Der neue Renault Twingo überzeugt in der Stadt

Heckrotor

Es klang nach Spaß: eine Art Fiat 500 mit Heckantrieb. Doch das ESP lässt Fahrspaß nicht zu. Dafür überzeugt der neue Twingo mit den besten französischen Stadtauto-Tugenden: Komfort, Wendigkeit, Wartungsfreiheit*

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Im längsten Parkhaus Kölns und vielleicht der Welt verblüfft der Twingo. 17 Bilder
Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Clemens Gleich
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Köln, 3. November 2014 – Schon Anfang des Jahres las sich die Beschreibung des neuen Renault Twingo als die eines der interessantesten Autos 2014: Ein Fiat 500 mit Heckmotor, von jenem Menschenschlag gebaut, der den mir-doch-egal-Kleinwagen erfunden hat – französische Ingenieure. Eine Probefahrt in Köln.

Der Maßstab jedes neuen Twingo ist der erste Twingo, weil er der beste war. Dieser Maßstab wächst zunehmend ins utopische, weil der erste Twingo heute keine Zulassung mehr erhalten würde. Es war im Prinzip ein Miniminivan, ein Schrumpfkopf-Espace: flach abfallende Schnauze, gerade groß genug für eine kleine Luftpumpe als Antrieb, der einen Blechballon hinter sich herzog, der angesichts der Außenmaße verblüffende Mengen sperrigster Dinge transportierte, die zur Not oben aus dem offenen Faltdach herausragten.

Avec les Allemands ...

Der flachen Van-Nase ist der Fußgängerschutz vor, der gezogenen, großen Blechblase die Ansprüche an Komfort und Sicherheit. Also grub Renault ein Konzept von 2008 aus: viertüriger Kleinstwagen mit Heckmotor. Dessen Entwicklung hatte sich Renault jedoch partout nicht schönrechnen können. Erst als Daimlers Smart renoviert werden musste, gab es die Chance. Die Franzosen taten sich mit den Teutonen zusammen, um gemeinsam auf die nötigen Stückzahlen so einer Entwicklung zu kommen.

Der Twingo und der kommende Smart Forfour sind also größtenteils gleich. Wahrscheinlich wird Daimler versuchen, sich mit kundengefühlter Qualität (vulgo: "Premium") von Renault abzusetzen, noch wahrscheinlicher hauptsächlich durch die Wahl des Innenraum-Plastiks. Genauso wahrscheinlich wird es eine Zielgruppe für dieses Premiumplastik geben. Persönlich muss ich zur Lesereinschätzung dieser Twingo-Bewertung zugeben, dass ich die Unterschiede in der Premiumhaftigkeit verschiedener Plastiksorten selbst nie nachvollziehen konnte. Der Plastik in einem Polo unterscheidet sich für mich nicht signifikant vom Plastik in einem Clio. Deshalb halte ich den Twingo im Vergleich zum Smart Forfour für das Fahrzeug mit dem besseren Preis-Wert. Darüber hinaus gefällt mir die Gestaltung besser als die des Forfour – reine Subjektivität.

Resonanzverhalten: Cello

Interessantes Phänomen mit einer lokalen Häufung bei kleinen Autos: Manchmal ist die kleinere oder gar kleinste Motorisierung die beste. Renault und Daimler bieten einen 900-ccm-Turbo-Dreizylinder mit 90 PS und einen Dreizylinder-Sauger mit 71 PS an. Beide Motoren geben im knapp über 1000 kg schweren Auto ihre Leistung unter der Wahrnehmungsschwelle ab. Das liegt weniger an der absoluten Leistung, die ist schon okay, sondern vielmehr an der bemerkenswert langen Übersetzung vor allem der ersten Gänge. Der erste Gang geht bis über 50 km/h. Der Turbo bietet daher nur spürbare Vorteile für Kunden, die häufig lange Strecken fahren, und wer das tut, sollte besser ein anderes Auto kaufen.