Persönlicher Nahverkehr

Am Flughafen Heathrow soll noch in diesem Jahr ein Netzwerk aus automatisierten Elektrofahrzeugen installiert werden.

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Von
  • Kevin Bullis

Ein neuartiges Transportsystem, bei dem Autos durch ein Netzwerk aus automatisierten Elektrofahrzeugen ersetzt werden, steht kurz vor ersten Großversuchen. Zwei dieser so genannten "Personal Rapid Transit"-Systeme (PRT) werden noch in diesem Jahr installiert – eines am Flughafen Heathrow in London, ein weiteres in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo es zum Haupttransportmittel in der Öko-Stadt Masdar City werden soll, in der 50.000 Menschen und 1500 Firmen ein klimafreundliches Leben führen werden.

PRT-Systeme sollen die Bequemlichkeit und Privatsphäre von Autos mit den Umweltvorteilen von Massentransportmitteln kombinieren. Automatisierte elektrische Fahrzeuge, Pods genannt, werden dabei so gestaltet, dass sie zwischen vier und sechs Personen aufnehmen können. Sie warten an Stationen innerhalb einer Stadt oder einer Region, wie man es von Taxis an Taxiständen kennt. Eine Person oder eine Gruppe betritt den Pod, wählt das Ziel aus und das Fahrzeug fährt direkt und ohne Umwege dorthin.

Das Konzept ist nicht neu – die Grundidee kam schon vor vielen Jahren auf. Aus verschiedenen Gründen konnte sie sich allerdings bislang nicht durchsetzen. Dazu gehörten die Kosten für den Aufbau und die Schwierigkeit, die Technologie in eine bestehende städtische Infrastruktur zu integrieren. Eine Anzahl kleinerer Systeme wurde zwar installiert und eine Anlage, die dem PRT-Konzept ähnelt, läuft im amerikanischen Morgantown seit den Siebzigerjahren. Doch die Systeme in Heathrow und den Emiraten sind die ersten "echten" PRTs, die sich dem Publikum öffnen.

Obwohl sich die Systeme vom Aufbau her unterscheiden, bestehen sie doch zumeist aus einem Netzwerk an Stationen, die an Schleifen liegen, und durch einen Haupt-Fahrweg miteinander verbunden sind. Große Netzwerke können viele solcher miteinander verbundener Schleifen enthalten. Verlässt ein Fahrzeug eine Station, fährt es entlang einer Auffahrspur, bis es die Hauptschleife erreicht. Beim Erreichen des Ziels zweigt der Pod über eine Abfahrt wiederum von der Hauptroute ab. Diese Routenführung erlaubt es einzelnen Fahrzeugen, an einer Station zu halten, während andere Fahrzeuge mit voller Geschwindigkeit über die Hauptroute rollen. Deshalb ist die Technik schneller als ein Bussystem, wo oft gehalten werden muss. Simulationen legen nahe, dass ein solches System mit einem Abstand von weniger als einer halben Sekunde zwischen den Fahrzeugen betrieben werden könnte. Die ersten Systeme wie das in Masdar City sind nun etwas langsamer: Sie halten die Fahrzeuge drei bis vier Sekunden voneinander getrennt. Das reicht aus, um noch zu bremsen, sollte einer der Pods plötzlich stoppen. Ein Zentralcomputer steuert dabei den gesamten Verkehr.

Sowohl in Heathrow als auch in Masdar City werden die Fahrzeuge batteriebetriebene, fahrerlose Autos sein. Das System in London, das von der Firma Advanced Transport Systems in Bristol gebaut wird, verwendet Wagen, die mit Bleibatterien betrieben werden. Sie werden entlang einer Betonspur geführt und von Lasern gesteuert, erläutert Steve Raney, Berater bei der Firma. Für Masdar City hat die niederländische Firma 2getthere Fahrzeuge hergestellt, die mit fortschrittlicheren Lithium-Eisenphosphat-Batterien arbeiten. Dort fahren die Pods auf einer Fahrbahn, in der alle fünf Meter Magneten stecken, die das Fahrzeug zur Navigation nutzt. Daneben werden auch Informationen wie die Reifenstellung und die Geschwindigkeit zum Auffinden der Position genutzt, erläutert 2getthere-Marketingmanager Robert Lohmann. Wenn eine Person ein Ziel wählt, ermittelt der Zentralcomputer den besten Weg für das Fahrzeug und die Bordelektronik stellt dann sicher, dass sich der Pod auch daran hält. (Ein ähnliches System wird derzeit für automatische Fahrzeuge in Lagerhäusern verwendet.)

Das bislang größte PRT-ähnliche Projekt läuft wie erwähnt im amerikanischen Morgantown. Dort sind die Fahrzeuge allerdings größer: Sie können rund 20 Personen aufnehmen. Zu Stoßzeiten fahren sie zudem nach einem Fahrplan, wie man dies von konventionellen Verkehrssystemen her kennt. Jerry Schneider, emeritierter Professor für Stadtplanung an der University of Washington, räumt ein, dass die Technik in Morgantown, die anfangs oft versagte, dabei geholfen haben könnte, PRT-Systemen einen schlechten Ruf zu geben: "Die Leute wollten eines der Fahrzeuge benutzen und es hielt dann einfach nicht an. Die Presse hat sich darüber lustig gemacht. Es gab eine Zeit, da wollte man die gesamte Anlage wieder abbauen oder in Strecke in die Luft sprengen."

Nach den anfänglichen Problemen arbeite das System nun allerdings gut – es transportiere noch immer die Studenten der University of West Virginia. Zudem habe sich die Technologie seither weiterentwickelt – beispielsweise sind kleine Computer längst leistungsstärker als der riesige Mainframe-Rechner, der für Morgantown entwickelt wurde. Einige neue PRT-Fahrzeuge wurden bereits auf kleineren Strecken überprüft. Diese Demonstrationsanlagen reichten allerdings nicht aus, Gemeindeführer zu überzeugen. Risikobereite Investoren fehlten. "Die Simulationen funktionieren. Doch bevor man nicht Wagen in die reale Welt hinausschickt, kann man nie genau sagen, ob das alles wie gewünscht funktioniert."

Die Heathrow- und Masdar-Projekte könnten nun zu Leuchttürmen werden, um der Technologie Auftrieb zu geben. Allerdings seien sie immer noch Spezialfälle innerhalb einer kontrollierten Umgebung, sagt Luca Guala, Planer bei Systematica, einer Firma, die das Layout des PRT-Systems in Masdar City erstellt. In beiden Fällen seien beispielsweise keine Autos zugelassen, es gebe also keinen Wettbewerb zwischen der Verkehrsträgern. Beim Masdar-Projekt wurden sogar die Gebäude so verändert, dass das System hineinpasst. Die Herausforderung, ein PRT-System in eine bestehende Stadtinfrastruktur zu integrieren, dürfte daher wesentlich größer sein. Guala glaubt aber, dass die Projekte in Heathrow und Masdar dabei helfen werden, die Kosten zu senken – schließlich kann man nun endlich ausreichend Erfahrung sammeln. (bsc)