Anwaltliche Mahnschreiben können versuchte Nötigung sein

Weil er ungeprüft anwaltliche Mahnschreiben an angebliche Schuldner verschickt hat, wurde ein Jurist jetzt wegen versuchter Nötigung verurteilt.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Auch anwaltliche Schreiben können Nötigung sein, wenn der dahinterstehende Jurist seine Sorgfaltspflichten nicht ernst nimmt beziehungsweise seine juristische Autorität gegenüber Verbrauchern gezielt ausspielt. Das musste jetzt ein Volljurist erfahren, der vom Bundesgerichtshof unter anderem wegen versuchter Nötigung durch anwaltliche Mahnschreiben zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde.

Er hatte das Mandat eines Unternehmens angenommen, das sogenannte Gewinnspieleintragungsdienste betreibt. Kunden wurde über ein Callcenter die Möglichkeit angeboten, sich gegen Gebühr automatisch in verschiedene Gewinnspiele eintragen zu lassen. Tatsächlich wurde der Service aber gar nicht ausgeführt, zahlreiche Kunden holten sich daraufhin ihr Geld via Rücklastschriften zurück. Das Unternehmen wollte das nicht hinnehmen und engagierte besagten Juristen als "Inkassoanwalt". Er sollte Mahnungen an betreffende Kunden verschicken, die so unter Druck gesetzt und zur Zahlung der unberechtigten Forderungen veranlasst werden sollten.

Der beauftragte Anwalt erstellte wie vom Kunden gewünscht mehrere Entwürfe für Mahnschreiben. Die Namen der Empfänger wurden vom Unternehmen selbst eingesetzt. Der Anwalt kümmerte sich also gar nicht darum, an wen die Mahnungen verschickt wurden. Sein Schreiben erweckte allerdings den Eindruck, er habe die jeweilige Forderung aus den Gewinnspieleintragungen auf ihre Richtigkeit geprüft.

So teilte er in der Mahnung mit, er sei von dem Unternehmen mit der Durchsetzung der berechtigten Forderungen beauftragt worden und werde diese auch konsequent verfolgen. Außerdem schrieb er, dass sich seine Mandantin bei nicht fristgerechter Zahlung vorbehalte, die Staatsanwaltschaft wegen Betrugsverdachts einzuschalten. Tatsächlich hatten der Anwalt und seine Mandantin aber vereinbart, dass es wegen der angeblichen Forderungen auf keinen Fall zu einer Gerichtsverhandlung, geschweige denn zu Strafanzeigen gegen die Kunden kommen sollte. Im Gegenteil: Kunden, die sich beschwerten oder den "Dienst" kündigen wollten, sollten ihre bereits geleisteten Zahlungen ohne Probleme zurückerhalten.

Doch das aggressive Mahnschreiben zeigte Wirkung, insgesamt gingen daraus fast 860.000 Euro ein, knapp 140.000 Euro davon flossen in die Tasche des Anwalts. Die Freude über das Geld hat nicht lange angehalten, denn der Jurist musste sich wegen der Drohung mit einer Strafanzeige vor Gericht verantworten. Zwar konnte die Vorinstanz nicht feststellen, ob die Kunden nur wegen dieser Drohung oder wegen dem anwaltlichen Mahnschreiben an sich gezahlt hatten, dennoch wurde der Mann wegen versuchter Nötigung verurteilt.

Seine Revision vor dem Bundesgerichtshof hatte keinen Erfolg. Die Richter erklärten, es sei mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar und daher verwerflich, juristische Laien durch solche Behauptungen und Androhungen zur Erfüllung angeblicher Forderungen zu drängen. Selbst wenn der Anwalt tatsächlich nicht gewusst hat, dass die Forderungen ungerechtfertigt waren, handelt es sich in diesem Fall um Nötigung (Urteil vom 5. 11. 2013, Az.: 1 StR 162/13). (gs) ()