Bundesrechnungshof rügt Microsoft-Vorliebe der öffentlichen Verwaltung

Die staatlichen Ausgabenprüfer bemängeln in ihrem Jahresbericht, dass die Behörden der Bundesverwaltung beim Wechsel von Betriebssystem- und Bürosoftware den Umstieg auf Open Source nicht ausreichend prüften.

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Der Bundesrechnungshof ist unzufrieden mit der Nutzung freier Software in den Behörden der Bundesverwaltung. In den vergangenen Jahren sei bei den dortigen über 300.000 PC-Arbeitsplätzen regelmäßig auf eine neuere Version der Betriebssystem- und Bürosoftware "des etablierten Herstellers" mit einem Marktanteil von 90 Prozent gewechselt worden, rügen die staatlichen Ausgabenprüfer die Microsoft-Vorliebe deutscher Amtsstuben. Alternativen anderer Hersteller oder anbieterunabhängige Open-Source-Software "wurden nur in Einzelfällen in Erwägung gezogen", heißt es in dem gerade veröffentlichten Jahresbericht (PDF-Datei) des Bundesrechnungshofes. Dabei dürfe freie Software "beliebig und ohne Zahlungsverpflichtungen gegenüber einem Lizenzgeber kopiert, verbreitet, verändert und genutzt werden". Trotz dieser Vorteile habe die Verwaltung bei der Umstellung auf neue Software hier aber "nur vereinzelt" Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen unter diesen Gesichtspunkten angestellt.

Eine der Ursachen sehen die Kassenprüfer in einer mangelnden Unterstützung einer potenziellen Umrüstung hin auf Linux durch die zuständige Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung im Bundesinnenministerium (KBSt). Diese habe zwar einen "Migrationsleitfaden" mit Informationen und Hilfestellungen herausgegeben. Dieser sei aber zum Teil nicht aktuell und für den praktischen Einsatz zu kompliziert gewesen. Die befragten Bundesbehörden bedauerten den Bemerkungen des Rechnungshof zufolge, "dass neuere Erfahrungen aus Open-Source-Pilotprojekten in Industrie und öffentlicher Verwaltung nicht oder nur teilweise innerhalb der Bundesverwaltung kommuniziert würden". Über Alternativen zu der an den Arbeitsplätzen standardmäßig eingesetzten Betriebssystem- und Bürokommunikationssoftware und deren Vor- und Nachteile sei nur unzureichend informiert worden.

Die Haushaltskontrolleure haben die KBSt daher inzwischen aufgefordert, den Migrationsleitfaden auf dem aktuellen Stand zu halten und praxisnäher zu gestalten. Zudem empfahl der Bundesrechnungshof, die Bemühungen der IT-Stelle um offene Standards zu verstärken, um die "Abhängigkeit von einem Hersteller von Software" zu lösen. Weiter solle die Beratungs- und Unterstützungskapazität und die Kompetenz der ressortübergreifenden Einrichtung in diesen Punkten "deutlich" erweitert sowie der Informationsaustausch insbesondere über freie Software verbessert werden. Dabei seien vor allem die Ergebnisse aus Pilotverfahren aus dem Open-Source-Bereich zu verbreiten.

Die KBSt hat dem Berich zufolge bereits begonnen, die Ratschläge des Rechnungshofes aufzugreifen und umzusetzen. Der Migrationsfaden sei überarbeitet und mit einem speziellen Kriterienkatalog für Softwareumstellungen versehen worden. Zudem sei ein Kompetenzzentrum für Open Source im Aufbau. Die Kassenkontrolleure wollen die weitere Entwicklung nun "konstruktiv begleiten". Sie erwarten dabei, dass künftig mehr Alternativen zu den bisher eingesetzten Softwareapplikationen betrachtet und gegebenenfalls verwendet werden. Schon 2002 machte sich die Kontrolleinrichtung in ungewohnt scharfen Worten für einen verstärkten Einsatz von Open Source in der Bundesverwaltung stark. Ähnliche Töne waren damals auch vom Bayerischen Obersten Rechnungshof zu hören.

Allgemein prangerte der Bundesrechnungshof in diesem Jahr an, dass Bund, Länder und öffentliche Einrichtungen mit Luxus-Sucht und Missmanagement im großen Stil knapp zwei Milliarden Euro Steuergelder vergeudet hätten. Immer wieder sei bei Staatsprojekten die Wirtschaftlichkeit nicht einmal im Ansatz geprüft worden. Der Präsident der Institution, Dieter Engels, forderte daher eine wirksame Bremse für die staatliche Verschuldungspraxis. Denn obwohl sich die Einnahmen des Bundes positiv entwickelt hätten, seien die Schulden auf insgesamt rund 930 Milliarden Euro weiter gestiegen. Laut Engels sind die Verbindlichkeiten damit dreieinhalb mal so hoch wie zu Beginn der neunziger Jahre.

Im Zentrum der Kritik stand erneut das Bundesverteidigungsministerium, in dem generell vergleichsweise hohe Ausgaben getätigt werden. Konkret prangert der 265-Seiten schwere Bericht etwa die Vergabe der Hard- und Softwarepflege der Fregatten durch die Marine an. Diese habe Mehrausgaben in zweistelliger Millionenhöhe verursacht. Auch eine für 16 Millionen Euro errichtete, aber bislang nicht bestimmungsgemäß genutzte Zielsimulationshalle der Bundeswehr sei eine unnötige Ausgabe gewesen. Engels kritisierte außerdem unter anderem eine überdimensionierte Bibliothek der Fraunhofer-Gesellschaft. Diese sei – anders als vom Bundesforschungsministerium genehmigt – zu einem dreigeschossigen, gewölbten Hallenraum nebst Dachterrasse ausgebaut worden. (Stefan Krempl) / (jk)