Microsoft spürt die Auswirkungen der Finanzkrise

Der Softwarekonzern legte erneut Rekordergebnisse vor, die Finanzkrise hinterließ aber zum Ende des Quartals doch Spuren. Der Ausblick Microsofts gestaltete sich äußerst vorsichtig - der Konzern wollte die schlimmsten Befüchtungen aber nicht bestätigen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Es ist ja immer eine besondere Geschichte mit dem Aktienkurs von Microsoft und den Geschäftszahlen – an der Börse halten viele Analysten den Softwarekonzern eigentlich für unterbewertet, selbst wenn man Microsoft mit Konkurrenten wie Google vergleicht, die derzeit im Internet den Redmondern (zumindest nach dem Geschmack des Microsoft-Managements allzu oft) eine lange Nase zeigen. Zwar stieg der Kurs der Microsoft-Aktie am Donnerstag während des offiziellen Börsenhandels in New York um 3,67 Prozent, in den letzten Wochen ist der Kurs aber, mit zwischenzeitlichen Erholungen, auf rund 22 Dollar gesunken, die Marktkapitalisierung des Konzerns liegt mittlerweile unter 200 Milliarden US-Dollar.

Und das, obwohl Microsoft in den vergangenen Quartalen oft Rekordergebnisse vorlegte, die weit über den Erwartungen lagen – auch wenn im vierten Quartal des Ende Juni abgelaufenen Geschäftsjahrs 2008 ein leichter Dämpfer erfolgte aufgrund nicht ganz erfüllter hochgesteckter Prognosen. Nun aber wird auch für Microsoft die Lage schwieriger: Die Finanzkrise und die drohende Rezession lassen die Hightech-Branche mittlerweile nicht mehr unberührt. Zwar verbreiteten etwa Firmen wie Google Zuversicht angesichts der Turbulenzen im Finanzsektor und an den Börsen, so hieß es bei Microsoft doch, man stelle sich auf härtere Zeiten ein. Besonders das Großkundengeschäft werde schwieriger – immerhin aber könnten möglicherweise Firmen wie Microsoft gerade in schwierigen Zeiten von der unsicheren Lage profitieren.

So blickte denn auch die Hightech- und Börsenwelt gespannt nach Redmond, was denn da für ein Zahlenwerk für das erste Quartal des Microsoft-Geschäftsjahrs 2009 präsentiert würde. Die Erwartungen waren im Vorfeld eher zurückhaltend, nun berichtete Microsoft von steigenden Umsätzen und Gewinnen. Der Umsatz im ersten Geschäftsquartal 2009 kletterte im Vergleich zum gleichen Quartal des Vorjahrs um 9 Prozent auf 15,06 Milliarden Dollar, der höchste Umsatz, der je im ersten Quartal eines Microsoft-Geschäftsjahrs verzeichnet wurde. Ebenfalls auf Rekordniveau bewegte sich der Nettogewinn, er stieg von 4,289 auf 4,373 Milliarden US-Dollar. Besonders betonte Microsoft in seinem Bilanzbericht, dass die Verkäufe, die mit mehrjährigen Verträgen jährliche Umsätze garantierten, um 20 Prozent gestiegen seien. Insgesamt lag Microsoft mit seinen Ergebnissen besser als die Börsianer erwartet hatten, auch wenn die Turbulenzen an den Finanzmärkten und die daraus resultierende Abschwächung der Wirtschaft eine noch höhere Umsatz- und Gewinnsteigerung verhinderten.

Finanzchef Chris Liddell meinte, in einer "anspruchsvollen ökonomischen Umgebung" zeigten die Bilanzen die Stärke und Vielfalt von Microsofts Geschäftsmodell. Im Ausblick gab sich der Konzern vorsichtig: Man habe in den Prognosen verschiedene Risiken und einen wahrscheinlichen weiteren wirtschaftlichen Abschwung berücksichtigt; die negativen Entwicklungen, die man zum Ende des abgelaufenen ersten Quartals gesehen habe, würden sich fortsetzen, während man bislang davon ausgegangen sei, dass die Wirtschaft in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahrs wieder anziehe. Im zweiten Quartal soll der Umsatz nun bei 17,3 bis 17,8 Milliarden US-Dollar liegen, der operative Gewinn bei 6,1 bis 6,4 Milliarden US-Dollar. Für das Gesamtjahr rechnet Microsoft derzeit mit einem Umsatz von 64,9 bis 66,4 Milliarden US-Dollar und einem operativen Gewinn von 24,4 bis 25,5 Milliarden US-Dollar. Damit reduzierte Microsoft seine Prognosen gegenüber früheren Erwartungen.

Liddell aber meinte, das Microsoft-Management halte den Konzern in einer sehr guten Lage gegenüber der Konkurrenz und gehe davon aus, dass man schneller wachsen könne als die allgemeinen IT-Investitionen. Microsoft werde die schwierigen ökonomischen Bedingungen gut durchstehen können.

Hinweise auf die Position Microsofts in der gegenwärtigen Lage kann unter anderem der deferred revenue (bei Microsoft als unearned revenue geführt und im deutschen Rechnungswesen passiver Rechnungsabgrenzungsposten genannt) hergeben: Er stieg im Jahresvergleich von 3,821 Milliarden auf 4,186 Milliarden US-Dollar – er stellt für Microsoft ein wichtiges Indiz dar, wie das Geschäft mit Firmenkunden läuft und wie sich die Konkurrenz in diesem lukrativen Markt schlägt. Als deferred revenue bezeichnet man Umsätze vor allem mit Firmenkunden, die bei Service-Verträgen, die über mehrere Jahre gelten, oder beispielsweise bei länger laufenden Lizenz-Abschlüssen zwar schon gemacht wurden, aufgrund der langen Laufzeit der Verträge aber erst über die eigentliche Zeitspanne der Vereinbarungen hinweg realisiert und verbucht werden.

