EDVIRSP: Unaussprechliche Datenbank mit eingeschränktem Recht auf Vergessen

Die neue Version der französischen Geheimdienstdatenbank Edvige soll die Polemik zum Schweigen bringen und behält den alten Kern.

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Von
  • Thomas Pany

Edvige heißt jetzt Edvirsp, Kernpunkte der umstrittenen Geheimdienst- und Polizeidatenbank bleiben aber unverändert. Nach einem aktuellen Bericht der französischen Tageszeitung Le Monde, die nach eigenen Angaben eine Kopie des modifizierten Dekrets für die Datenbank besitzt, dienen die Veränderungen vor allem dem Ziel der Regierung, die "Polemik zum Schweigen zu bringen". Dass der neue Name unausprechlich ist, sei beabsichtigt.

Unter dem alten, weich klingenden Namen hatte Edvige seit Wochen für wachsenden Protest gesorgt, was zum Eingreifen Sarkozys in der Sache führte und schließlich zur Ausarbeitung einer neuen Verordnung zur Datenbank, die gestern abend der Datenschutzkommission CNIL übergeben wurde, wo sie etwa einen Monat lang begutachtet wird.

Erst Ende Oktober dürfte der neue Text der Öffentlichkeit vollständig bekannt gemacht werden, so die Zeitung, die in ihrem Bericht die wichtigsten Unterschiede zwischen Edvige (Exploitation documentaire et valorisation de l'information générale) und Edvirsp ("Exploitation documentaire et de la valorisation de l'information relative à la sécurité publique") genauer aufschlüsselt, als dies bislang aus den Medien zu erfahren war.

Demnach wurde der Begriff "öffentliche Ordung" in einem Passus, der viel Kritik auf sich zog, durch den Terminus "öffentliche Sicherheit" ersetzt, der auch im neuen Namen der Datenbank auftaucht. Erfasst werden sollen von Edvirsp also künftig all jene Personen, welche die "sécurité publique" bedrohen. Ob sich Kritiker mit dieser kosmetischen Änderung beruhigen lassen, ist fraglich. Kritisiert wurde ja die Ausrichtung der Datenbank, dass sie Daten von "potenziellen Gewalttätern" erfassen will. Daran wurde mit der Streichung des Begriffes "ordre publique" nichts geändert.

Stark kritisiert wurde Edvige auch, weil Minderjährige ab 13 Jahren zum ersten Mal in eine derartige Kartei aufgenommen wurden. Wie gestern schon berichtet, sieht auch das modifizierte Dekret eine Erfassung von 13Jährigen vor. Allerdings dürfen die Informationen nicht über den 18ten Geburtstag hinaus gespeichert bleiben, außer wenn im Alter zwischen 16 und 18 ein "neues Element" aufgetreten ist, das "eine Aufzeichnung unter demselben Titel" rechtfertige. Dann würden die Daten bis zum 21ten Lebensjahr gespeichert.

Wie Le Monde allerdings anmerkt, würde das solchermaßen kodifizierte "Recht auf Vergessen" – eine Konzession von Innenministerin Alliot-Marie gegenüber den Kritikern – in der Praxis auf größere Hindernisse treffen: Die Daten und Papiere der Edvirsp-Kartei zu einer Person würden in mehrere Abteilungen der Sicherheitsdienste (Polizei- und Geheimdienste) verschickt, um das Recht auf Vergessen zu respektieren, müssten die Polizeibeamten pausenlos diese Daten überprüfen.

Zugang zu den Edvirsp-Daten sollen alle Polizeibeamtne haben, die dem SDIG ("sous-direction de l'information générale de la direction de la sécurité publique") unterstellt sind und "individuell ausgewählt und besonders ermächtigt" sind, sowie besonders befugte Beamte der Polizeipräfekturen und all jene Polizisten und Gendarmen, wenn ihre ausdrückliche Anfrage, die Motivation und Identität der Antragssteller enthalten muss, von ihrem Chef genehmigt wird.

Siehe dazu auch in Telepolis: Adieu Datenbank Edvige! Adieu? ()