Kommentar: Apples Tim-Cook-Ära hat begonnen – und sie funktioniert

Mit der Apple Watch präsentierte Apple in dieser Woche erstmals ein Gerät, das seine Ursprünge nicht in Steve-Jobs-Zeiten hatte. Sein Nachfolger Tim Cook hat das gut hinbekommen. Und das sollte Apple-Kunden beruhigen.

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Tim Cook ist nicht Steve Jobs. Dem Apple-Chef, der mittlerweile seit – auch schon wieder – drei Jahren im Amt ist, geht das Showtalent des legendären Firmenmitbegründers ab. Cooks ruhiger Südstaatenakzent und seine zurückhaltende Art machen Veranstaltungen des iPhone-Herstellers vielleicht weniger spannend als unter dem stets aggressiv extrovertiert agierenden Jobs. Und auch die Passion, mit der Cook Apples Grundwerte predigt, stets "das beste Produkt und die beste User Experience" zu wollen, könnte manchmal etwas mehr Feuer vertragen.

Doch Cook meint das, was er sagt, wirklich ernst. Das hat der vergangene Dienstag mit der Vorstellung von iPhone 6 und vor allem der Apple Watch deutlich gezeigt. Wir befinden uns nun, nicht ganz drei Jahre nach dem Tod von Steve Jobs, felsenfest in der Ära Tim Cook. Das hatte der in Robertsdale, Alabama, geborene Apple-Chef selbst betont: Mit der Aussage, dass das Apple-Watch-Projekt erst nach Jobs' Verscheiden begonnen worden sei. "Steve Jobs lächelt jetzt sicher", sagte Cook, seine "DNA" sei in Apple und seinen Produkten enthalten. "Er wäre unglaublich stolz."

Ein Kommentar von Ben Schwan

Mac & i-Redakteur Ben Schwan schreibt seit 1994 über Technikthemen und richtet sein Augenmerk mittlerweile insbesondere auf Apple-Geräte. Er mag das Design von Mac, iPhone und iPad und glaubt, dass Apple nicht selten die benutzerfreundlicheren Produkte abliefert. Immer perfekt ist die Hard- und Software-Welt aus Cupertino für ihn aber nicht.

Der 53jährige hat ein Team zusammengestellt, das augenscheinlich gut zusammenarbeitet. iOS 8 und OS X 10.10 Yosemite bringen viele Funktionen, die Nutzer (und Programmierer) sich schon seit langem wünschen. Softwarechef Craig Federighi und Designboss Jony Ive harmonieren und selbst der ehemalige Adobe-Mann Kevin Lynch, den Steve Jobs vermutlich nie (siehe hier) eingestellt hätte, macht bei der Apple-Watch-Software einen guten Job.

Ja, die Computeruhr stellt nicht das revolutionärste Stück Hardware dar, das jemals aus Cupertino gekommen ist. Aber Apple war immer dann gut, wenn es eine vorhandene Technik nahm, bei der andere versagt haben oder kämpften – und sie dann richtig gut machte. Man denke an das iPhone, das den Smartphone-Markt aufgerüttelt hat. Oder den iPod, der den MP3-Spieler-Markt aufmischte. Oder das iPad, das Tablets endlich zum Massengeschäft machte. Auch die iWatch Apple Watch hat nun die Chance, diesem nachzueifern und Computeruhren aus der Geek-Ecke in den Mainstream zu führen.

Tim Cook bei einer Apple-Präsentation: Kein Steve Jobs, aber...

(Bild: dpa, Christoph Dernbach/Archiv)

Auch in anderen Bereichen feuert Apple momentan auf allen Zylindern. Apple Pay hat die Chance, mobiles Bezahlen endlich durchzusetzen. Dass viele Beobachter daran glauben, obwohl der Dienst nur mit Apple Watch und iPhone 6 und 6 Plus verfügbar ist, die noch gar nicht auf dem Markt sind, ist schon mal ein sichtbares Zeichen. So plant Cupertino, 80 Millionen iPhone-6-Geräte noch in diesem Jahr in den Markt zu drücken – was auch gelingen dürfte.

Man muss sich um Apple unter Tim Cook also keine Sorgen machen. Die Furcht, dass dem Konzern der Geschmack und das Näschen für Neuerungen abhanden kommen könnte, ist unbegründet, auch wenn es die allerletzte Instanz namens Steve Jobs nicht mehr gibt. Cook hat diese Funktion auf ein großes Team aufgeteilt beziehungsweise die Werte, für die Jobs stand, institutionalisiert. Da kann man nur gespannt sein, was die nächsten Jahre aus Cupertino bringen. Das Cook offener sein will als Jobs und auf Probleme schneller reagiert, ist dabei kein Nachteil. (bsc)