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Was war. Was wird.

Alles wird gut. Alles. Wird. Gut. Alleswirdgut. Ach, es nutzt nix, weder unzähligen Wiederholungen noch hippe Schreibweisen machen Hal Faber zum Optimisten. Und doch, und doch...

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** In Frankfurt geht gerade das Jahrestreffen der Kulturbeutel zu Ende, die umlagerten Star-Autoren der Branche wie Boris Becker, Atze Schröder und Uwe Ochsenknecht sind längst abgereist, der Super-Blattmacher Cherno Jobatey konnte nicht kommen. In seinem neuen Netzblatt warten Sätze auf ihn, die erst einmal verdaut werden müssen: "Mitarbeiter werden dazu angehalten, ständig gegeneinander wettzueifern." Immerhin gibt es auch nachdenkenswerte Stücke, liebevoll netzgerecht mit Schreibfehlern und Kommatastreuung verziert. Es geht um den fortlaufenden Verlust der Privatsphäre, ein Verstecken ist nicht mehr möglich. Sind wir nicht alle hübsch belastbare Esel und Eselinnen (Nietzsche), sind wir nicht alle hübsch in kommerziellen Kontexten eingebettet (Google)?

*** Das wichtigste Buch dieses Herbstes ist zweifelsohne "Killing Business. Der geheime Krieg der CIA", in dem Mark Mazetti die Entwicklungsgeschichte der verheerenden Drohnenangriffe erzählt, bis hin zu den Überlegungen, warum Osama Bin Laden gerade nicht per Drohne eliminiert werden sollte wie Hunderte vor ihm. Aus der ehemaligen Central Intelligence Agency ist die führende Organsiation für Präzisions-Menschenjagd geworden, mit ein paar collateral murders. Für den deutschen Leser birgt das Buch die kleine Überraschung, wie viele CIA-Aktionen im Nahen und Fernen Osten von Deutschland aus geplant oder gestartet wurden. Mazetti schreibt im Abspann: "Eine große Zahl der in diesem Buch zitierten US-Dokumente wurde erstmals durch die Enthüllingsplattform Wikileaks an die Öffentlichkeit gebracht. Die Datenbank von Wikileaks ist für Journalisten und Historiker, die das Innenleben des amerikanischen Regierungsapparates besser verstehen wollen, zu einer wichtigen Quelle geworden." Zu einem Dank an die ungebrochene Chelsea Manning hat es nicht gereicht, doch immerhin ist jene Plattform genannt, die einstmals eine wichtige Rolle spielte.

*** Was Wikileaks heute so macht, kann man tagtäglich im Netz nachlesen. Da ist etwa Mediastan, ein Dokumentarfilm nach einer Idee von Julian Assange unter Regie von Johannes Wahlström. Über ihn kann man in der Wikipedia diesen Eintrag und diese Version lesen. In Mediastan gibt es eine Schar aufrechter Journalisten, die gegen die "servilen Medien" kämpfen. Und der Aufrechteste unter den Aufrechten ist Julian Assange. Als "Journalist" hat Assange in dieser Woche einen Brief an den Assange-Darsteller Benedikt Cumberbatch veröffentlicht, der in der Mischung aus Verachtung und Anbiederung wohl einzigartig ist. Der Gedanke, dass ein Schauspieler mit seiner einzigartigen Aura in der öffentlichen Vorstellung verschmelzen kann, treibt Assange zum harschen Urteil an der "hired gun": ...am Ende bist du ein jobbender Schauspieler, der bezahlt wird, dem Skript zu folgen, egal wie verzerrt es ist." In einer aktuellen Antwort würdigt Cumberbatch Assange als Revolutionär des Journalismus und zeigt damit Verständnis. Dann gibt es da noch den Parteiführer Assange und das Land Ecuador, das für Assange den internationalen Gerichtshof in Den Haag anrufen will.

*** Die Woche der Nobelpreise ist naturgemäß ein hartes Brot für alle, die über Technik und Naturwissenschaften berichten. Wieder einmal wurde über Gottes Handschlag in der Quantenphysik gefaselt und darüber, dass bald komplette lebende Organismen im Computer simuliert werden können. Das Gottesteilchen wurde aus der Rundablage für schiefe Vergleiche gezogen, mit dem Teilchengott Higgs als Höhepunkt des laufenden Schwachsinns. Natürlich waren die vergebenden Preise ungerecht, denn mindestens hätte der LHC und die in Genf arbeitenden Wissenschaftler einen Preis verdient, für den Nachweis des Higgs-Bosons verdient. Und Thomas Pynchon schon lange. Immerhin hat Peter Higgs etwas Kluges gesagt: "Ich hoffe, dass diese Anerkennung für die Grundlagenforschung das Bewusstsein für den Wert des Forschens ins Blaue hinein schärft."

