Berührungsloses Laden ist eine feine Sache – aber nicht für jeden sinnvoll

Luftstrom: Vor- und Nachteile des induktiven Ladens

Welch schöne Vorstellung, dass eine Auto einfach beim Herum­stehen berührungslos geladen wird. Das induktive Laden hat viele Vorteile, so richtig inte­ressant wird es aber erst, wenn es in voller Fahrt funktioniert

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Von
  • Gernot Goppelt
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München, 17. August 2012 – Viele Menschen sind faul und haben eine Vorliebe für Dinge, die einfach funktionieren – ohne dass sich ihre Technik offenbart. Diesem Umstand verdankt die Firma Apple einen wesentlichen Teil ihres Erfolges, Beispiel iPad: Praktisch jeder kann es spontan bedienen, einfache Gesten genügen, man hat das Gefühl, die Technik im Griff zu haben und nicht umgekehrt. Ähnliches verspricht das berührungslose Laden von Elektroautos, mit dem sich Autohersteller wie Renault, Mercedes oder BMW befassen: Man stellt den Wagen einfach ab – vielleicht lässt sich noch eine zwanglose Geste zum Initiieren des Laderitus dazuerfinden – und schon wandern die Stromstrahlen vom Boden durch die Luft zum Auto, wie praktisch.

Laden für ganz Faule

Aber geht es wirklich nur darum, von der Technik bequem bedient zu werden? Auch bei heutigen Elektroautos – viele sind es ja noch nicht – hält sich der Aufwand in Grenzen: Kabel herausholen, ran an die Steckdose, einrasten lassen, das war‘s. Im Vergleich zum Betanken eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor ist das eigentlich schon ein Riesen-Fortschritt. Wenn ich zur Flüssig-Tankstelle fahre, husche ich zwischen Dieselflecken auf dem Boden herum, wickle den Zapfhahn in Küchenrollenpapier und stelle mich in gekrümmter Körperhaltung schräg hinter das Auto, weil sonst schon mal ein Schwall Sprit auf den Schuhen landet. In dieser Hinsicht ist schon das ganz „normale“ Elektroauto mit Ladekabel ein Segen.

Doch das induktive Laden verspricht noch mehr Vorteile. Es erfordert keine sichtbare Infrastruktur in Form von Ladesäulen. Die Primärspulen zum Laden werden im Boden verlegt, wo sie vor Vandalismus und Wetter geschützt untergebracht sind. Es gibt keine offen spannungsführende Teile, eine Funkenbildung ist ausgeschlossen. Das sind gute Gründe, warum eine ganze Reihe von Unternehmen sich mit induktiven Ladekonzepten befasst. Manche Konzepte haben es sogar schon von der Teststrecke in den realen Verkehr geschafft. Die Ladetechnik IPT Charge der deutschen Firma Conductix Wampfler zum Beispiel ist schon seit 2002 in italienischen Linienbussen im Einsatz. In Braunschweig sind neuerdings Elektrobusse mit Technik von Bombardier im Linienbetrieb unterwegs. Und in Südkorea ist seit 2009 in einem Freizeitpark eine Art Touristenzug im Einsatz, der sogar während der Fahrt geladen wird.

Die Straße als Range Extender

Womit ein weiterer Vorteil genannt wäre, vielleicht sogar der größte. Der deutsche Entwicklungsdienstleister IAV untersucht seit einigen Jahren ebenfalls das berührungslose Laden während der Fahrt – wie es übrigens in vielen Fabriken schon funktioniert. Dort werden Güter und Bauteile für die Produktion in den Werkhallen befördert, ohne Schienen, über die man stolpern könnte oder die physische Weichen benötigen. Experten der IAV können sich vorstellen, dass auch Pkws einmal auf Straßen unterwegs sein könnten, in denen Induktionsspulen verlegt sind, um Fahrzeuge während der Fahrt zu laden. Die Straße wird damit gewissermaßen zum Range Extender, Batterien können kleiner ausgelegt werden, das Elektroauto somit preisgünstiger.

Magnetfeld im Luftspalt

Ob „dynamisch“ während der Fahrt oder stationär, das Funktionsprinzip ist immer dasselbe. Bei der induktiven Ladung gibt es straßen- und fahrzeugsseitig jeweils eine Spule (Primär- und Sekundärspule), die beim Laden möglichst exakt übereinander positioniert werden. Diese beiden Spulen sind durch einen Luftspalt voneinander getrennt. Laut Siemens, das mit BMW am induktiven Laden arbeitet, ist dieser Spalt in der Regel acht bis 16 Zentimeter groß. Beim Laden wird die Primärspule von Strom durchflossen, wodurch ein Magnetfeld entsteht, das Strom in die Sekundärspule induziert. Bei diesem Verfahren gibt es Wirkungsgradverluste, die aber erstaunlich gering sind. Während ein Ladevorgang per Kabel mit einem Wirkungsgrad von etwa 95 Prozent erfolgt, sind beim induktiven Laden derzeit etwa 80 bis 85 Prozent realistisch, über 90 Prozent werden angestrebt.