„Flüssige Biokraftstoffe sind nicht klimafreundlich“

Der Wissenschaftler und Unternehmensberater Renton Righelato im TR-Interview über die Folgen des Biosprit-Booms und falsche politische Vorgaben.

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Renton Righelato ist freier Unternehmensberater, Gastforscher an der Universität Reading und Vorsitzender des Kuratoriums der britischen Umweltschutzorganisation World Land Trust. Gemeinsam mit Dominick Spracklen von der Universität Leeds hat er in einem Science-Artikel (Vol. 317, Nr. 5840, Seite 902) vor der Überschätzung von Biokraftstoffen gewarnt. Im TR-Interview spricht Renton Righelato über die Folgen des Biosprit-Booms und falsche politische Vorgaben

TR: Sie haben die Auswirkungen von Biokraftstoffen auf das Klima untersucht. Wie sind Sie vorgegangen?

Renton Righelato: Als Ausgangspunkt haben wird berechnet, welche Treibhausgas-Emissionen vermieden werden können, wenn man statt fossiler Brennstoffe Ethanol aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben beziehungsweise Biodiesel aus Raps verwendet. Dem haben wir dann zwei Szenarien gegenübergestellt. Erstens: Wieviel Kohlendioxid würde vermieden werden, wenn man die Fläche nicht landwirtschaftlich genutzt, sondern aufgeforstet hätte. Zweitens: Wie sieht die Situation aus, wenn Waldgebiete gerodet wurden, um landwirtschaftliche Flächen für die Produktion von Biokraftstoffen zu schaffen?

TR: Was waren Ihre Ergebnisse?

Righelato: Bei der Rodung ist die Menge des freigesetzten Kohlendioxids so hoch, dass es 50, 100 oder 150 Jahre dauern kann, bis diese Menge durch die so erzeugten Biokraftstoffe wieder eingespart worden ist. Doch auch bei schon bestehenden landwirtschaftlichen Flächen war die durch Biokraftstoffe vermiedene Kohlendioxidmenge geringer als die, die durch Pflanzenwachstum gebunden worden wäre, hätte man diese Fläche wieder aufgeforstet.

TR: Ist es denn überhaupt geklärt, welche Mengen an Treibhausgasen Wälder unter welchen Bedingungen aufnehmen? Es gibt Studien, die besagen, dass das Wiederaufforsten in höheren Breitengraden aus Klimasicht kontraproduktiv sei, und dass bei höheren Temperaturen in Regenwäldern mehr Methan durch die Zersetzungsprozesse entsteht, als Kohlendioxid gebunden wird.

Righelato: Das trifft es nicht ganz. Es gibt Vermutungen, dass Wälder der höheren Breitengrade durch Strahlungsabsorption zu einer Netto-Temperaturerhöhung führen. Die Annahme, dass die tropischen Regenwälder mehr Methan freisetzen, als sie an Treibhausgasen absorbieren, hat sich nicht belegen lassen. Die Methanmengen scheinen, wenn überhaupt, im Vergleich zum gespeicherten Kohlendioxid gering zu sein.

TR: Kann man also pauschal sagen, dass Wälder mehr Treibhausgase speichern als sie aufnehmen?

Righelato: Wenn man Land aufforstet, das zuvor nicht bewaldet war, kommt es zu einer deutlichen Netto-Speicherung von Kohlendioxid. Wenn der Wald in den Tropen gerodet wird, wobei Laub, Äste und auch ein Großteil des Holzes verbrannt werden, kommt es unmittelbar zur Freisetzung größeren Mengen von Kohlendioxid. Aber sie haben Recht: Es gibt Unsicherheiten in Bezug auf die Menge des von bestehenden Wäldern gespeicherten Kohlenstoffs. Diese Mengen sind je nach Zeitpunkt und Alter des Waldes unterschiedlich hoch. Es gibt jedoch keinen Zweifel, dass die Aufforstung landwirtschaftlich genutzten Landes zu einer deutlichen Nettozunahme an gespeichertem Kohlenstoff führt.

TR: Sie haben nur Bioethanol und Biodiesel berücksichtigt. Wie sieht es mit Biokraftstoffen der nächsten Generation aus, die aus der gesamten Pflanze oder aus organischem Abfall gewonnen werden?

Righelato: Unser Verständnis dieser Technologien ist noch gering, da sie sich zurzeit noch in der Entwicklung befinden. Wir weisen jedoch in der Untersuchung darauf hin, dass sie sich durchaus als nützlich beziehungsweise weniger problematisch erweisen könnten. Zum einen sind die Kohlenstofferträge höher, womit auch das Potenzial an vermeidbaren Emissionen höher ist; zum anderen könnte es möglich sein, Kohlenstoff aus bestehenden Wäldern zu gewinnen, ohne den Bestand zu gefährden, dass heißt, indem man den größeren Teil der Bäume stehen lässt und auch den Kohlenstoffvorrat des Bodens nicht angreift. Dadurch wären auch die anderen biologischen Funktionen des Waldes gewährleistet – Biodiversität, Schutz gegen Desertifikation und Bodenauslaugung und so weiter. Dies ist zurzeit allerdings noch hoch spekulativ.

