EU-Einheitspatent - Bremshebel für ausländische Konzerne?

Patentanwälte sehen hohe Risiken im neuen gewerblichen Schutzrecht und der damit verknüpften EU-Patentgerichtsbarkeit. Sie reiben sich vor allem an den recht einfach möglichen EU-weiten Unterlassungstiteln.

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Rechtsexperten warnen vor hohen Risiken, die mit dem neuen EU-Einheitspatent und der damit verknüpften Gerichtsbarkeit verknüpft seien. Es werde auf diesem Weg sehr einfach, EU-weite Unterlassungsansprüche bei einer möglichen Patentverletzung zu erwirken, erklärte der Düsseldorfer Rechtsanwalt und Diplomphysiker Klaus Haft am Freitag auf einer Konferenz zum "Tag des geistigen Eigentums" in Berlin. So könne sich etwa "auch ein böser außereuropäischer Wettbewerber eine für ihn günstige Lokalkammer" der sich noch im Aufbau befindlichen neuen Justizinstanz aussuchen. Chancen auf ähnliche Retourkutschen gebe es beispielsweise in China nicht, da dort gewerbliche Schutzrechte bislang kaum durchzusetzen seien.

Gerade im Telekommunikationsbereich herrsche schon jetzt ein "Wettlauf um erste Unterlassungstitel", erläuterte Haft. In den "Smartphone-Kriegen" sei dabei auch ein heftiges "Forum-Shopping" im Gange: Kläger wendeten sich gezielt an Gerichte, die als "besonders patentinhaberfreundlich" bekannt seien. Die Wirksamkeit erlangter Titel, um die Verwendung betroffener Technik zu untersagen, werde mit dem europäischen Patentgericht deutlich erhöht. So werde auch ein "Einfallstor für ausländische Konzerne gegen europäische Firmen geöffnet". Eine Kollegin unterstützte Haft und sprach ebenfalls von einem großen Nachteil für Unternehmen auf dem alten Kontinent, wenn das EU-Durchsetzungssystem immer schärfer werde, während etwa Indien oder China an diesem Punkt nicht nachzögen.

Chinesische Telecoms stritten mittlerweile in Deutschland, um in ihrer Heimat eine Unterlassungserklärung in der Hand zu halten, konstatierte Haft. Auch im künftigen System könne jede Firma, die eine Webseite habe und damit Kunden in Europa anvisiere, sich einen Gerichtsstand hierzulande oder in anderen beteiligten EU-Mitgliedsstaaten aussuchen. Dazu kämen steigende Rechtskosten. Vorgesehen sei eine "angemessene" Kostenerstattung etwa von Anwälten, was voraussichtlich auf das Zwei- oder Dreifache der aktuellen Gebühren für ein nationales Verfahren hinauslaufen werde.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete das Einheitspatent dagegen als ein reines "Angebot", das neben das bestehende, ebenfalls vom Europäischen Patentamt (EPA) vergebene sogenannte Bündelpatent für ausgesuchte europäische Länder trete. Auch einschlägige nationale Schutzrechte blieben erhalten. So ergibt sich der FDP-Politikerin zufolge "mit verschiedenen Modellen eine Palette von Möglichkeiten, genau gezielt nach dem Kosten-, Risiko- und Wirkungsfaktor das Passende heraussuchen". Gegenstand "patentstrategischer Überlegungen müsse natürlich eine Einschätzung sein, "was passieren könnte". Gestärkt werde mit dem System aber natürlich auch die Position, einen Schutzanspruch verteidigen zu können.

Hierzulande werde es drei oder vier Lokalkammern des Patentgerichts geben, bei denen jeder klagen könne, wenn das umstrittene Schutzrecht den hiesigen Markt berühre, führte Margot Fröhlinger aus. Die von der EU-Kommission zum EPA gewechselte Juristin erläuterte weiter, dass jede dieser Instanzen einheitlich für die derzeit angeschlossenen 25 Mitgliedsstaaten eine Unterlassung verfügen oder Schadensersatz verhängen könne. Es sei momentan die große Herausforderung, "diese Gerichtsbarkeit aus dem Nichts heraus zu schaffen und so auszustatten, dass sie das Vertrauen der Nutzer hat". Dies hänge an Verfahrensregeln, einem hochwertigen IT-System und vor allem der Qualität der Richter.

Die Anwaltskosten der gewinnenden Partei würden auf jeden Fall gedeckelt, brachte Fröhlinger Licht in das herrschende Dunkel rund um das geänderte Patentwesen. Noch unklar seien die aufzuwendenden Mittel für das Beantragen und Aufrechterhalten der Schutzrechte. "Sehr viel günstiger" werde das System insgesamt, da die Kosten für die gesonderte "Validierung" des bisherigen, meist für Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien beantragten Bündelpatents bei den einzelnen nationalen Patentämtern sowie Ausgaben für Übersetzungen entfielen.

Keine Einigkeit herrscht der Expertin zufolge aber beim Festsetzen der Jahresgebühren für die Verlängerung eines Anspruchs über die mögliche Laufzeit hinweg. Da der Schutz sich auf einen viel größeren Markt erstrecke als bislang, hielt es die EPA-Vertreterin für "wirtschaftlich angemessen, mehr dafür zu bezahlen". Es gehe schließlich um die Einnahmen der Patentämter, die auf ein "ausgeglichenes Budget" angewiesen seien. (gr)