Rechnerparks zu „Grün“-Anlagen?

Der Netzwerkausrüster Cisco will mit einer "Green IT"-Strategie einen großen Schwachpunkt der IT-Infrastruktur angehen: Netzwerke und Datenzentren. Zugleich sollen sie endlich dazu beitragen, die CO2-Emissionen von Verkehr und Städten zu reduzieren.

vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Niels Boeing
Inhaltsverzeichnis

Gäbe es eine Wahl zur Farbe des Jahres, würde die Entscheidung 2007 nicht schwer fallen: grün. So viel Beschwörung von Umweltverträglichkeit, Ressourcen- und Energieeffizienz gab es schon lange nicht mehr wie in den vergangenen Monaten. Da möchte auch die IT-Industrie nicht abseits stehen: Nachdem Apple-Chef Steve Jobs vor einigen Tagen „A greener Apple“ ankündigte, wirft sich nun auch Cisco in die Bresche. Mit einer eigenen „Green IT“-Strategie will der Netzwerkausrüster eine der größten ökologischen Schwachstellen der heutigen Rechner-Infrastruktur angehen: die Rechnerparks von Unternehmen. Gleichzeitig sollen die künftig einen Beitrag zur Vermeidung anderer CO2-Emissionen leisten.

Ein Umdenken ist mehr als nötig: Nach einer aktuellen Studie der Stanford-Universität hat sich der Stromverbrauch der weltweit installierten IT-Infrastruktur seit 2000 – damals jährlich rund 60 Terawattstunden – verdoppelt. In Rechenzentren nimmt er derzeit jährlich um sieben Prozent zu. Das kommt die Betreiber immer teurer zu stehen: „27 Prozent der Kosten in einem Rechenzentrum sind bereits Energiekosten, sie sind nach Personal der zweitgrößte Kostenblock“, sagt Michael Ganser, Geschäftsführer von Cisco Deutschland.

In einem White Paper hat Cisco die Ineffizienz weiter aufgeschlüsselt. In einem typischen Datenzentrum mit 1800 Servern, das etwa 5 Megawatt Leistung zieht und damit 30.000 Tonnen CO2 im Jahr emittiert, verbrauchen Server und Speicher ein Viertel des Stroms, das Netzwerk selbst immerhin zehn Prozent. Andererseits ist die Auslastung der Geräte viel zu niedrig: Bei Speichern beträgt sie 30 Prozent, bei Servern gar nur 15 Prozent.

Die Lösung sieht Cisco in einer effizienteren Netzwerk-Architektur, die auf eine konsequente Virtualisierung von Netzwerkeinheiten setzt. „Bei Auslastungsraten von 70 Prozent bei Servern und Speichern kann man mit einem Viertel der derzeitigen Serverkapazität und der Hälfte der Speicherkapazität auskommen“, heißt es in dem Papier. Insgesamt soll damit eine „dramatische Reduzierung“ des Stromverbrauchs um bis zu 85 Prozent möglich werden. Ein konkretes Geschäftsmodell für eine „grüne IT“ gebe es aber noch nicht, sagt Michael Ganser. Das Marktforschungsunternehmen Forrester prognostiziert im kürzlichen erschienen Report „The Greening of IT“ allerdings: „Strategien, um Energiekosten zu reduzieren und Umweltrahmenkonzepte zu integrieren, werden 2010 selbstverständlich sein.“

Cisco will außerdem einen ökologischen Ladenhüter reaktivieren, der seit Jahren beschworen wird: Videokonferenzen als Ersatz für Geschäftsreisen. Immerhin fängt der Konzern damit bei sich selbst an, denn seine über den Globus verteilten Mitarbeiter legen derzeit rund eine Milliarde Flugmeilen pro Jahr zurück. Das entspricht nach Angaben des Unternehmens etwa zwei Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Mit dem Einsatz von Cisco TelePresence könnten diese laut Ganser um 20 Prozent reduziert werden. Dafür investiere Cisco 33 Millionen Dollar. Außerdem werde in Modellprojekten mit den Städten Amsterdam, San Francisco und Seoul untersucht, wie urbane Ballungsräume durch eine intelligente IT-Infrastruktur ihre CO2-Emissionen deutlich senken könnten.

Für seine neue Strategie erntet der Netzwerkriese verhaltenes Lob: „Die Lösungen von Cisco für eine grüne IT sind ein richtiger Weg in Richtung Nachhaltigkeit“, urteilt Joachim Lohse, Geschäftsführer des Öko-Instituts. Sie könnten zum „Modellfall“ für einen umfassenderen ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft werden.

Rechnerparks von Unternehmen sind allerdings nur ein Teil des Umweltproblems Informationstechnik. Eine Studie der Energy-Efficient Ethernet Study Group (EEE) hatte im Januar festgestellt, dass auch in den IT-Geräten von Privathaushalten kräftig Energie verschleudert wird. Dort würden rund um die Uhr angeschlossene Breitbandmodems, Settop-Boxen und Netzwerkdrucker allein in den USA Strom im Wert von 200 Millionen Dollar ungenutzt lassen, der über leer laufende Ethernet-Schnittstellen verpufft.