Fusion AOL/Time Warner weiter unter Beschuss
Bei einem Hearing vor dem US-Repräsentantenhaus äußerten Vertreter von Disney, Instant-Messaging-Anbietern, Internet-Providern und Elektronik-Händlern schwere Bedenken gegen den Zusammenschluss von AOL und Time Warner.
Die Wettbewerbshüter der EU konnten AOL und Time Warner durch den vorläufigen Verzicht auf die Zusammenlegung der Warner Music Group und EMI wohl günstig stimmen: Es wird keine Einspruch der EU-Kommission gegen die Mega-Fusion des weltgrößten Online-Dienstes mit dem Mediengiganten erwartet. In den USA, wo sich die Bedenken schon seit einigen Monaten mehr auf die Stellung von AOL/Time Warner bei den TV-Kabelnetzen, interaktivem Fernsehen und schnellen Internet-Zugängen konzentrieren, scheint sich die Situation für die beiden Unternehmen aber noch nicht zu entspannen.
Im zweiten Teil eines Hearings vor dem Telekommunikations-Subkomitee des Wirtschaftsausschusses im US-Repräsentantenhaus äußersten nun wieder Kritiker der geplanten Fusion schwere Bedenken. Ende September hatte das Komitee in einer ersten Sitzung zuvor Steve Case von AOL und Gerald Levin von Time Warner angehört, die die Zusammenlegung der beiden Unternehmen natürlich verteidigten und einen gleichberechtigten Zugang zum TV-Kabel für alle Konkurrenten versprachen.
Louis Meisinger, Anwalt von Disney, warf AOL/Time Warner vor, sie wollten den Bereich des interaktiven TV für sich monopolisieren. Schon in der Vergangenheit hatte sich Disney als schärfster Kritiker der Fusion profiliert, da der Konzern um die Verbreitung seiner Programme über die US-amerikanischen TV-Kabelnetze fürchtet. Time Warner ist im Besitz eines der größten TV-Kabelnetze in den USA und plant, dies zusammen mit AOL weiter für interaktives TV und schnelle Internet-Zugänge auszubauen. AOL und Time Warner hatten bereits zugesagt, anderen Medienkonzernen und Internet-Providern einen diskriminierungsfreien Zugang zum Kabelnetz zu bieten; dies war aber angesichts vorgeschlagener Vertragsbedingungen etwa durch Internet-Provider bereits in Zweifel gezogen worden. Die Federal Communications Commission, die die Fusion offiziell nicht genehmigen muss, aber bereits Anhörungen dazu veranstaltet hat, will wahrscheinlich bis zum 12. Oktober, spätestens aber bis zum Ende des Monats eine Empfehlung aussprechen.
Ein Komitee-Mitglied der Demokraten kommentierte die Äußerungen von Meisinger, es sei eigentlich kurios, dass ein so riesiger Konzern wie Disney über die geplante Fusion so besorgt sei. Es sei aber ein eine beängstigende Aussicht, dass selbst die Inhalte einer so großen Firma wie Disney vom Markt ausgesperrt werden könnten, meinte Meisinger. Auch kleinere Firmen äußerten während des Hearings Bedenken: So bezweifelte die Chefin des Instant-Messaging-Anbieters iCast die Äußerungen von AOL, seinen eigenen Instant-Messaging-Dienst öffnen zu wollen. In diesem Markt favorisierten die Götter Goliath gegenüber David, meinte sie, und nichts deute darauf hin, dass AOL seine Haltung im Instant-Messenger-Krieg ändern werde. Manager von Internet-Provider forderten, Time Warner und andere Kabelgesellschaften sollten auf die gleichen Bedingungen für freien Zugang zum Kabelnetz verpflichtet werden wie dies bei den Telefonnetzen geschehen sei.
Auch ein neuer Aspekt tauchte in dem Hearing auf: Ein Vertreter der US-amerikanischen Elektronikhändler forderte, die US-Regierung solle Maßnahmen ergreifen, um den Markt für Settop-Boxen zu öffnen. Momentan würden die Kabelgesellschaften diesen Bereich monopolisieren, indem sie die Boxen selbst im Zusammenhang mit einem Dienstleistungsvertrag verkauften oder vermieteten. Ein Konzern wie AOL/Time Warner könnte auch in diesem Bereich eine nahezu marktbeherrschende Stellung einnehmen – zumal AOL selbst schon Settop-Boxen anbietet, um seinen Online-Dienst und AOLTV über den Fernseher in US-amerikanische Wohnstuben zu bringen.
Das US-Repräsentantenhaus wird sich allerdings in die Fusion von AOL und Time Warner nicht einmischen: Eine formale Entscheidung ist nicht vorgesehen. Von daher haben die Hearings vor dem Ausschuss offiziell nur geringe Bedeutung. Allerdings dürften die Anhörungen von der FCC und der Federal Trade Commission (FTC), die letztendlich über die Genehmigung der Fusion zu entscheiden hat, aufmerksam beobachtet worden sein. Die Bedenken im Repräsentantenhaus gegen eine Regulierung sind aber gravierend: Da der Markt für interaktives TV und Internet-Zugang per TV sich erst entwickle, müsse man mit Eingriffen sehr vorsichtig sein. Einer Regulierung des TV-Kabelnetzes vergleichbar zu den Telefonnetzen stehen die meisten US-Parlamentarier ablehnend gegenüber. (jk)