EU-Kommissarin: Deutschland ist beim Breitband-Internet keine Lokomotive

Laut dem 14. Bericht zum "Stand des Europäischen Binnenmarktes der Elektronischen Kommunikation" liegt Deutschland unter den 27 EU-Mitgliedsstaaten nur auf Rang 9, was die Nutzung von Breitband-Internetzugängen über das Festnetz betrifft.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die EU-Kommission hat am heutigen Mittwoch in Brüssel den 14. Bericht zum "Stand des Europäischen Binnenmarktes der Elektronischen Kommunikation" vorgelegt. Danach stieg die Zahl der genutzten Hochgeschwindigkeits-Internetzugänge über das Festnetz im Jahr 2008 EU-weit um 14 Millionen auf insgesamt mehr als 114 Millionen. Dänemark und die Niederlande seien bei der Breitband-Nutzung weltweit führend und erreichten damit mehr als 35 Prozent der Bevölkerung, heißt es in dem Report. Deutschland liegt mit 27,5 Prozent zwar deutlich über dem EU-Schnitt von 22,9 Prozent, dennoch reicht es nur zu Platz 9 (PDF-Datei).

"Deutschland spielt hier nicht die Rolle einer Lokomotive. Von der größten EU-Volkswirtschaft würde ich mehr erwarten", sagte die für Medien, Telekommunikation und die Informationsgesellschaft zuständige Kommissarin Viviane Reding dem Handelsblatt. Geschlossen werden müssten etwa Lücken im Breitbandnetz in ländlichen Regionen. Während in den Städten zu 99 Prozent Breitband-Internet möglich sei, habe auf dem Land mehr als ein Zehntel der Bevölkerung überhaupt keinen Zugriff auf breitbandige Internet-Anbindungen. Diese "weißen Flecken" müssen verschwinden, verdeutlichte Reding, etwa durch Nutzung frei werdender Funkfrequenzen aus der "Digitalen Dividende".

Die Arbeit der Bundesnetzagentur kommt in dem Jahresbericht nicht gut weg. Immer wieder ergäben sich Verzögerungen bei wichtigen Aufgaben, heißt es. Auch hätten Entscheidungen der Bundesnetzagentur wiederholt zu gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt, mit der Folge, dass sich erneut Regulierungsunsicherheit breit mache, die wiederum Unternehmens- und Investitionsentscheidungen erschwere. Aussagen von Kanzlerin Merkel, wonach sich die Staats- und Regierungschefs vor dem Hintergrund der allgemeinen Wirtschaftskrise beim jüngsten EU-Gipfel auf eine Aussetzung von Wettbewerbsregeln beim Breitbandausbau geeinigt hätten, will Reding so nicht stehen lassen.

Regulierungsferien als Belohnung für Investitionen in das Breitbandnetz werde es nicht geben, verdeutlichte Reding: "Nichts wird sich ändern." Die Bundesregierung hatte die Lockerung im Rahmen der Verhandlungen für ein 5 Milliarden Euro schweres EU-Konjunkturpaket gefordert. So sollen Investitionen angeregt werden, ohne dass Steuergelder fließen. Konkret geht es um die sogenannte Risikoteilung. Die Deutsche Telekom soll vor einer Investition in neue Breitbandnetze einen Wettbewerber – wie Vodafone – am Risiko beteiligen können. Dieser Mechanismus ist wettbewerbsrechtlich dann umstritten, wenn die Investoren danach anderen Diensteanbietern den Zugang zu ihren Netzen verwehren können.

Zum Abschluss des EU-Gipfels hatte Merkel erklärt, eine Lockerung der Wettbewerbsregeln erreicht zu haben, damit Investitionen zur besseren Versorgung von ländlichen Gebieten mit schnellen Internetanschlüssen angekurbelt werden. Reding erwiderte: "Das, was der EU-Gipfel betont hat, ist das, was bereits geschieht: Zwei oder drei Betreiber können zusammenarbeiten, vorausgesetzt, dass sie nicht den Markt abschotten." In der offiziellen EU-Gipfelerklärung heißt es, die Wettbewerbsstruktur des Telecom-Marktes und das Diskriminierungsverbot müssen eingehalten werden.

"Das ist der ausschlaggebende Satz", betonte Reding. "Wettbewerb führt zu Investitionen, dazu, dass man aktiv wird, und zu niedrigeren Preisen. Gerade in Zeiten der Krise sind offene Märkte wichtiger denn je." Berlin und die EU-Kommission sind schon seit längerem im Clinch um Sonderregeln für die Deutsche Telekom. Weil Berlin den Konzern als Gegenleistung für Großinvestitionen in Glasfaser-Netzinfrastruktur (VDSL) zumindest zeitweise vor Wettbewerb schützen wollte, haben die Brüsseler Wettbewerbshüter Deutschland 2007 vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt. Der Fall ist anhängig. "Das Vertragsverletzungsverfahren läuft weiter und ist auch weiterhin gerechtfertigt", sagte Reding. (pmz)