Karlsruhe sieht "verfassungsrechtliche Probleme" bei Antiterrordatei

Vor dem Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag die Verhandlung über eine Verfassungsbeschwerde gegen die von Schwarz-Rot eingerichtete Antiterrordatei begonnen.

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Vor dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am Dienstag in Karlsruhe die Verhandlung über eine Verfassungsbeschwerde gegen die sogenannte Antiterrordatei begonnen. In dieser zentralen Datei erfassen Polizeibehörden und Nachrichtendienste von Bund und Ländern verschiedene Informationen zu Terrorverdächtigen und ihrem Umfeld. Dabei werden sowohl direkt personenbezogene Daten zentral gespeichert als auch Hinweise auf weiterführende Informationen bei den beteiligten Behörden. Die Datei soll den Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden erleichtern und beschleunigen.

Grundlage der Datei ist das Antiterrordateigesetz, das der Bundestag im Dezember 2006 zusammen mit anderen Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung mit den Stimmen der großen Koalition verabschiedet hatte. Die Datei, in der zahlreiche Datenbanken verschiedener Sicherheitsbehörden zusammenlaufen, ist im März 2007 in den Betrieb gegangen. Gegen das unter anderem von Datenschützern scharf kritisierte Gesetz hatte ein pensionierter Richter Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers verletzt das strittige Gesetz mehrere Grundrechte, darunter das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das Fernmeldegeheimnis und die Unverletzlichkeit der Wohnung. Die Voraussetzungen, unter denen Daten gespeichert und abgerufen werden können, seien nicht klar geregelt. Zudem hebele das Gesetz die Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten aus, indem auch die beteiligten Polizeibehörden Zugriff auf die von den Nachrichtendiensten eingestellten Daten hätten.

In der mündlichen Verhandlung am Dienstag hörte das Bundesverfassungsgericht Vertreter von Behörden und Nachrichtendiensten sowie Datenschützer und andere Experten an. Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof sieht "verfassungsrechtliche Probleme" bei der Antiterrordatei. Die Richter des Ersten Senats stellten das Prozedere der Datenspeicherung äußerst kritisch in Frage. Sie äußerten vor allem Bedenken hinsichtlich des Umgangs mit unwissenden Kontaktpersonen. Mit einem Urteil wird in drei Monaten gerechnet.

Für die Bundesregierung verteidigte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Antiterrordatei als ein Instrument von "entscheidender Wirkung" bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Neben Friedrich hörte der Erste Senat unter anderem den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, und den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler. Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts, sieht mit der Datei "eine neue Qualität der Gefährdungsanalyse" erreicht. Nach Angaben des BKA-Chefs sind in der Datei 16.000 Personen gespeichert.

Für Kritiker wie den Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar spielt dabei eine zentrale Rolle, wer in dieser Datei erfasst wird. In einem ZDF-Interview äußert er die Befürchtung, "dass die Abgrenzung zwischen flüchtigen und für die Terrorbekämpfung relevanten Kontakten in der Praxis Schwierigkeiten bereitet" – also dass unwissende und unschuldige Kontaktpersonen von Verdächtigen erfasst werden. Insgesamt sieht der Datenschützer "erhebliche Kontrolldefizite". Zudem betont Schaar den Verfassungsrang der "Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten".

Die mangelnden Kontrollmöglichkeiten und die schwammigen Kriterien für die Aufnahme in die Datei kritisiert auch Frank Rieger: "Es reicht aus, einen Terrorverdächtigen zu kennen", sagte der Sprecher der Chaos Computer Clubs der Tagesschau. "Die Schwelle, um erfasst zu werden, ist sehr niedrig. Wer einmal in die Antiterrordatei eingetragen ist, der hat ein erhebliches Stigma und das wird er auch nicht einfach wieder los." (vbr)