Midem: Anwälte suchen nach Rechte-Strategien fürs Web 2.0

Auf der Musikmesse in Cannes diskutierten Verwertungsrechte-Experten über den rechten Umgang mit nutzergenerierten Inhalten.

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Von
  • Monika Ermert

Pragmatischer, entscheidungsfreudiger und schneller sollten Anwälte sein, die für Musiker oder andere Rechteinhaber Lizenzverhandlungen mit digitalen Plattformanbietern führen. Das bekamen die Mitglieder der International Association of Entertainment Lawyers (IAEL), der aufs Rechtegeschäft spezialisierten Anwälte, bei der Musikmesse Midem in Cannes zu hören. "Wenn ihr Jungs wollt, dass Eure Klienten Geld mit ihren Werken verdienen, macht sie verfügbar, für einen nicht zu hohen Preis, oder in Teilen sogar erst einmal kostenlos", sagte etwa Michael Bornhäuser, CEO des DRM-Unternehmens SDG AG.

Die Suche nach möglichen Einnahmen aus Seiten mit nutzergenerierten Inhalten erinnere an die Suche nach einem Schweinekotlett in einer Synagoge, sagte Ralph Simon, Gründer des Mobile Entertainment Forum/Americas. Man stehe tatsächlich am Beginn einer neuen Ära, meinte auch Moderator Jeff Liebensohn von der Kanzlei Herrick und Feinstein. Denn das Web 2.0 mit seinen vielen privaten Produzenten bedeute eine Verschiebung der Kontrolle von den Inhalteanbietern zu den Nutzern. Die Urheberrechts- und Verwertungsrechte-Experten wissen als noch nicht so recht, wie sie mit den Portalen umgehen sollen.

Simon riet den Anwälten zum einen, rascher und agiler zu reagieren, wenn es um Entscheidungen zur digitalen Verbreitung gehe. "Außerdem müssen Sie auch akzeptieren, dass es hier ganz neue Applikationen gibt. Das Publikum zieht rasch weiter." Die Juristen müssten "antizipieren, welche Rechte in Zukunft für ihre Klienten notwendig werden und welche Geschäftsmodelle noch kommen", sagte Liebenson.

An diesem Punkt widersprach der Direktor der Digital Media Association, Jonathan Potter, der sich selbst als geläuterten Anwalt bezeichnete. Wenn Anwälte die Regie hätten, das zeige sich immer wieder, dann werde nur noch Risikominimierung betrieben. Weil sie versuchten, jedes Risiko auszuschließen und finanziell alles herauszuholen, gehe es gar nicht vorwärts. Anwälte müssten nach Meinung von Potter lernen, "ja" zu sagen und nicht "nein".

Den Versuch, die Gewinner im Netz vorherzusagen, bezeichnete er als Irrsinn. "Schließen Sie kurzfristige Vereinbarungen, für sechs Monate oder für ein Jahr, und dann verhandeln sie neu." Anders kämen Künstler und Rechteinhaber nicht ins Geschäft. Kreativität und Flexibilität seien gefragt, denn noch gibt es keine Standards für die Lizenzierung der vielen neuen Angebote.

Klagen wie die im Sommer 2007 von Viacom gegen Youtube-Mutter Google kosteten Zeit, so Bornhäuser. "Die werden sich am Ende vergleichen. Aber so lange hat Google einige sexy Inhalte eben nicht." Für Google verzögere das die Refinanzierung. Neue Unternehmen "werden, wenn sie den Inhalt nicht bekommen, die Umgebung rund um den Inhalt vermarkten", schätzt Simon.

Cecily Mak, Anwältin von Real Networks, sagte, Innovationen seien häufig in Unternehmen entstanden, die zumindest am Anfang keine Lizenzen besessen hätten. Statt Nutzer mit guten Ideen, etwa für die Aneignung von Videos zu verklagen, sollte man sie lieber zum Partner machen, riet auch Ty Roberts, CTO von Gracenote, das Systeme zum Tracken und Abrechnen von Songs anbietet.

Dringend notwendig sei aus Sicht der Internetanbieter, dass Transparenz geschaffen werde, welche Rechte von einer eingekauften Lizenz abgedeckt seien, sagte Potter. Wenn trotz Lizenzeinkauf beim Rechteverwerter plötzlich eine einstweilige Verfügung des Künstlers auf dem Tisch liege, "dann ist die Lizenz völlig unbrauchbar", so Potter. In diesem Bereich sehe er auch einen Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Ansonsten brauche man eine Reform nur im Geschäftsgebahren – und bei den Anwälten.

Siehe zur Musikmesse Midem auch:

(Monika Ermert) / (anw)