100-Dollar-Laptop: Negroponte greift Intel scharf an

Nicolas Negroponte, treibende Kraft hinter dem Projekt "One Laptop per Child", kritisiert die Firma Intel wegen ihres konkurrierenden "Classmate PC".

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MIT-Professor Nicholas Negroponte nutzte ein Interview mit dem US-Fernsehsender CBS News für harte Kritik an Intels Schüler-Notebook Classmate PC: Intel schade seinem Projekt One Laptop per Child (OLPC), das den sehr billigen und robusten "100-Dollar-Laptop" XO für Schüler in Entwicklungsländern entwickelt.

Intel versuche aus rein wirtschaftlichen Gründen, potenzielle XO-Käufer vom Classmate PC zu überzeugen, sagt Negroponte. Als Beleg führt er Dokumente von Intel an, die der Chip-Weltmarktführer an die nigerianische Regierung geschickt haben soll und die Nachteile des XO im Vergleich zum Classmate PC herausstellen. CBS News hat diese Papiere wiederum dem ehemaligen Intel-Chef Craig Barrett vorgelegt, mittlerweile Vorsitzender des UN-Projekts Global Alliance for ICT & Development (GAID). Barrett bestritt nicht die Authentizität der Dokumente, spielte deren Bedeutung aber herunter: Es sei Unsinn, von Konkurrenz oder gar dem Versuch zu reden, Negroponte aus dem Geschäft zu drängen. Es sei normales Geschäftsgebaren, die Eigenschaften von Geräten miteinander zu vergleichen. Er sehe viele Möglichkeiten der Kooperation zwischen Intel und dem OLPC-Projekt; Intel wolle ebenfalls jungen Menschen neue technische Möglichkeiten bringen. Diese Ziel sei nur zu erreichen, wenn die gesamte IT-Branche mithelfe.

Negroponte hingegen wählte deutliche Worte: Intel solle sich schämen. Diese Kritik hatte Negroponte bereits auf dem World Economic Forum in Davos geäußert. Laut Negroponte ist das OLPC-Projekt zwischen die Fronten des Konkurrenzkampfs zwischen AMD und Intel geraten. Das Konzept zu Produktion und Vertrieb des XO ist auf verbindliche Zusagen der Käuferländer zur Abnahme großer Stückzahlen angewiesen; hier kämpft Negroponte zurzeit um Bestellungen. Verunsicherung der potenziellen Käufer durch ein Konkurrenzprodukt stört dabei.

Intels Konkurrenzprodukt zum XO ist zurzeit zwar deutlich teurer, bietet aber mehr Rechenleistung und ist nicht an eine spezielle Software gekoppelt. Es wird erwartet, dass der taiwanische Hersteller Asus etwa ab Juli mehrere Varianten des Classmate PC produziert, von denen die billigste unter 200 US-Dollar kosten soll. Während der Classmate PC eher wie ein gewöhnliches (wenn auch mit USB-SSD statt Festplatte bestücktes und stark abgespecktes) x86-Notebook aufgebaut ist, haben die XO-Entwickler großen Wert auf Robustheit und lange Akkulaufzeit gelegt und besondere technische Konzepte realisiert, etwa eine spezielle WLAN-Vernetzung, ein "Dual-Mode"-Display und vor allem die Software.

Den XO produziert der weltgrößte Notebook-Auftragsfertiger Quanta, er ist mit einem AMD-Hauptprozessor bestückt. Asus (Asustek) als fünftgrößter Auftragsfertiger für Mobilrechner setzt indes auf das Intel-Konzept Classmate PC. Wegen der riesigen erwarteten Stückzahlen, die innerhalb weniger Jahre über die des gesamten heutigen Notebook-Weltmarktes hinauswachsen sollen, haben die billigen Schüler-Notebooks große Bedeutung für die Firmen, die an der Produktion beteiligt sind. Sowohl AMD als auch Intel haben längst Strategien zur Erschließung der Märkte der so genannten Dritten Welt ausgearbeitet. AMD und Intel tragen beide maßgeblich zur Initiative "IT Access For Everyone" (ITAFE) des World Economic Forum bei, Intel arbeitet auch bei der Global Education Initiative (GEI) mit.

Der Streit zwischen Intel beziehungsweise Craig Barrett und Nicholas Negroponte zieht sich schon eine Weile hin. Barrett hatte schon Ende 2005 den XO als "100-Dollar-Spielzeug" geschmäht. Barrett kritisiert aber auch Teile des Konzepts des OLPC-Projekts, etwa im Interwiev mit Foreign Policy: So könne es für die Entwicklungsländer beispielsweise sinnvoller sein, Geld für die Netzwerk-Infrastruktur auszugeben, statt für Laptops. Außerdem stellt er den konstruktivistischen didaktischen Ansatz des OLPC-Projekts infrage: Intel und andere Firmen seien der Meinung, dass man vor allem Lehrer, Infrastruktur und Inhalte brauche, um Kinder auszubilden – die Technik sei bloß ein Werkzeug. Barrett verwies darauf, dass Intel in den vergangenen zehn Jahren 1 Milliarde US-Dollar in Ausbildungsprogramme investiert und in den vergangenen fünf Jahren weltweit 4 Millionen Lehrer ausgebildet habe; weitere 10 Millionen sollen in den nächsten fünf Jahren folgen.

Nicholas Negroponte indes nimmt das OLPC-Projekt sehr persönlich und verweist ebenfalls auf lange Erfahrungen: Er hat privat ein Schulprojekt im ländlichen Kambodscha finanziert, wo die Schüler an Laptops arbeiten, die sie auch mit nach Hause nehmen. Er ist von diesem Konzept überzeugt und arbeitet nach eigenen Angaben etwa 330 Tage im Jahr an der Umsetzung. Im CBS-News-Interview sagt er, "Intel hat der Mission enorm geschadet".

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