer als Consulter mit Kostenschätzungen beauftragt. Die Professoren sollen 20 Millionen bis 25 Millionen Euro, Bierbaumer 25 Millionen bis 30 Millionen als realistischen Wert genannt haben. Reinhold und Oxana Bierbaumer haben laut Firmenbuch im Januar 2004 die Vision & Concept IT-Consulting GmbH gegründet, die jedoch in keinem Telefonverzeichnis steht. Eine Stellungnahme der Firma konnte daher nicht eingeholt werden.

Bierbaumer beziehungsweise der GmbH soll 2003 eine Prämie versprochen worden sein für den Fall, dass die Kosten unter 35 Millionen Euro beziehungsweise unter 30 Millionen (Zusatzprämie) gedrückt werden können. Vision & Concept fordert nun entsprechenden Schadenersatz. Beide noch im Rennen befindliche Bietergruppen hätten unter 30 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Erst durch illegale Absprachen habe sich ein Preis von über 35 Millionen Euro gebildet. Die zweite Bietergruppe sei durch politischen Druck aus dem Bundeskanzleramt sowie dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen von rechtlichen Schritten gegen die Vergabeentscheidung abgehalten worden. Im Zuge der Sonderprüfung des Rechnungshofs soll außerdem nachträglich ein Vertrag erstellt worden sein, um die "Optik" zu verbessern.

Die Grünen kündigten heute eine parlamentarische Anfrage an (PDF-Datei), die SPÖ forderte die Ablösung der ÖVP-nahen Manager. Das Gesundheitsministerium betonte in einer Aussendung, dass die Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) "nie in das Vergabeverfahren 'involviert' und auch bei keiner einzigen diesbezüglichen Sitzung dabei" gewesen sei. Die kleinere Regierungspartei BZÖ kritisierte hingegen in einer Aussendung das "Flop-Pojekt e-card" als ein "völlig überteuertes 130 Millionen-Euro-Projekt, begleitet von einer nicht enden wollenden Pleiten, Pech und Pannenserie" und verwies auf den "vernichtenden Rechnungshofbericht" sowie die von BZÖ-Chef Jörg Haider bereits im Herbst 2004 erstattete Strafanzeige. Der Hauptverband der Sozialversicherungen bezeichnete die Vorwürfe "als völlig absurd und aus der Luft gegriffen". Die Klagedrohung sei erst am heutigen Donnerstag "per Mail im Hauptverband mit dem Ersuchen eines außergerichtlichen Vergleichs eingelangt".

Siehe dazu auch:

(Daniel AJ Sokolov) / (anw)