Forscher: Selbstfahrende Autos bringen Verkehrslawine

Mit selbstfahrenden Autos könnte zwar der Energieverbrauch je Kilometer sinken. Dafür dürfte die Verkehrsmenge ansteigen. Das erwarten praktisch alle Forscher. Bei den konkreten Prophezeiungen liegen sie aber weit auseinander.

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Verkehrsstau

Sie stehen nicht im Stau, sie bilden ihn. 

(Bild: Ted Kerwin CC-BY 2.0)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Wie wirkt es sich aus, wenn selbstfahrende Autos serienreif werden? Dieser Frage sind schon viele Forscher nachgegangen. Regina Clewlow und Osman Yagci von der University of California Davis einschlägige Untersuchungen für eine Metastudie ausgewertet. Das Ergebnis hat Clewlow auf dem Jahrestreffen des Transportation Research Board in Washington, DC, präsentiert. Alle Studien sagen einen Anstieg der Fahrleistung für den Personentransport voraus.

Das Interesse an Clewlows Präsentation war groß.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Sollte die Ortsveränderung mit selbstfahrenden Autos billiger werden, insbesondere wenn sie via Carsharing geteilt werden, wäre das wohl ein Anreiz für zusätzliches Fahren. Die defensivste Studie erwartet ein Plus von vier Prozent, die offensivste Studie gar von 156 Prozent. Außerdem wären dann viele Menschen, die derzeit gar nicht oder nur wenig fahren (können), mobil: Kinder, Menschen mit Behinderungen, Senioren, sowie solche ohne Führerschein. Das könnte einen Verkehrszuwachs von bis zu 40 Prozent bringen.

Die einfachere und bequemere Fortbewegung könnte auch die Zersiedelung antreiben. Die längeren Wege könnten bis zu 50 Prozent mehr Fahrleistung nach sich ziehen. Und die Fahrzeuge eines Carsharing-Pools würden sich, wenn sie gerade keine Fahrgäste haben, in Gebiete mit höherer Nachfrage begeben. Das könnte ein Mehr von fünf bis elf Prozent bedeuten.

2010 soll es in der Präfektur Tokio diesen leeren Parkplatz gegeben haben.

(Bild: Antonio Silveira CC-BY 2.0 )

Weil man dann beim Autofahren wahrscheinlich ganz andere Dinge tun kann, könnten die Menschen es als weniger mühsam empfinden. Wieviel Verkehrszuwachs das nach sich zieht, ist offenbar unerforscht. Gleiches gilt für einen möglicherweise starken Zuwachs von Lieferdiensten. Anstatt einkaufen zu gehen, lassen wir uns morgen vielleicht alles von Roboterautos liefern.

Immer wieder erwähnt wird der umweltschonende Effekt das effizienten Selbstparkens von Autos, bei dem der Parksuchverkehr wegfällt. Das soll aber nur bis zu vier Prozent der gesamten Fahrleistung einsparen. So wird das Kraut nicht fett.

Andererseits könnte der Energieverbrauch je Kilometer zurückgehen. Das bessere Fahrverhalten der Roboter soll vier bis 30 Prozent Energie sparen. Das Platooning, bei dem mehrere vernetzte Fahrzeug in engem Abstand fahren um die Aerodynamik zu verbessern, zehn bis 20 Prozent. Einen besonders starken Effekt hätte das Carsharing, wenn es verschiedene Wagentypen anbietet. Dann könnten die Menschen eine jeweils passendere Fahrzeuggröße wählen. Das soll den Energieverbrauch um 21 bis 50 Prozent senken.

Tagungsort ist das Walter E. Washington Convention Center in Washington, DC.

(Bild: Events DC )

Sollten die selbstfahrenden Vehikel, wie erwartet, weniger Unfälle haben, könnten sie leichter gebaut werden. Das brächte fünf bis 14 Prozent Ersparnis. Weniger Unfälle hieße auch weniger Staus; dazu kommt ein besseres Routing vernetzter Fahrzeuge, was ebenfalls Staus reduzieren soll. Durch die flüssigere Fahrt, glauben Forscher, seien vier bis 25 Prozent zu holen.

Eine bessere Sicherheitsbilanz würde allerdings auch höhere Geschwindigkeiten erlauben. Das würde den Energieverbrauch wieder erhöhen, nämlich um vier bis 30 Prozent.

Mehrere Studien gehen davon aus , dass mit dem Umstieg zu selbstfahrendem Carsharing auch ein Umstieg auf alternative Antriebsformen, insbesondere Elektromobile, kommen wird. Denn, so die Argumentation, wenn sich die Fahrzeuge selbst aufladen, falle die Angst vor der leeren Batterie weg.

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Außerdem treten beim Carsharing die Anschaffungskosten gegenüber den laufenden Kosten in den Hintergrund. Und die hohen Anschaffungskosten von E-Autos sind bisher ein großes Hindernis. Darüber hinaus werden geteilte Fahrzeuge deutlich mehr gefahren als private "Stehzeuge". Das heißt, Carsharing-Autos müssen öfter durch Neuwagen ersetzt werden, was jeweils eine Möglichkeit zum Umstieg auf neue Technologien eröffnet.

Clewlow wirkte nicht überzeugt vom Boom der Elektrofahrzeuge: "Diese Studien treffen sehr viele Annahmen." Und: "Wir wissen wenig über die möglichen Entscheidungen von Betreibern großer Fahrzeugflotten." Sie warnt vor einem starken Anstieg der Verkehrsmenge dort, wo es keinen guten öffentlichen Personennahverkehr gibt.

Verkehrsforscher, Behördenmitarbeiter und Branchenmitglieder haben sich am Sonntag in der US-Hauptstadt zum 95. Jahrestreffen des Transportation Research Board (TRB) eingefunden. Das TRB ist eine Abteilung des Nationalen Forschungsrates (National Research Council), welcher den US-Präsidenten berät. Das Jahrestreffen des TRB ist ein Mammut-Ereignis mit über 800 Sitzungen. Dabei stehen bis Donnerstag mehr als 5000 Präsentationen zu Verkehrsthemen auf dem Programm. (ds)