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Was war. Was wird. Von digitalen Talibananen, düsteren Kellern und dunklen Schatten

Es gibt Propaganda, und es gibt Propaganda. Da treibt dann schon mal die Talibanhaftigkeit als Netzneutralität ihr erschröckliches Unwesen, grummelt Hal Faber, der mal keine Eulen nach Athen tragen will.

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Was war. Was wird. Von digitalen Talibananen, düsteren Kellern und dunklen Schatten

"Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug." Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war. >

Vom Weltfrauentag zum internationalen Frauentag: Eine Vax 11/750, von DEC als Rechner für "weibliche Entscheider" beworben. Nix von wegen Nix Entscheiderinnen ... "Der Richtpreis für eine Eintrittsversion mit einem 512 KByte-Speicher und zwei 28 Mbyte-Plattenlaufwerken beträgt 237.000 DM."

*** Hoppla, der legendäre Stoiber-Rap vom Transrapid am Hauptbahnhof hat ein kleines Brüderchen bekommen. Kein Geringerer als EU-Kommissar Günther Oettinger hat losgerappt im Bundesfinanzministerium in der Veranstaltungsreihe BMF im Dialog. Sein Lieblingsbeispiel von der Auto fahrenden Familie, bei der der Sohn daddelt und die Tochter Bilder auf Instagram guckt hat er mit einem Portalkrankenhaus erweitert, in dem sehr seltsame Dinge passieren. Der bizarre Monolog in Echtwort:

"Wenn Sie Verkehrssicherheit in Echtzeit haben wollen, da geht es um unser Leben, dann muss dies absoluten Vorrang haben, in Qualität und Kapazität. Wenn wir das Portalkrankenhaus im ländlichen Raum, das bei einem schweren Unfall vielleicht auch Operationssaal sein soll, und das Uniklinikum mit dem Oberarzt macht dies, wenn diese digitale und elektronische Operation möglich sein soll, dann geht dies nur in perfekter Qualität und Kapazität der Übertragung der Anweisungen, die der Oberarzt im Organbereich Lunge oder Herz oder Kreislaufgefäße beim Patienten gibt. Das muss uns wohl doch etwas wert sein. Und da kann man doch nicht von perfekter Gleichheit reden. Ist es wichtiger, dass im Auto hinten rechts die sechsjährige Tochter hockt und lädt sich Musik runter, Youtube, hinten links hockt der neunjährige Bengel und macht irgendwelche Games. Ist es wichtiger, dass die beiden in Echtzeit oder der Alte vorne links in Echtzeit hört, von rechts kommt jemand? Ich finde, Youtube runterladen hat ein paar Sekunden Zeit. Ich finde, das Game kann auch mal nicht perfekt auf dem Bildschirm sein. Aber Verkehrssicherheit, ein kommerzieller Dienst, Gesundheit, ein kommerzieller Dienst und ein paar andere fallen mir ein, sollten von der Netzneutralität, von diesem Taliban-ähnlichen Thema abweichen dürfen."

*** Eine Portalklinik ist eine abgespeckte Klinik ohne klassische Abteilungen mit einer Ausrüstung, die vor allem für Untersuchungen und Diagnosen gedacht ist. Sie besitzt wie in diesem Beispiel skizziert, keinen Operationssaal, weil sie eben keine Unfallklinik oder Universitätsklinik ist, für die eine Portalklinik Zulieferer ist. Für Günther Oettinger zählt das alles nicht, denn er will am eingängigen Beispiel der Teleoperationen das Thema Netzneutralität lächerlich machen. Ausfallsichere Standleitungen für Operationsübertragungen, die deswegen auf mehreren Kanälen übertragen werden, die mit dem Internet nichts zu tun haben, so etwas passt nicht ins Bild von "digitalen und elektronischen Operationen" im "Organbereich Lunge oder Herz", so genau kann man das halt nicht sehen beim Teleschnippeln. Anstelle ausgewogene Argumente pro und contra zu den amerikanischen Regelungsansätzen zu präsentieren, spicht Oettinger von einem Taliban-ähnlichen Thema. Ja, die Taliban, das sind kriminellen Schurken, die es zu bekämpfen gilt, gerade in Deutschland: Abu Beckedahl-Al-Almany, Al-Haksa Rieger und Muhhammad Lobo und natürlich die Piratenpartei, das sind die persönlichen Feinde in der Mimimi-Welt des EU-Kommissars, der in seiner Stoiberei auch einen echten Heveling unterbringt:

"Was die Netzneutralität betrifft, da haben wir gerade in Deutschland Talbian-artige Entwicklungen. Da ist die Netzgemeinde, da sind die Piraten unterwegs, da gehts um perfekte Gleichmacherei. Da heißt es die böse Industrie. Da geht es nicht um die Industrie, da geht es nicht um den Vorstand und sein Gehalt."

