Skepsis im Bundesrat gegenüber Open-Access-Publikationen

Mehrere Ausschüsse der Länderkammer stellt die Mitteilung der EU-Kommission über wissenschaftliche Informationen im Digitalzeitalter nicht zufrieden; sie sehen einen freien Zugang im Spannungsfeld mit dem Urheberrecht.

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Fachgremien des Bundesrates stellt die Mitteilung der EU-Kommission über wissenschaftliche Informationen im Digitalzeitalter nicht zufrieden. Die Forderung nach einem möglichst freien, sofortigen und offenen Zugang zu Informationen entspreche der Zielsetzung der EU, die europäische Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen, halten der Europa- und der Wirtschaftsausschuss der Länderkammer zwar fest. Gemeinsam mit dem Rechtsauschuss betonen sie aber in den Empfehlungen (PDF-Datei) für eine Stellungnahme im Plenum des Bundesrates zugleich, dass dieser Ansatz "in einem Spannungsfeld mit dem Schutz des geistigen Eigentums" stehe und die Verwertungsrechte der Verlage gefährden könne. Dabei handle es sich ebenfalls um ein wesentliches Kriterium für den Erfolg des Binnenmarkts und die Förderung von Innovation und kreativem Schaffen, meinen die EU- und Rechtspolitiker.

Die EU-Kommission hat sich in ihrem Strategiepapier etwas vage dafür ausgesprochen, dass "Forschungsdaten von vollständig öffentlich finanzierter Forschung im Prinzip allen zugänglich sein sollten". Außerdem hat die Brüsseler Behörde insbesondere "die Notwendigkeit klarer Strategien zur digitalen Bewahrung wissenschaftlicher Informationen" im Blick. Sie hält allgemein Maßnahmen für notwendig, "die zu besserem Zugang zu und weiterer Verbreitung von wissenschaftlichen Informationen führen". Was wissenschaftliche Artikel anbelangt, so "beobachtet die Kommission Experimente mit Open-Access-Veröffentlichungen und zieht solche in Betracht." Beim "Open Access"-Modell geht es um die zeitnahe Publikation von Forschungsergebnissen in speziellen Online-Archiven ohne Kosten für die Nutzung durch die Allgemeinheit.

Laut dem EU- und dem Rechtsausschuss des Bundesrates sollen die Länderchefs nun speziell begrüßen, dass die Mitteilung neben den Darstellungen zur Erleichterung der Wissensvermittlung auch die Position der Verlage darstellt und deren traditionell zentrale Rolle im wissenschaftlichen Informationssystem betont. Lobenswerterweise sei das Ziel des Papiers nicht die Einführung von Gemeinschaftsregeln zum Urhebervertragsrecht, sondern vielmehr allein "eine Reflexion darüber, wie die Autoren ihre Rechte im digitalen Umfeld ausüben."

Verlage und speziell die von ihnen herausgegebenen wissenschaftlichen Zeitschriften hätten eine zentrale Rolle im wissenschaftlichen Informationssystem, unterstreichen zudem sowohl der EU- als auch der Wirtschaftsausschuss. In den letzten Jahren habe die Verlagswirtschaft erhebliche Investitionen im Bereich Online-Publishing getätigt und damit bereits zu einer effizienteren Informationsverbreitung beigetragen. Die Verlage stünden dabei in ständigem Wettbewerb um Autoren und Leser, was letztlich die hohe Qualität der wissenschaftlichen Veröffentlichungen sicherstelle. Einig sind sich die Fachgremien, dass Open-Access-Veröffentlichungen allein einen "ergänzenden Weg der Wissensvermittlung" bei Forschungsergebnissen darstellen könnten.

Gemäß den Europa- und Rechtspolitikern des Ländergremiums soll das Plenum ferner darauf verweisen, dass Open Access die Kosten der Wissensaufbereitung und -vermittlung nicht vermeidet. Vielmehr würden diese von den Nutzern auf die Autoren verlagert. Demnach gebe es auch Gründe dafür, "die für die Veröffentlichung wissenschaftlicher Publikationen durch einen Verlag sprechen".

Angesichts des derzeit "überwiegend funktionierenden Wettbewerbs im Markt für wissenschaftliche Informationen" dürften öffentliche Interventionen "nur in nachweislich unerlässlichen Fällen und mit geringstmöglicher Intensität angebracht" sein, halten der EU- und der Wirtschaftsausschuss weiter fest. Die von der Kommission in Aussicht gestellte Ko-Finanzierung von Forschungsinfrastrukturen werfe auch die grundsätzliche Frage auf, "inwieweit die wissenschaftliche Informationsversorgung eine öffentliche Aufgabe ist." Dieser Frage sollte im Rahmen des von der Kommission in Gang gesetzten Diskussionsprozesses besonders große Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Sollte die Länderchefs den Ausschussempfehlungen zustimmen, würde dies geradezu einer Kehrtwende des Bundesrates gleichkommen. In ihrer Stellungnahme für die heftig umstrittene zweite Stufe der Urheberrechtsreform hatte die Länderkammer im vergangenen Jahr noch einen "Paradigmenwechsel" hin zu einem "Open Access"-Publikationsmodell für öffentlich geförderte wissenschaftliche Arbeiten gefordert. Autoren sollten daher nach der damaligen Ansicht der Länder etwa das Recht erhalten, den Inhalt eines Fachwerks im nicht-kommerziellen Umfeld und in einer gesonderten Formatierung nach Ablauf einer Mindestfrist von sechs Monaten seit Erstveröffentlichung "anderweitig öffentlich zugänglich zu machen". Ähnliche Forderungen stehen auch im Vordergrund einer Petition zahlreicher Forschungsgemeinschaften, hinter deren Kerngehalt die Brüsseler Mitteilung noch deutlich zurückbleibt.

Zum Open-Access-Modell für wissenschaftliche Veröffentlichungen siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)