EU-Verordnung zur Volkszählung verzögert sich

Das EU-Parlament hat nach hitziger Debatte die Abstimmung über den Entwurf für eine Verordnung zur einheitlichen Erhebung des für 2011 geplanten Zensus aufgrund von Datenschutzbedenken auf Januar verschoben.

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Das EU-Parlament hat am gestrigen Montag nach einer hitzigen Debatte die Abstimmung über den Entwurf für eine Verordnung zur einheitlichen Erhebung der für 2011 geplanten Volks- und Wohnungszählung auf Januar verschoben. Ursprünglich war geplant, über den umstrittenen Entwurf (PDF-Datei) der EU-Kommission bereits heute abzustimmen. Nachdem im Sozialausschuss des EU-Parlaments Ende November aber vor allem Oppositionspolitiker viele Datenschutzbedenken äußerten, schien der Vorstoß der Kommission nun auch vielen Abgeordneten von Konservativen und Sozialdemokraten im Plenum nicht mehr ganz geheuer.

Umkämpft sind vor allem die "freiwilligen Angaben", welche die Kommission in einem umfangreichen Anhang zu dem Verordnungsentwurf vorstellte. Der Brüsseler Behörde schwebte dabei vor, auch Informationen etwa über das Sexualleben, die Höhe der Monatsmiete, Computerkenntnisse oder die Lese- und Schreibkompetenz abzufragen. Auch Aufenthaltsorte, Familienstand, Geschlecht und die Beziehung zwischen den Haushaltsmitgliedern sollen ermittelt werden.

Nach der Kritik von Grünen und Liberalen entschied sich die Berichterstatterin Ona Jukneviciene von den Liberalen, den gesamten Anhang zu streichen. Soweit will die "große Koalition" zwar nicht gehen, wie sich im Umfeld der Plenardebatte herausstellte. Aber auch Vertreter der konservativen Europäischen Volkspartei und der Sozialisten sind inzwischen dafür, die Zusatzfragen deutlich zu begrenzen und der Kommission keine "Generalbevollmächtigung" für das schier willkürliche Herumstochern in der Privatsphäre der über 450 Millionen EU-Bürger zu erteilen.

Die Vorarbeiten für die Volkszählung seien in Brüssel "zunächst ganz harmlos dahergekommen", konstatierte etwa der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU). Nun "sollen plötzlich umfassende Datensätze abgerufen werden". Damit werde "der Schnüffelstaat" aber nur "noch intensiver". Brüssel habe sich überhaupt nicht dafür zu interessieren, wer in welchem Haushalt in gleichgeschlechtlicher Ehe lebe, oder wer welche Religion ausübe.

Die Vertagung der Abstimmung auf das kommende Jahr bezeichnete die EU-Abgeordnete Elisabeth Schroedter, die für die Grünen im Sozialausschuss sitzt, als "Riesenerfolg für den Datenschutz". Es sei zunächst wichtig gewesen, das "hochsensible Dossier nicht einfach durch das Parlament zu winken". Nun könnten mit mehr Ruhe die " bisher kaum behandelten Datenschutzfragen" geklärt werden. So sei nun für den Bürgerrechtsausschuss der Weg offen, zunächst eine Stellungnahme zu diesem Themenkomplex vorzulegen. Zugleich will Schroedter weiter für den Vorschlag der Grünen kämpfen, den freiwilligen Befragungsanhang komplett zu streichen. Erhoben werden dürften allein statistische Daten über die wichtigsten sozialen und wirtschaftlichen Merkmale von Regionen, die etwa für die EU-Strukturhilfe nötig seien. Viele der von der Kommission vorgeschlagenen Fragen lägen zudem generell nicht in EU-Kompetenz.

Weiterer Zündstoff in der Diskussion: Die EU-Kommission will die Mitgliedsländer mit der Verordnung verpflichten, künftig regelmäßig alle zehn Jahre detaillierte Bevölkerungsdaten vorzulegen. Für Ferber gilt schon wegen dieser Reichweite der Bestimmung laut einem Bericht der Bild-Zeitung die Devise: "Wir müssen diesen Daten-Supergau der EU aus Kosten- und Datenschutzgründen unbedingt verhindern." Dabei sei auch immer zu bedenken, dass der Schutz der Privatsphäre in anderen Mitgliedsstaaten nicht so groß geschrieben werde wie in Deutschland.

Hierzulande hat der Bundestag Ende November einen Einspruch des Bundesrates gegen umstrittene Vorbereitungsgesetz für den 2011 geplanten registergestützten Zensus aus dem Weg geräumt. Damit hat das Vorhaben die letzte parlamentarische Hürde genommen. Der Gesetzgeber will die Volkszählung im Wesentlichen durch eine Auswertung von Melderegistern, Daten der Bundesanstalt für Arbeit sowie Dateien zum Personalbestand der öffentlichen Hand bewerkstelligen. Ergänzend ist geplant, auch Informationen bei rund 17,5 Millionen Gebäude- und Wohnungseigentümern sowie zehn Prozent der Bevölkerung stichprobenartig direkt zu erheben. Auf der Wunschliste stehen bislang demografische Daten, Angaben zu Haushalt, Wohnung, Bildungsstand und Beruf. Ein Gesetz zur genauen Durchführung und Details zum Inhalt des Zensus soll im kommenden Jahr auf Basis der nun verzögerten EU-Verordnung verabschiedet werden.

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(Stefan Krempl) / (jk)