*** Das letzte Mal, dass ich einen eigenen Mail-Server im Keller stehen hatte, war zu der Zeit, als Netware 4.11 in meinem Büro die Rechner verband und E-Mail über einen MHS-Gateway nach Compuserve gepumpt wurde. Lang, lang ist's her, so lange, dass selbst die deutsche Wikipedia zu Netware nur Schwachsinn speichert: Nein, Netware war nicht die einzige Möglichkeit, PCs zu vernetzen. Es gab Dutzende von Alternativ-Lösungen, unter anderem Lantastic aus Arizona, das Werbung machte mit dem Gouverneur von Arkansas, der "fantastisch einfach" zu Hause seine Rechner koppeln konnte. Jawohl, Bill Clinton ist gemeint, der einzige Präsident, dessen offizielles Portrait einen weiblichen Schatten hat. Schuld daran ist der Hofmaler Nelson Shanks. Sollte Hillary Clinton bei der nächsten Präsidentschaftswahl antreten und siegen, dürfte Shanks seinen Auftrag los sein. Nun hat Clinton gerade eine E-Mail-Affäre, komplett mit einem eigenen Mailserver im Haus. Unglaubwürdig? In der Tat, von einer Agentur herbeigeschrieben von Journalisten, die MX-Records nicht lesen können. Aber was soll's, es reicht ja zum Abschreiben von Schreibfehlern wie Eric Hoteham und der Spekulation "möglicherweise ein Pseudonym", in der Realität aber eine falsch abgeschriebene Whois-Abfrage. Das passt zum Weltfrauentag, äh internationalen Frauentag, der am "Samstag, den 8. März", stattfinden soll.

*** Gegen eine Zahlung von 5000 Euro an den Kinderschutzbund ist das Verfahren gegen den Ex-Politiker Sebastian Edathy eingestellt worden. Das ist schade, denn auf diese Weise wird die abenteuerliche Vorverurteilung mit dem Logdatenbeweis nicht von einem Gericht gewürdigt. Auch wäre eine Klärung ganz schick, wieso Edathys Laptop immer noch verschwunden ist, obwohl das wunderbare Findewerkzeug Computrace auf ihm installiert ist, wie auf allen Abgeordneten-Laptops. Hatte Edathy etwa Linux installiert? Hat der kanadische Geheimdienst Zugriff auf den kanadischen Hersteller, zumal Kanada auch Schauplatz des Verfahrens gegen Azov Films ist, in dem Edathys Ankäufe entdeckt wurden. Ich wäre so gerne ein richtiger Verschwörungstheoretiker geworden, doch nun muss ich Journalist bleiben.

Was wird.

Wirklich große Ereignisse werfen ihren Schatten voraus. Seit Jahren wird um die Apple Watch gerüchtet, nun ist es am Montag soweit, eine neue Zeit beginnt. Die Uhr, mit der das Schlafzimmer erobert werden soll, wird vorgestellt. Dabei darf eigentlich keiner mehr schlafen, denn Apple drückt angeblich kräftig aufs Gaspedal eines iMobils, vom iJetpack ganz zu schweigen. Think different!

Waren es nun sechs oder fünf Wasserhähne, die im Neubau des BND abgeschraubt wurden? Das Anzapfen einer Wasserleitung beim Projekt "Austrittskanal" war jedenfalls erfolgreicher als das Projekt Eikonal, mit dem EADS ausgespäht werden sollte. Doch schauen wir in die Zukunft, denn es gibt gute Nachrichten: Für 5000 Druckseiten in den Jahren 2016 und 2017 werden grüne Bäume ihr Leben lassen müssen, damit die braune Vergangenheit des BND so ordentlich dokumentiert ist wie die Schatten der Vergangenheit über der stark angebräunten Geschichte des Bundeskriminalamtes.

Und wieder zurück: Tja, und nur ein paar Jahre später ist aus der selbstbewussten Entscheiderin eine blaue Tippse geworden.

Schatten, Schatten über Alles, über Alles in der Welt: Glaubt man dem Spiegel, so steht eine deutsche "Lösung" bei der Vorratsdatenspeicherung bevor, sogar ein "Alleingang für die systematische Speicherung von Telefon- und Internetdaten", weil sich auf europäischer Ebene nichts tut. Man will ein Gesetz "hinbekommen", dass den gerichtlichen Auflagen entspreche und ein Muster für ganz Europa sein könne. Am anlasslosen deutschen Speicherwesen soll die Schengen-Welt genesen. Na, ob das die Netz-Taliban so einfach durchgehen lassen? Auf dem nächsten Polizeikongress könnte der neue BKA-Chef Holger Münch als Grinsekater auftreten. Schließlich ist es ja ein Grüner, nur echt mit einem ordentlich aufgeführten Eiertänzchen. Ganz nebenbei könnte man sich der Frage widmen, wie es eigentlich um die grundrechtsschonende Alternative zur Quellen-TKÜ bestellt ist, zu der die Firma ESG mit dem Projekt "tGATT 2.0" Forschungen betreibt, wie von den eTalibanen berichtet. Denn große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, wenn die Sonne tief steht und die Eule losfliegt. (jk)