US-Senat segnet Lauschgesetz mit Persilscheinregelung ab

Nach dem US-Abgeordnetenhaus hat nun auch der Senat die umstrittene Novelle des US-Gesetzes zum Abhören der internationalen Telekommunikation mit großer Mehrheit verabschiedet. Hilfssheriffs wird rückwirkend Straffreiheit zugesichert.

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Nach dem US-Abgeordnetenhaus hat gestern auch der Senat die Novelle des US-Gesetzes zum Abhören der internationalen Telekommunikation mit 69 gegen 28 Stimmen verabschiedet. Die Neufassung des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) enthält eine Persilscheinregelung für Helfer der Sicherheitsbehörden wie der National Security Agency (NSA). Ihnen wird rückwirkend Straffreiheit für Lauschangriffe auf ihre Kunden erteilt, auch wenn diese ohne die eigentlich vorgesehene Richtergenehmigung geschahen. Senator Russ Feingold von den Demokraten sprach von einem Fehler. Wenn allen Senatoren Einzelheiten über das illegale Abhörprogramm der US-Regierung bewusst gewesen wären, hätten sie das Vorhaben nicht abgesegnet.

Den Weg frei für die Passage des Gesetzes nach einem mehrere Monate andauernden Streit machte ein vermeintlicher Kompromiss. Er sieht vor, dass sich Helfer wie Telcos in der Regel nicht vor Gericht wegen tiefer Grundrechtseingriffe beim Abhören von Telefongesprächen oder E-Mails verantworten müssen. Dafür müssen sie einem Bundesrichter mit einem Regierungsschreiben darlegen, dass sie ihre Überwachungsdienste im Auftrag Washingtons ausgeführt haben. Entsprechende Briefe hatte die US-Regierung an die Hilfspolizisten geschickt. Konkret sieht die Novelle nun vor, dass die Sicherheitsbehörden für das Abhören von Ausländern keine einzelnen richterlichen Genehmigungen einholen müssen. Dieser Rechtsschutz wird nur US-Bürgern gewährt, und zwar angeblich auch dann, wenn sie sich im Ausland aufhalten oder ihre Kommunikation die Grenzen der USA überschreitet.

US-Präsident George W. Bush begrüßte die Einigung rasch. Die Novellierung unterstütze die Geheimdienste bei ihrem Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Bush kündigte an, das Gesetz rasch zu unterschreiben. Zuvor hatte die US-Regierung ihr Veto auch gegen einen Kompromissänderungsantrag des Demokraten Jeff Bingaman angekündigt. Damit sollte über die Immunitätsklausel erst nach einer Untersuchung des Lauschprogramms Bushs entschieden werden. Der Korrekturvorschlag scheiterte mit 42 zu 56 Stimmen. Die Mehrheit der Senatoren schmetterte zudem einen anderen Änderungsantrag ab, der die Amnestieregelung sofort aus dem Entwurf gestrichen hätte.

Senator Barack Obama, der voraussichtliche Präsidentschaftskandidat der Demokraten, stimmte trotz heftiger Proteste von Unterstützern für die Reform. Sein Wahlkampfteam verwies auf eine "Exklusivitätsregelung", wonach künftig auch ein sich in Kriegszeiten sehender US-Präsident nur auf der FISA-Basis Lauschangriffe anordnen und nicht außerhalb von Recht und Gesetz agieren dürfe. Dies sollte aber in einem demokratischen Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit sein und habe Bush trotzdem nicht von seinem Vorhaben abgebracht, halten Kritiker dagegen. Die Gegnerin des Schwarzamerikaners im Vorwahlkampf, Hillary Clinton, lehnte das Gesetzesvorhaben ab.

Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) sprechen von einer "unermesslichen Tragödie", dass der Senat im Gegensatz zum Gedankengut der US-Verfassung die Abhörbefugnisse des Präsidenten radikal erweitere und den in das Lauschprogramm verstrickten Firmen gleichsam die Absolution erteile. Das Einknicken der Demokraten komme einer Kapitulation vor einem Feldherrn im Weißen Haus gleich. EFF-Anwalt Kurt Opsahl kündigte an, die "verfassungswidrige Gewährung von Immunität vor Gericht und im Kongress weiter zu bekämpfen". Die EFF vertritt derzeit in 47 Fällen Bürger in ihrem Kampf gegen Abhörgehilfen wie den Telco-Giganten AT&T.

Was nun aus den Klagen wird, ist aber unklar. Größerer Erfolg bei der Aufklärung des Abhörprogramms der US-Regierung könnte dem Gerichtsverfahren der Al-Haramain Islamic Foundation gegen Bush beschieden sein. Hier hatte ein Bezirksrichter jüngst entschieden, dass die FISA-Bestimmungen Vorrang vor dem Privileg der staatlichen Geheimhaltung haben. Ein Anwalt der nur noch pro forma bestehenden islamischen Einrichtung hat jüngst die Abgründe des bisherigen Klagewegs bis hin zur Zerstörung von Festplatten mit roher Gewalt detailreich beschrieben und angekündigt, doch noch zu einem Urteil gegen die Bush-Regierung kommen zu wollen. (Stefan Krempl) / (anw)