4W

Was war. Was wird.

You load sixteen tons, and what do you get? Aother day older and deeper in debt! Ein Manifest für neues Arbeiten, ob das auf das Blogger-Klassentreffen passt? Hal Faber ist etwas ratlos.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 44 Kommentare lesen
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Hallo, Leser. Möge die Macht mit dir sein, schließlich geht es weiter in diesem oder einem anderen Universum. Noch sieben Fakten gefällig? Ist doch besser als die Berichte aus der Ukraine, in denen freigelassene Militärbeobachter immer noch als OSZE-Geiseln tituliert werden und Putin der Darth Vader ist. Ich bin nach der Kritik an der ziemlich undurchsichtigen Berichterstattung angeblich ein Putin-Versteher geworden und muss mit diesem Makel leben. Niemand ist ein Netzwerk allein. Oder doch a mind that's weak and a back that's strong? Ach, wer Hal kommen sieht, muss nicht unbedingt das Weite suchen.

*** Sonst noch jemand, den die Rechte trifft, wenn die Linke nicht ins Ziel findet? Ach, Google. Da erklärt die neue c't haarklein, was Gooliath alles treibt und über einen speichert (und wie man sich dagegen wehren kann), aber nix über einen "Dienst über Vervollständigung von WWWW-Kolumnen", der doch eine echte Erleichterung für mich wäre. Ich vermisse auch einen Dienst, der mein Fahrrad orten kann. Es gibt noch viel zu tun, Google. Geheimverträge abschließen, damit die eigene Suche keine Konkurrenz bekommt, das ist sooo microsoftig und old-fashioned, dass man sich wundern muss, welcher Manager auf solche Ideen kommt. Aber es geht noch viel geheimer und schlimmer zu bei Google, wie Shoshanna Zuboff meint. Google saugt unser Leben aus, ganz langsam und unerbittlich schürft es all die seltenen Sachen zusammen, die unsere Individualität ausmachen sollen und speichert diese in geheimer Mission, natürlich für die NSA. Zuboff in Kurzfassungen: Weil das Internet so überlebenswichtig geworden ist, ist Google so urböse, denn es arbeitet mit Algorithmen in einer Weise, die wir nicht verstehen und für die wir uns nicht bewusst entschieden haben. Allen Ernstes beginnt die Hetze über Google mit dem bekannt falschen Beispiel von den Fröschen, die man langsam erhitzt. Nun sind Menschen etwas anders als Frösche gebaut und Duschen gerne heiß und heißer, bis es uns dämmert,

dass Google dabei ist, ein neues Reich zu errichten, dessen Stärke auf einer ganz anderen Art von Macht basiert – allgegenwärtig, verborgen und keiner Rechenschaft pflichtig. Falls das gelingt, wird die Macht dieses Reiches alles übertreffen, was die Welt bisher gesehen hat. Das Wasser ist nahe am Siedepunkt, weil Google diese Feststellung weitaus besser versteht als wir.

*** Worauf beruht nun Googles unerhörte Macht, vor der das deutsche Feuilleton nicht müde wird zu warnen? Auf dem Börsenwert? Auf der Tatsache, dass Google aus den Ereignissen um den 11. September 2001 am konsequentesten die Lehre zog und sich von der Suchmaschine zur Newsmaschine umbaute in härtester Konkurrenz zu jammernden Blattmachern? Angeblich beruht Googles Macht darauf, dass der Konzern keiner Art von Kontrolle unterworfen ist, wie die Autorin schon vor sechs Jahren im Gespräch mit Eric Schmidt erkannt haben will. Damals wurde nicht zum ersten Mal darüber diskutiert, ob das Firmenmotto von wegen "Nichts Böses tun" noch eine Bedeutung hat bei einem börsennotierten Konzern. Damals stellte Google Chrome vor und den von Oracles Larry Ellison übernommenen Plan, den NC, einen Network Computer, zu bauen. Was mit Chromebooks noch nicht so richtig läuft, hat bekanntlich mit Android sehr gut funktioniert. Glaubt man den Wissenschaftlern Kimberley Spreeuwenberg und Thomas Poell, war Android deswegen erfolgreich, weil Google zielgerecht bestimmte Lizenzregeln der Open Source einfach ignorierte und zu eigenen Gunsten veränderte. Was bleibt, hat die IT-Expertin Kara Swisher sehr schön zusammengefasst, deren Ehefrau Megan Smith bei Google als Vizepräsident keine kleine Rolle spielt:

She’s not a political person, she’s not a corporate person—she’s a techie. And she has a different opinion of Google: She thinks it’s all daffodils and sunshine and that they’re helping the world—like most of these idiot techies. I gotta listen to that shit all day. But they believe it. So whatever.

*** Sold my soul to the company store? Ach, Microsoft. Nun ist rechtzeitig vor dem gruscheligen Blogger-Klassentreffen re:publica den Weg klar vor Augen das bereits in der letzten Wochenschau erwähnte Manifest des neuen Arbeitens vorgestellt worden. Komplett mit Hashtag #einfachmachen einem Manifest-Kit-Pizzakarton und konkreten Forderungen zum Firmenwohl:

Ein Recht auf Arbeit, so wie wir wollen! Ein Recht auf selbstbestimmte Freizeit! Abschaffung von künstlichen Hierarchien! Strukturen, in denen wir vertrauensvoll, frei und produktiv kommunizieren können! Verantwortung für uns selbst und für unsere Arbeit!