TR: Wäre diese Form der Waldbewirtschaftung nicht viel zu aufwendig für Massenprodukte wie Benzin und Diesel?

Righelato: Das hängt von der Entwicklung von Erntemethoden ab, die den Wald als Ganzes nicht zerstören. Ich weiß nicht, ob das wirklich wesentlich aufwendiger wäre als die Produktion von Zuckerrüben oder Zuckerrohr. Aber das ist zurzeit noch spekulativ, wir sagen nicht, dass es gemacht werden kann, wir behaupten aber auch nicht das Gegenteil. Wir glauben jedoch, dass es als Möglichkeit in Betracht gezogen werden sollte. Wir sollten auf der Suche nach Methoden sein, nachhaltig aus Wäldern zu ernten, so wie manche Nutzholzarten schon jetzt nachhaltig dem Wald entnommen werden.

TR: Gelten Ihre Erkenntnisse auch für Wälder in Mittel- oder gar Nordeuropa?

Righelato: Wir haben vor allem tropische Gebiete untersucht. Ich glaube jedoch, man sollte auch darüber nachdenken, ob diese Methoden auf nördlichere Wälder angewendet werden können. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, wie dies mit der Produktion von Biokraftstoffen verbunden werden kann.

TR: Ist es notwendig, eine Zertifizierung für Biokraftstoffen zu entwickeln, um sicherzustellen, dass sie auf eine klima- und umweltfreundlichere Weise hergestellt werden?

Righelato: Das wäre sehr wünschenswert. Dazu müssten die für die nachhaltige Produktion von Biokraftstoffen zugrunde gelegten Kriterien diskutiert werden. Aber dieses Thema ist noch nicht auf genau diese Weise betrachtet worden.

TR: Welche Kriterien müssten in ein solches Zertifikat einfließen?

Righelato: Meines Erachtens sollte der Anbau von Biokraftstoffen zumindest genauso gut sein wie die Wiederaufforstung einer vergleichbaren Fläche.

TR: Gibt es schon Biokraftstoffe auf dem Markt, die diese Ziele erreichen?

Righelato: Nicht, dass ich wüsste. Die wichtigsten flüssigen Biokraftstoffe, die wir kennen, sind nicht klimafreundlich. Es gibt geringe Anteile an Kraftstoffen, die aus organischen Abfällen gewonnen werden, und Methan, das auch aus organischen Abfällen stammt, von diesen Stoffen nehme ich an, dass sie klimaeffizient sind. Das sind jedoch im Vergleich zur Treibstoffmenge, die von den Transportmitteln der Welt benötigt wird, nur sehr geringe Mengen.

TR: Die EU hat festgelegt, dass der Anteil von Bioethanol und Biodiesel bis zum Jahr 2010 auf 5,75 Prozent der gesamten Kraftstoffmenge steigen soll. Halten Sie das für einen Schritt in die falsche Richtung?

Righelato: Ja. In Hinsicht auf die Verminderung des Kohlendioxydausstoßes wäre es effektiver, landwirtschaftlicher Flächen, die wir nicht für die Produktion von Lebensmitteln benötigen, wieder aufzuforsten. Das größte Problem, das ich bei der Einstellung der EU zu Biokraftstoffen sehe, ist jedoch die Tatsache, dass sie den Import von Kraftstoffen aus Gebieten außerhalb der EU, aus südlichen Ländern, fördert. Um nämlich die weiteren Ziele zu erreichen – Ziele, die über die genannten 5,75 Prozent im Jahr 2010 hinausgehen – wäre es notwendig, aus Gebieten außerhalb Europas zu importieren. Das wiederum wird vermutlich zu weiteren Waldrodungen insbesondere in tropischen Ländern führen. In einigen Stellungnahmen der EU wird jedoch deutlich, dass dieses Problem schon erkannt worden ist.

TR: Was halten Sie für den geeignetesten Einsatz in von Biokraftstoffen in der Zukunft?

Righelato: Unserer Meinung nach lenkt der Einsatz von Biokraftstoffen von dem Hauptziel ab, das wir verfolgen sollten: der Entwicklung von kohlenstofffreien Treibstoffen zu Transportzwecken. Biokraftstoffe können niemals das größte Problem lösen – den Ausstoß von Kohlenstoff bei der Nutzung von Kraftstoffen zu Transportzwecken. Dafür haben wir einfach nicht genug Land. Wir können vielleicht 5, 10 oder 15 Prozent unserer flüssigen Treibstoffe durch Biokraftstoffe ersetzen, mit ihnen können wir aber nicht das gesteckte Ziel erreichen, unseren jetzigen Ausstoß an Kohlenstoff innerhalb der nächsten 30 Jahre um zwei Drittel zu reduzieren. Das jetzige Interesse an Biokraftstoffen ist meines Erachtens nach lediglich eine einfache, aber kurzfristige und eher symbolische Methode, den Kohlendioxidausstoß geringfügig zu reduzieren. Es besteht die Gefahr, dass dadurch die Aufmerksamkeit der Regierungen und der Wissenschaftler von dem viel wichtigeren Ziel der kohlenstoff-freien Treibstoffe abgelenkt wird. (wst)