E-Autos allein sind nicht genug

Während der Energieverbrauch in Haushalt und Industrie zurückgeht, legt er beim Verkehr weiter zu. Was kann die neue Regierung tun, diesen Trend zu brechen?

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Während der Energieverbrauch in Haushalt und Industrie zurückgeht, legt er beim Verkehr weiter zu. Was kann die neue Regierung tun, diesen Trend zu brechen?

Auf den ersten Blick sieht die Bilanz gar nicht so schlecht aus: In den letzten zwanzig Jahren ist der Energieverbrauch in Deutschland insgesamt leicht gesunken. Doch ein Bereich tanzt aus der Reihe: Der Verkehr legte zwischen 1990 und 2011 von 661 auf 714 Terawattstunden zu. Will die Regierung ihre eigenen Klimaziele erreichen, muss sie hier handeln. Wie kann das geschehen?

1. Niedrigere Grenzwerte

Eine traditionelle Antwort der Politik lautet: Das einzelne Fahrzeug muss sparsamer werden. Dieser Ansatz war in der Vergangenheit tatsächlich erfolgreich. 2008 beschloss die EU, dass Neuwagen 2015 im Schnitt nur noch 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen dürfen. Seitdem befinden sich die Emissionen im Sinkflug. Der CO2-Grenzwert habe eine "Innovations-Initiative ausgelöst", von der Zulieferer und Hersteller profitiert hätten, meint Ferdinand Dudenhöffer vom CAR Center Automotive Research der Uni Duisburg-Essen.

Trotzdem torpedierte Angela Merkel im Sommer persönlich eine weitere Verschärfung der Grenzwerte auf 95 Gramm für 2020. "Das ist ein ganz schlechtes Signal", meint Matthias Gather, Professor für Verkehrspolitik an der FH Erfurt. Nun zeichnet sich jedoch ein neuer Kompromiss ab, wonach der neue Grenzwert lediglich um ein Jahr verschoben werden soll.

2. Mehr Erdgas und Elektro, weniger Diesel

Noch eine andere Altlast bisheriger Verkehrspolitik bremst alternative Antriebe aus: Diesel wird mit einer Steuerermäßigung von 18 Cent pro Liter künstlich verbilligt. Dabei verursacht er mehr Feinstaub- und Stickoxid-Emissionen als Benzin. "Die Subventionen sorgen dafür, dass sich die deutschen Autobauer viel zu stark auf Diesel konzentrieren und Zukunftstechniken ausländischen Konkurrenten überlassen", moniert Ferdinand Dudenhöffer. Auch sei der Diesel-Boom schuld, dass umweltfreundlicheres Erdgas ein "jämmerliches Dasein" friste. Zudem läuft dessen Steuerbefreiung 2018 aus, weshalb wenige Fahrzeughalter jetzt noch umsteigen werden. Die Deutsche Energie-Agentur dena fordert daher, die Unterstützung für Erdgas zu verlängern.

Mit rund 5000 Neuzulassungen in diesem Jahr dümpelt der Markt für Elektroautos ebenfalls vor sich hin. Um das zu ändern, setzte der Bund bisher vor allem auf die Förderung sogenannter "Schaufenster", in denen Hersteller, Versorger, Kommunen und Forschungsinstitute gemeinsam die ersten praktischen Schritte erproben. "Die Projekte gerieten kleinteilig und kleinkariert", kritisiert Autoforscher Dudenhöffer. "Wenn die Schaufenster weiter so leer bleiben wie bisher, besteht wenig Hoffnung für die Leitmarktvision der Kanzlerin." Henning Kagermann, Vorsitzender der Nationalen Plattform Elektromobilität, widerspricht: "Die Stärke Deutschlands ist die regionale Vielfalt. Diese Stärke hat man angezapft." Gleichwohl fordert auch Kagermann weitere Maßnahmen: "Erstens Beschaffungsprogramme durch die öffentliche Hand, zweitens schnellere Abschreibungsmöglichkeiten für gewerbliche Nutzer, drittens die direkte Förderung von Forschung und Entwicklung, viertens die Verbesserung der sonstigen Rahmenbedingungen."

Eine direkte Kaufprämie hält er dagegen für unnötig. Aber wäre sie wirklich teuer und sinnlos, wie oft nahegelegt wird? Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe ist dieser Frage in einer Studie nachgegangen. Das Ergebnis: Verändern sich die Kosten von Sprit, Strom, Batterien und Kapital deutlich zugunsten der Elektroautos, könnten 2020 schon ohne alle Fördermaßnahmen mehr als eine Million Fahrzeuge in Deutschland unterwegs sein. Verändern sie sich moderat, wären es immer noch eine halbe Million. Würde die Regierung in diesem Szenario eine direkte Kaufprämie von 2000 Euro drauflegen, könnte sie laut Fraunhofer-Forschern mit mehr als 1,8 Millionen Fahrzeugen rechnen.

In Ländern wie Frankreich und den USA haben direkte Zuschüsse bisher zwar wenig gebracht, aber das sei, so Studienleiter Professor Martin Wietschel, auch eine Frage der Zeit: "Heute mag das noch keinen großen Effekt haben, aber der eigentliche Markthochlauf geschieht ja erst ab 2016." Bis dahin werden Elektroautos preiswerter und die Kostenlücke zu konventionellen Fahrzeugen entsprechend kleiner sein, sodass die Kaufanreize mehr Wirkung zeigen. Bisher hat sich die Bundesregierung allerdings dagegen gesträubt, direkte Zuschüsse zu zahlen.

Mangels deutscher Modelle auf dem Markt wäre das Geld vor allem Herstellern wie Nissan, Renault, Mitsubishi oder Tesla zugute gekommen. Nun, da auch die deutschen Hersteller offenbar so weit sind, weicht sie von ihrer Linie ab: Es soll zwar weiterhin keine direkte Kaufprämie geben. Der Bund will jedoch das Netz an Ladestationen ausbauen, verstärkt selbst Elektromobile anschaffen – vor allem aber ein Programm mit zinsgünstigen Krediten auflegen. Die genauen Details standen zu Redaktionsschluss noch nicht fest. Ein Blick in die Fraunhofer-Studie zeigt jedoch, dass der Bund dabei möglicherweise die teuerste aller Fördermaßnahmen gewählt hat.