Grünes Wahlprogramm: "Freies Netz und unabhängige Medien für alle"

Die Grünen wollen für die Bundestagswahl allen Haushalten Breitband mit mindestens 6 MBit/s bieten, die digitale Privatkopie und den Datenschutz stärken sowie die Netzneutralität festschreiben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 308 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Die Grünen haben sich netzpolitisch viel vorgenommenen für die nächste Legislaturperiode. "Es gilt die Freiheit des Internets zu sichern, die verfassungsrechtlich garantierten Rechte jedes Einzelnen zu wahren, die Meinungsfreiheit zu stärken, die Privatsphäre zu schützen und den Zugang zu und die gleichberechtigte Teilhabe an der digitalen Welt zu ermöglichen." Nachzulesen ist dies im Kapitel "freies Netz und unabhängige Medien für alle" des Bundestagswahlprogramms 2013, das die Oppositionspartei am Wochenende auf ihrer Delegiertenkonferenz in Berlin beschlossen hat.

"Der Zugang zum Internet ist für uns Teil der Daseinsvorsorge", heißt es in dem Papier, das in den nächsten Tagen veröffentlicht werden soll. Zum Verständnis sozialer Teilhabe im 21. Jahrhundert gehöre es, "den Breitbandinternetzugang über einen verpflichtenden Universaldienst sicherzustellen". Wie die Postzustellung bis in abgelegene Regionen geregelt sei, müssten Provider zunächst auch "überall Breitbandanschlüsse mit mindestens 6 MBit/s verfügbar" halten. Bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode seien flächendeckend Verbindungen "im zweistelligen MBit/s-Bereich" anzubieten.

Die Grünen wollen öffentliche wie private Vorhaben unterstützen, kostenfrei nutzbare und öffentlich zugängliche WLANs auszubauen; dabei wollen sie den gesundheitlichen Verbraucherschutz berücksichtigen. Dazu suchen sie noch "pragmatische Wege, wie Anschlussinhaber Dritten den Internetzugang ermöglichen können, ohne für missbräuchliche Nutzung in die Mithaftung genommen zu werden".

Die informationelle Selbstbestimmung und die Informationsfreiheit steht für die Grünen "im Mittelpunkt unserer Arbeit für eine lebenswerte digitale Gesellschaft". Ohne Datenschutz könne es kein freies Internet geben. Pseudonyme und anonyme Kommunikation müssten gesetzlich abgesichert werden. Die "ausdrückliche Einwilligung zur Speicherung und Verarbeitung von Daten" müsse Grundprinzip werden. Die Grünen fordern "ein Verbot von computerbezogenem Tracking durch Cookies", das von Bürgern nicht bemerkt wird. Ebenso grundlegend sei der "präventiv wirkende, gesetzlich verpflichtende Datenschutz durch Technik" (Privacy by Design und Default) sowie der Schutz vor ungewollter Profilbildung und automatisierter Bewertung persönlicher Informationen.

Allgemein wollen die Grünen die Bürgerrechte stärken und dem neuen Computer-Grundrecht "gesetzlich Geltung verschaffen". Es müsse ein die digitale Welt umfassendes Kommunikations- und Mediennutzungsgeheimnis entwickelt werden. Das freie Netzes dürfe nicht unter dem Deckmantel der "Cybersicherheit" abgebaut werden. "Bürgerrechtsfeindliche Gruselstücke" wie heimliche Online-Durchsuchungen oder die Vorratsdatenspeicherung hätten in einer rechtsstaatlichen Gesellschaft keinen Platz.

Die Grünen werben für "ein Urheberrecht für das 21. Jahrhundert, das hohe Akzeptanz genießt, Urheber schützt, eine angemessene Vergütung sichert und gleichzeitig aber auch Nutzerrechte stärkt und Innovationen fördert". Warnhinweismodellen, Sperren von Webseiten oder Internetanschlüssen, Filterung von Inhalten oder dem "ausufernden Abmahnunwesen" erteilen die Grünen eine "klare Absage". Sie plädieren für mehr Nutzerfreiheiten für private Remixe und Mashups, für kommerzielle Weiterverwendungen wollen sie eine zentrale Anlaufstelle zum Rechteerwerb. Das Recht auf digitale Privatkopie sei zu stärken, dessen "technische Einschränkung" durch DRM aufzuheben.

Verwertungsgesellschaften sollen "gerechter, transparenter und demokratischer werden". Im Wissenschaftsbereich schwören die Grünen auf frei verfügbare Publikationen (Open Access), ein gesetzliches Recht auf Veröffentlichungen für Werke, die mit öffentlichen Mitteln geschaffen wurden, und für freie Forschungsdaten (Open Data). Publizierte Werke jedweder medialer Art sollten für den nicht-gewerblichen wissenschaftlichen Gebrauch grundsätzlich genehmigungsfrei und ohne Einschränkungen genutzt werden dürfen.

Die Netzfreiheit sehen die Grünen nicht nur durch staatliche Überwachungsfantasien, sondern auch "durch Monopole und Oligopole bei zentralen Diensten wie Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken bedroht". Wichtig sei es daher, die Infrastruktur "allen gleichermaßen zur Verfügung" zu stellen. "Wir wollen kein Zwei-Klassen-Internet und daher den Grundsatz der Netzneutralität gesetzlich verankern", hat der Parteitag festgehalten. Daten im Netz müssten ohne Benachteiligung oder Bevorzugung gleichberechtigt übertragen werden. Auch "politisch unliebsame Inhalte" dürften nicht plötzlich verschwinden, plädierten die Delegierten für eine effektive Ausfuhrkontrolle von Überwachungstechniken und Zensursoftware.

"Ein qualitativ hochwertiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss auch in der digitalen Welt eine wichtige Rolle spielen", lautet ein medienpolitischer Grundsatz. Weil die Nutzer zunehmend über das Internet Rundfunkangebote nutzen, müssten die Angebote dort dauerhaft präsent sein. Die "De-Publikationspflicht" von ARD und ZDF sei daher abzuschaffen.

Wie offen, frei und nachhaltig eine Gesellschaft ist, spiegelt sich für die Grünen "auch im Einsatz freier und offener Software wieder". Im öffentlichen Bereich müsse diese daher Vorrang genießen, "sofern dies vergaberechtlich möglich ist". Genauso müssen Softwareentwicklungen von und für Behörden stets mit Quellcode unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden. Zentral seien offene Standards und Schnittstellen. Barrierefreiheit soll zum "selbstverständlichen Designkriterium für öffentliche und privatwirtschaftliche Angebote werden".

Bei den Grünen fehlen nicht Verweise auf intelligente Stromnetze, vernetzte Mobilität und Green IT. Sie setzen sich für eine Optimierung des Ressourcenverbrauchs von IT-Geräten ein sowie für den Einsatz neuer Technologien für eine ressourcenschonendere Wirtschaft. Dafür seien nachhaltige Konzepte und eine Initiative "klimaneutrale Rechenzentren" nötig. Die Grünen wollen auch darauf hinarbeiten, "dass Produktion, Vertrieb, Nutzung und Entsorgung von IT unter gerechten und nachhaltigen Bedingungen stattfinden". (anw)