Auch das Abschneiden der Server and Tools Division (Windows-Server, SQL-Server, Entwicklungswerkzeuge etc.) gibt einen Hinweis, wie das Geschäft vor allem mit Firmenkunden und Softwareentwicklern läuft, das meist langfristig ausgerichtet ist. Den Umsatz konnte die Sparte von 2,900 auf 3,406 Milliarden US-Dollar steigern, der operative Gewinn stieg von 959 Millionen auf 1,151 Milliarden US-Dollar. Das Kerngeschäft, das in der Client-Sparte (alle Windows-Betriebssysteme für Desktop-Rechner) versammelt ist, konnte nur leicht beim Umsatz von 4,139 auf 4,218 Milliarden US-Dollar zulegen, der operative Gewinn ging von 3,388 auf 3,267 zurück. Hier dürften sich nicht nur die anhaltenden eher mäßigen Verkäufe von Windows Vista niederschlagen, sondern auch als erstes die Auswirkungen der Finanzkrise zeigen.

Ein Bereich, den Microsoft eigentlich als für die eigene Zukunft zentral ausmachte, hat nicht nur weiterhin Schwierigkeiten, gegenüber der Konkurrenz von Google aufzuholen – auch in den Bilanzen dümpelt die Sparte Online Services Business vor sich hin: Der Umsatz stieg von 671 auf 770 Millionen US-Dollar, der operative Verlust betrug 480 Millionen US-Dollar nach einem Verlust von 267 Millionen US-Dollar im Vorjahr. Kein Wunder, dass Microsoft-Chef Steve Ballmer nicht müde wird, immer wieder neue Überlegungen ins Spiel zu bringen, den Internet-Konzern Yahoo doch noch zu übernehmen – auch wenn der mit seinen ganz eigenen Problemen kämpft und gegenüber Google auch immer weiter ins Hintertreffen gerät.

Bei der Business Division (Office-Produkte sowie Firmenlösungen wie Great Plains und Navision) stieg der Umsatz von 4,117 auf 4,949 Milliarden US-Dollar, der operative Gewinn von 2,700 auf 3,311 Milliarden US-Dollar. Die Entertainment and Devices Division (die sowohl die Spiele-/Xbox-Sparte als auch die Embedded Devices umfasst) musste einen Umsatzrückgang von 1,929 auf 1,814 Milliarden US-Dollar hinnehmen, der operative Gewinn stieg dagegen von 167 auf 178 Millionen US-Dollar.

Insgesamt zeigte sich die Börse beruhigt über die Microsoft-Bilanz: Trotz der Auswirkungen der Finanzkrise auf die aktuelle Bilanz und auf die Prognosen konnte der Konzern ein Zahlenwerk vorlegen, dass nicht den schlimmsten Befürchtungen der Analysten entsprach. So hieß es nun bereits, Microsoft könne die Panik an den Börsen beruhigen. Ob Microsofts Geschäftszahlen alleine dazu in der Lage sein werden, sei dahingestellt: Dem eigenen Aktienkurs jedenfalls taten sie erst einmal gut, zu Beginn des nachbörslichen Handels in den USA, nach Vorlage der Bilanz, stieg der Microsoft-Aktienkurs leicht.

Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)
Quartal Umsatz Nettogewinn
3/00 5.660 Mio. 2.390 Mio.
4/00 5.800 Mio. 2.410 Mio.
1/01 5.800 Mio. 2.200 Mio.
2/01 6.590 Mio. 2.620 Mio.
3/01 6.460 Mio. 2.450 Mio.
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.*
1/04 8.220 Mio. 2.610 Mio.*
2/04 10.150 Mio. 1.550 Mio.*
3/04 9.180 Mio. 1.320 Mio.*
4/04 9.290 Mio. 2.690 Mio.
1/05 9.189 Mio. (2.901 Mio.) 2.530 Mio **
2/05 10.818 Mio. 3.463 Mio.
3/05 9.620 Mio. 2.563 Mio.
4/05 10.161 Mio. 3.700 Mio.
1/06 9.741 Mio. 3.141 Mio.
2/06 11.837 Mio. 3.653 Mio.
3/06 10.900 Mio. 2.977 Mio.
4/06 11.804 Mio. 2.828 Mio.
1/07 10.811 Mio. 3.478 Mio.
2/07 12.542 Mio. 2.626 Mio.
3/07 14.398 Mio. 4.926 Mio.
4/07 13.371 Mio. 3.035 Mio.
1/08 13.762 Mio. 4.289 Mio.
2/08 16.367 Mio. 4.707 Mio.
3/08 14.454 Mio. 4.388 Mio.
4/08 15.837 Mio. 4.297 Mio.
1/09 15.961 Mio. 4.373 Mio.

* Gewinne unter Bilanzierung der Umstellung auf das neue Aktienprogramm für Microsoft-Mitarbeiter
** nach nachträglichem Abzug der Sonderkosten durch die Einigung mit Novell
(jk)