Hartz IV-Software: Neue Regeln, alte Probleme

Die Neuregelung, dass unter 25-jährigen ALG-II-Empfängern die Kosten einer eigenen Wohnung nur unter bestimmten Bedingungen bezahlt werden, hat einen Schönheitsfehler: Sie kann von der webbasierten ALG-II-Software nicht vor dem 1.1.2007 umgesetzt werden.

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Von
  • Detlef Borchers

Heute werden vom Deutschen Bundestag einschneidende Leistungskürzungen beim Arbeitslosengeld II (ALG II) verabschiedet. Die wichtigste Änderung ist dabei die Neudefinition der "Bedarfsgemeinschaft U25": Für unter 25-Jährige sollen die Kosten einer eigenen Wohnung ab dem 1. April 2006 nur dann bezahlt werden, wenn dies mit einem Ausbildungsplatz oder mit "zerrütteten Familienverhältnissen" begründet werden kann. In allen anderen Fällen müssen U25er ab dem 1.4. im Hotel Mama wohnen bleiben und werden dort der elterlichen Bedarfsgemeinschaft zugerechnet. Für bereits Ausgezogene junge Erwachsene ändert sich nichts.

Diese Neuregelung, die auf Betreiben von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) im Schnelldurchgang durchgepaukt wird, hat einen Schönheitsfehler: Sie kann von der webbasierten ALG-II-Software A2LL nicht vor dem 1.1.2007 umgesetzt werden. So heißt es in der Ausschussdrucksache 16(11)204 (PDF) des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 9.Februar 2006 in einer Stellungnahme von Sachverständigen der Bundesagentur für Arbeit (BA):

"Das System A2LL lässt die Aufnahme 'volljähriger Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben' in eine bestehende Bedarfsgemeinschaft nicht zu. Es müssten funktionale Änderungen in der Software vorgenommen werden, die zunächst abschließend fachlich zu spezifizieren wären. Erst dann kann von der BA eine Änderungsanforderung für die Software erstellt werden, auf dessen Grundlage der Auftragnehmer eine Aussage zum Realisierungszeitpunkt treffen kann.

Eine Realisierung ist nicht vor dem 01.01.2007 möglich, da die Projektplanung, einschließlich des Aufsetzens weiterer priorisierter Funktionalitäten, bereits jetzt bis in die zweite Jahreshälfte 2006 reicht. Eine Umgehungslösung für einen Übergangszeitraum ist nicht möglich."

Ähnlich lauten die BA-Antworten bei zwei weiteren geplanten Änderungen des ALG II, der Kürzung des Beitrages zur Rentenversicherung von 400 auf 207 Euro und der Vermeidung von Doppelversicherungen in der Rentenversicherung. Bei beiden Maßnahmen müsse erst die Grobspezifikation geändert werden, auf deren Grundlage dann ein Programmierkonzept erarbeitet werde. Das sei vor dem 1.1.2007 nicht möglich.

Weil keine Umgehungslösungen möglich sind, müssen Sachbearbeiter, die mit A2LL die Daten der Antragsteller pflegen, zum Taschenrechner greifen, Abschläge errechnen und diese an anderen Stellen des Programmes als Abzüge buchen. Nicht betroffen sind die Optionskommunen, die Software verschiedener Hersteller zur Berechnung des ALG-II einsetzen. Einheitlich betonen die Softwarehäuser Lämmerzahl in Dortmund, GKD in Paderborn und AKDB in München, dass die erforderlichen Änderungen unter Dach und Fach und bereits ausgetestet seien.

Die im Ausschuss angesprochenen Probleme mit A2LL hatten in der Netzeitung zur Meldung geführt, dass die BA bei T-Systems, dem Hersteller von A2LL, eine komplett neue Software ordern wird. Dies wurde zwischenzeitlich von T-Systems dementiert: Bis auf Weiteres gehe man davon aus, die bestehende Software kontinuierlich zu erweitern, heißt es in einer Stellungnahme von T-Systems.

Zur Hartz IV-Software A2LL siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)