Unstimmigkeiten bei DIN-Entscheid zu Microsofts OpenXML beklagt

Kritiker von Microsofts Dokumentenformat wie Abgesandte von Google oder der Deutschen Telekom durften an dem entscheidenden deutschen Votum rund um die ISO-Standardisierungsbemühungen nicht teilnehmen. Das DIN weist Vorwürfe zurück.

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Aus dem Umfeld des Ausschusses beim Deutschen Institut für Normung (DIN), der sich am Dienstag in Berlin mit großer Mehrheit für die Übernahme von Microsofts Dokumentenformat Office Open XML (OOXML) als internationalen ISO-Standard ausgesprochen hat, gibt es harsche Kritik an dem Prozedere. Es habe sich ein Arbeitskreis selbst zusammengesucht und rasch wieder abgekapselt, um Kritiker von OpenXML weitgehend außen vor zu halten, bemängeln Beobachter.

Das Anliegen Microsofts, dem bereits von der International Organization for Standardization (ISO) veröffentlichten Dokumentenstandard Open Document Format (ODF) in Form des ISO/IEC 26300 mit OpenXML einen eigenen Ansatz entgegenzusetzen, ereilte das DIN im Rahmen des Antrags auf ein beschleunigtes "Fast Track"-Verfahren der European Computer Manufacturers Association (ECMA) Ende vergangenen Jahres. Die Organisation hatte im Dezember OOXML als eigenen Standard anerkannt. Beim DIN war man zunächst skeptisch über die Notwendigkeit einer zusätzlichen Norm für ein Dokumentenformat. Vom ISO kam dagegen ohne Begründung die Nachricht, dass OpenXML für das Standardisierungsverfahren in Genf zugelassen worden sei und die Meinungsbildung in einem so genannten nationalen Spiegelgremium vorangetrieben werden solle.

Die rasch noch 2006 eingerichtete Arbeitsgruppe startete ihre Sondierungstätigkeiten unter der Führung des Obmanns Gerd Schürmann, der beim Berliner Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) das E-Government-Labor betreut. Darin lassen Firmen wie IBM, Microsoft oder Oracle die Interoperabilität von Anwendungen in der digitalen Verwaltung testen. Mitte Januar informierte das DIN erstmals unter einem sehr allgemeinen Aufhänger Pressevertreter über die Einrichtung des Ausschusses, erzeugte damit aber kein großes Medienecho.

In den Arbeitskreis nahm Schürmann von Unternehmensseite Vertreter von Microsoft, IBM und Sun Microsystems, dem Microsoft-Lizenzhaus PC-Ware, von OpenLimit, die für die Redmonder Signaturlösungen entwickeln, und CIT sowie vom EDV-Haus Dialogika auf, das für Microsoft an einem "Open-XML-Translator" arbeitet. Aus dem Behördenumfeld und dem Sektor E-Government durften das frühzeitig Windows Vista testende niedersächsische Justizministerium, der kommunale norddeutsche Dienstleister Dataport, die Kommanditgesellschaft Bremen Online Services, die Hamburger Finanzbehörde, das Auswärtige Amt sowie das Bundesinnenministerium Abgesandte schicken. Mit dabei ist auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB), der 2002 einen Rahmenvertrag über den Erwerb von Softwareprodukten mit Microsoft abgeschlossen hat.

In mehreren Sitzungen hätten die Ausschussmitglieder in Folge "heiße Diskussionen" über das Für und Wider von OOXML geführt, wobei auch die Kritik externer Sachverständiger einbezogen worden sei, erinnert sich Schürmann. Einbezogen worden seien viele Punkte, wie sie etwa auch auf der OOXML-Petitionsseite des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) aufgeführt sind. Demnach existiert keine belegte Implementierung der Microsoft-Spezifikation und es fehlen wichtige Informationen, während im Tabellenkalkulationsformat Datumsangaben vor dem Jahr 1900 nicht eingefügt werden können. "Es muss noch einiges geändert werden", räumt der Ausschuss-Obmann ein. Microsoft habe aber zugesagt, alle noch ausstehenden Kritikpunkte und Schwachstellen zu beseitigen.

Bei der eigentlichen Abstimmung wollten sich noch die Deutsche Telekom und Google beteiligen, die nicht gut auf die Standardisierungsbemühungen der Redmonder zu sprechen sind. Lobbyisten beider Konzerne durften aber nur als nicht-stimmberechtige Gäste an der Sitzung teilnehmen und ihre Bedenken vortragen. Die Anmeldungen der zwei Unternehmen seien zu kurzfristig erfolgt, sodass deren fachliche Einbeziehung nicht mehr habe gewährleistet werden können, begründet Schürmann den Ausschluss vom Stimmrecht und verweist auf entsprechende Vorschriften beim DIN.

Für weiteren Wirbel sorgte die Ankündigung des Vertreters des DStGB, vorzeitig gehen zu müssen, seine Stimme für OpenXML aber trotzdem geltend machen zu wollen. Zuvor hatte es geheißen, dass nur in Anwesenheit voll "informiert" abgestimmt werden könne. Deswegen war der zunächst aufgekommene Gedanke an ein zwei Tage zeitversetztes Votum wieder aufgegeben worden. Nichtsdestoweniger ward die "Vorratsstimme" des Städtebundes zugelassen. Am Ende votierten nur IBM, Sun, das Auswärtige Amt und das Innenministerium mit einem mit Korrekturvorschlägen versehenen Nein. Zwölf andere Ausschussmitglieder gaben ein Ja unter Vorbehalt, eines ein uneingeschränktes Plazet ab. Die Änderungswünsche werden nun zwar an das ISO weitergeleitet, spielen für die in Genf für Anfang nächsten Jahres anberaumte Endabstimmung über das Microsoft-Format aber keine entscheidende Rolle. Schürmann selbst votierte für "Ja mit Kommentar", um keinen Lenkungsausschuss mehr einberufen zu müssen und das Verfahren nicht zu verzögern.

Als "skurril" und "merkwürdig" bezeichnen Insider das Vorgehen, während Microsoft die Entscheidung begrüßte. "Das Votum für OpenXML und die konstruktiven Kommentare der Experten aus Industrie, Wissenschaft, öffentlichen Sektor und Politik bestärken uns darin, OpenXML im Sinne unserer Kunden weiterzuentwickeln", sagte Michael Grözinger, Technologiechef des Softwarekonzerns in Deutschland. Er begleitete den Normierungsprozess beim DIN für die Unterschleißheimer gemeinsam mit deren "Interoperabilitätsarchitekten" Mario Wendt. Laut Microsoft hat das Institut zugleich einen "wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Standardisierungswettbewerbs" geleistet, wie ihn der Bundestag in seiner umstrittenen Entschließung zu offenen Dokumentenformaten angeregt habe.

Vorwürfe über Ungereimtheiten weist der Betreuer des Arbeitskreises beim DIN, Jan Dittberner, derweil entschieden zurück. "Das Abstimmungsprozedere lief regelkonform und nach Absprache der Ausschussmitglieder ab", erklärte er gegenüber heise online. Der Termin sei seit fünf Monaten allgemein bekannt gewesen. Man könne auch nicht jeden potenziellen Nutzer auf eine mögliche Standardisierung hinweisen.

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(Stefan Krempl / (jk)