*** Und noch ein Zitat: "Nicht umsonst wird die Schließung des US-amerikanischen Teilchenbeschleunigerprojektes, die viele exzellente Physiker und Mathematiker als Quants an die Wall Street trieb, ganz wesentlich mit dafür verantwortlich gemacht, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise so manifest und brutal wurde." Es stammt aus dem Buch "Arbeitsfrei" der CCC-Sprecher Constanze Kurz und Frank Rieger, eine Art ausgeschriebene "Sendung mit der Maus". Die beiden besuchen moderne Agrarfabriken, gucken sich dann den Bau von Mähdreschern an, gehen in die vollautomatische Mahlfabrik und schauen sich das ebenso automatische Brotbacken mit Teiglingen an, die in Deutschland das Geschmacksbewusstsein für gutes Brot zerstören. Immer steht die Frage nach den Maschinen im Mittelpunkt, die den Menschen ersetzen. Das ganze Buch ist ein einziges Loblied auf die Softwareprogrammierer und Hardware-Ingenieure hinter den Maschinen, die "echten Gewinner in diesem Spiel", die Super-Algorithmen bauen und alle paar Jahre eine neue Programmiersprache erlernen: "Da gleichzeitig die Zahl der programmierbedürftigen Systeme immer weiter steigt, ist dies eher eine zwangsläufige Notwendigkeit statt eine Gefahr für den Beruf des Programmierers an sich. Das Beherrschen, Kontrollieren, Programmieren, Überwachen und Warten der Maschinen wird zu einem immer wichtigeren Teil der menschlichen Arbeit, es ist daher unumgänglich, dass mehr Menschen die dazu notwendigen Fähigkeiten erwerben und andererseits die Softwareoberflächen einfacher werden, um es ihnen zu erleichtern." tl,dr: Alles wird gut.

Was wird.

Deutschland, Deutschland über alles, über E-Mail fernab der Welt. Es muss an diesem Riesenerfolg von tollen Überwachungsprojekten wie E-Mail made in Germany oder De-Mail liegen, dass die Deutsche Telekom nun ein rein deutsches Mail-Netz vorschlägt. Hier wird dann nicht nur wie bei Mail made in Germany und bei De-Mail geprüft, ob böse ausländische Viren mit verschickt werden. Nein, hier meldet sich der Deutsche mit seinem neuen Personalausweis an, aus dem die lieblichen Orte unserer Heimat ausgelesen werden. Wie heimatverbunden die Telekom ist, kann auch daran gesehen werden, dass sie Paris, Montparnasse, das Bild einer französischen Wohnmaschine des Leipziger Künstlers Andreas Gursky mit fünfzigfachrer Rendite verscherbelt. Schließlich gibt es genug Digitalfotos hübscher deutscher Bauten, man denke nur an das Ihmezentrum in jener Stadt am Rande der Norddeutschen Tiefebene, in der ... Aber lassen wir das. Außerdem begann die Telekom erst im Jahre 2010 damit, ihre Art Collection Telekom (ACT) aufzubauen, mit Schwerpunkt Süd-Ost-Europa. Da stört ein gewisser deutscher Knippser nur, der zudem seit dem Cover-Foto für die Toten Hosen als Schummler enttarnt ist. Das waren keine 75 nackten Frauen.

Etwas verspätet hat in dieser Woche Edward Snowden einen der vielen Preise bekommen. Nein, keinen Nobelpreis, aber zu einem Treffen mit anderen Whistleblowern in Russland hat es gereicht. Die Bildrechte und die Rechte an den Videos hält Wikileaks. Snowden, der früh von der CIA verdächtigt wurde, erzählt davon, wie wichtig andere Whistleblower als Vorbilder für ihn waren und davon, dass er seine Laptops nur als Täuschung mit auf die Reise nahm. Die belastenden Beweise für die Lauschaktionen von NSA und GCHQ waren auf kleinsten versteckten Speichern untergebracht, natürlich verschlüsselt. Sein Plan war offenbar, nach Europa zu kommen, nach einem Hinweis des NSA-Forschers James Bamford. Der hatte 2001 in seinem Buch über die NSA geschrieben: "Für Europa ist nicht das Thema, ob das Echelon-System der UKUSA-Staaten Wirtschaftsgeheimnisse ausländischer Wirtschaftsunternehmen entwendet und sie an Mitkonkurrenten weitergibt; darum geht es nicht. Das wirkliche Thema ist weit wichtiger: Es geht nämlich darum, ob Echelon die individuelle Privatsphäre beseitigt oder nicht – ein menschliches Grundrecht. Geisterhafte Unterhaltungsschnipsel werden aus dem Äther gefischt und vielleicht aus dem Zusammenhang gerissen. Dann können sie von einem Analytiker, der sie insgeheim an Spionagebehören und Polizeibüros in aller Welt weitergibt, falsch interpretiert werden." Ja, was "ein gewisser Edward Snowden" enthüllte, soll auf dem kommenden Cyber Security Summit thematisiert werden. Hauptredner ist ein gewisser Hans-Peter Friedrich, der eine "Grundsatzrede" angekündigt hat. Nescimus Scimus Audiverimus (NSA).

Die Toten Hosen? Da war doch was? Fahr hinaus aufs offene Meer, EuropaKein Zuzug in dieses unser deutsches Sozialsystem! (jk)