You load sixteen tons, and what do you get? Aother day older and deeper in debt. Doch schon die zum Manifest gehörenden 33 Regeln erfolgreicher digitaler Pioniere reizen das Zwerchfell mit Bullshit-Bingo wie First Mover und Work-Life-Balance. Die Wissensarbeiter sollen es Klasse haben bei der "Arbeit am Produkt und Kunden" (Regel 3), der lästige Backoffice-Krams wird outgesourced. Wer da wohl arbeiten muss und wo? Egal, ist doch egal, ob es irgendwo in Indien ist. Regel 31 gildet heute und besagt, dass früher die Komplexitätsreduktion durch Vorgesetzte und Strukturen als Erfolgskriterium galt. Heute ist es ungelenkte Serendipity. Soso. Ungelenkter Zufall, das klingt wie einheitliche Benutzerbenutzerführung mit Kacheln und Menüs.

Was wird.

Wie ist das eigentlich mit den "Strukturen, in denen wir vertrauensvoll und frei kommunizieren" können? Nach einer in der nächsten Woche zur re:publica veröffentlichten sogenannten repräsentativen TNS-Emnid-Studie glauben 59 Prozent aller deutschen, dass der Aufwand, einen Rechner oder ein Smartphone gegen ausländische Geheimdienste abzusichern, "sehr hoch oder gar unmöglich" ist. Die Resignation angesichts der Enthüllungen von Snowden ist damit nachweisbar. Die Hacker, vor denen man sich fast unmöglich schützen kann, folgen mit 54 Prozent den Geheimdiensten. Der deutsche Staat und seine Sicherheitsbehörden folgen auf die Hacker. Wirklich schützen und das mit geringem oder vertretbaren Aufwand kann man sich nach Meinung der Befragten nur vor Familie und Mitbewohnern, Kollegen und Vorgesetzten sowie vor Hardware-Dieben. Immerhin. Wie sehr sich "nach Snowden" die Gewichte verschoben haben, zeigt die Tatsache, dass in der entsprechenden Befragung "vor Snowden" Ende 2012 überhaupt nicht nach "ausländischen Geheimdiensten" gefragt wurde. Da führten die Hacker die Rangliste an, gefolgt von Staat und seinen Behörden: der Bayerntrojaner war noch in guter Erinnerung.

Aus Gründen des Staatswohls kann Snowden nun nicht nach Deutschland kommen, befindet die Bundesregierung – und bekommt für ihre kühle Realpolitik sogar Verständnis in der tageszeitung: "Diese Entscheidung kann man moralisch verurteilen, aber sie ist vernünftig." Nicht einmal das Urteil des Bundesverfassungsgericht zum BND-Untersuchungsausschuss wird erwähnt, laut dem auch der Bundestag für das Staatswohl zuständig ist. Bemerkenswert, dass sich unter den von Netzpolitik veröffentlichten Gutachten ein veritables Erpressungsschreiben befindet, mit der Drohung, dass Bundestagsabgeordnete, die mit Snowden gesprochen haben, in den USA verhaftet werden können. Die USA als no-go für einen Ströbele? Natürlich will sich die Opposition wehren und in den nächsten Tagen gegen die schwarzrote Farce klagen. Eine Farce, an der Sozialdemokraten beteiligt sind, die den Abgeordneten auch noch Einblicke in die von der SPD einstmals so heftig kritisierten deutsch-amerikanischen Verhandlungen über ein No-Spy-Abkommen verweigern will, weil es sich hierbei um einen "Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung" handeln würde. So und nicht anders demoliert man die Demokratie. Weitergehen, Herrschaften, hier gibt es nichts zu sehen, bitte weitergehen. Behindern sie bitte nicht die Ermittlungen der NSA ...

Tja, da gehen wir mal weiter. Etwa zur Next 14, die in Berlin mit Brad Templeton startet, dem ehemaligen Vorsitzenden der EFF und Vater der bezaubernden Emiliy Postnews, der ber Snowden und die NSA deutliche Worte findet. Oder wir gehen zur Gesundheitsmesse ConHIT, die am Dienstag in Berlin startet. Bedingt durch das große Interesse an Snowden gibt es eine Diskussion über Gesundheitsdaten und die NSA. Oder wir gehen zu der bereits erwähnten re:publica, wo Blogger in freier Wildbahn beobachtet werden könne. Da gibt es gleich ein Dutzend Vorträge zum Thema NSA, während es beim anschließenden Linuxtag und der Droidcon eher fachlich zugehen dürfte. Aber halt, wie war das noch mit dem unter Amnesie leidendenen Inkognito-Betriebssystem, das Snowden und Co. benutzen und als Stick treuer Begleiter bei meinen Auslandsreisen ist? (jk)