USA: Neue Initiativen gegen DRM-Umgehungsverbot

In Washington kursieren derzeit mehrere Gesetzentwürfe für eine Copyrightreform. Verbraucherschützer, Blinde und andere fordern nun, das Verbot der DRM-Umgehung komplett aufzuheben. Illegale Kopien blieben trotzdem illegal.

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Hauptgebäude des US Congress

Das Immterialgüterrecht ist eine ewige Baustelle.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Seit dem Jahr 2000 ist es in den USA verboten, technischen Kopierschutz zu umgehen. Das gilt selbst dann, wenn der Zweck völlig legal ist und nicht erreicht werden kann, ohne den Kopierschutz zu umgehen. Weil immer mehr Geräte Software enthalten, werden die Schwierigkeiten immer größer. Am Donnerstag forderten Betroffene am Capitol in Washington, DC, eine Gesetzesnovelle. Hashtag: #1201Reform. 1201 ist jener Paragraph des Digital Millennium Copyright Act (DMCA), der die Kopierschutz-Umgehung verbietet.

IFixt-CEO Kyle Wiens sowie Kerry Maeve Sheehan, Juristin bei Public Knowledge

(Bild: Daniel AJ Sokolov )

Zu den Aufrufenden gehören unter anderen der US-Blindenverband, der Bibliothekarverband, unabhängige Filmemacher, der Reparaturführer iFixit, die Electronic Frontier Foundation (EFF) und Verbraucherschützer wie Public Knowledge. Sie machen auf die zahlreichen Probleme aufmerksam. "Das DRM (Digital Restriction Management) in den E-Books schließt den Zugriff für Screenreader aus", klagte Mark Richart vom US-Blindenverband. "Ohne Rückmeldung an den Verbraucher! Sie sitzen da und wissen nicht, was los ist." Einige Rechteinhaber hätten die Ausgabe durch Screenreader sogar als Aufführung ihres Werks betrachtet, wofür eine separate Lizenz zu bezahlen wäre.

Auch IT-Sicherheitsforschern sind oft die Hände gebunden. "Um herauszufinden, ob eine bestimmte DVD ihren Computer (mit Malware) infizieren könnte, müssen Sie die DVD-Verschlüsselung brechen", berichtete Corynne McSherry, Chefjuristin bei der EFF. "Securityforscher veröffentlichen ihre Ergebnisse oft nicht, aus Angst, Schwierigkeiten zu bekommen." Filmregisseur Gordon Quinn verlieh seiner Frustration Ausdruck: Um sein Recht auf Verwendung kurzer Filmausschnitte auch ausüben zu können, "müssen wir oft die Verschlüsselung von Streaming, DVD oder Blu-ray knacken", denn Fernsehsender bestehen auf HD-Material.

"Hätten wir auf die Software in Volkswagen zugreifen dürfen, hätten wir schon vor vielen Jahren herausgefunden, wie VW manipuliert", stellte iFixit-CEO Kyle Wiens fest. Gleichermaßen hätten Bauern immer häufiger Probleme, ihre Traktoren und andere Maschinen zu reparieren, weil sie durch Software daran gehindert werden. Auch könnten Menschen ihre eigenen Implantate oft nicht beobachten und auswerten.

Wiens konnte viele Beispiele nennen. So seien bestimmte Highend-Kühlschränke von Samsung derzeit in ihrer Funktion eingeschränkt. Sie sollen auf Google Calendar zugreifen. Weil Google das API geändert hat und Samsung kein Update liefert, stehen die Kunden dumm da. Sie dürfen die verantwortliche Codezeile nicht ändern. Wiens weiter: "Bis 28. Oktober war es illegal, ein iPad zu jailbreaken, während es legal war, ein iPhone zu jailbreaken."

Der 28. Oktober war jener Tag, an dem einige Ausnahmen vom Umgehungsverbot bei Kopierschutz erteilt wuren. Denn der DMCA sieht vor, dass die Bibliothek des US-Parlaments alle drei Jahre ein obskures Verfahren durchführt, an dessen Ende der Bibliothekar solche Ausnahmen erlassen kann. Im Oktober war es wieder so weit.

Gordon Quinn, Regisseur, sowie Mark Richert von der American Foundation for the Blind

(Bild: Daniel AJ Sokolov )

Das monatelange Verfahren ist sehr aufwändig und teuer, und die Ausnahmen laufen nach spätestens drei Jahren ab. Dann beginnt der Prozess komplett neu. Rechteinhaber versuchen jedesmal, Ausnahmen zu verhindern – meistens mit Erfolg. So muss sich auch der Blindenverband alle drei Jahre neu um eine Ausnahme für E-Books und Screenreader bemühen. Seit 2000 bereits fünf Mal. "Das war für uns ein Vollbeschäftigungsprogramm." Tausende Arbeitsstunden und hunderte Anwaltsstunden gehen dafür drauf. Ohne die freiwillige Mitarbeiter von Rechtsstudenten wäre das für viele Verbände gar nicht zu schaffen.

Auch Wiens hat sich in die Verfahren eingebracht: "Wir wollten gerne mehr Ausnahmen beantragen, aber mehr konnten wir uns nicht leisten." Die Anträge müssen sehr spezifisch sein und werden, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen genehmigt. Das Kühlschrankproblem ist übrigens zu spät aufgetreten. Die Betroffenen müssen bis 2018 warten, bevor sie einen Antrag für eine Ausnahme vom Umgehungsverbot stellen dürfen. Dazu gehören auch Linux-User: Nach wie vor dürfen sie in den USA keine verschlüsselten DVDs abspielen.

Und selbst wenn eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird, hilft das vielen Menschen gar nichts. Denn sie müssten alles selbst machen. Es bleibt nämlich weiterhin illegal, Werkzeuge bereitzustellen, mit denen Kopierschutz umgangen werden kann oder auch nur dazu anzuleiten.

Die Lösung wäre einfach, erklärte Kerry Maeve Sheehan von Public Knowledge im Gespräch mit heise online: Paragraph 1201 streichen. "Das würde nichts daran ändern, dass illegale Kopien illegal sind. Aber der Zugriff für legale Vorgänge wäre dann nicht mehr illegal." Sollte das nicht durchsetzbar sein, müsse das Verfahren für Ausnahmegenehmigungen reformiert werden.

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Anträge sollen jederzeit und nicht nur alle drei Jahre gestellt werden können. Ausnahmen sollen nicht mehr automatisch enden.; vielmehr hätten die Rechteinhaber darzulegen, warum eine erteilte Genehmigung aufgehoben werden solle.

Bibliothek des US Congress, Thomas-Jefferson-Gebäude

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Und McSherry fügte hinzu: "Das Parlament soll die Ausnahmen auf Werkzeuge anwenden, nicht nur auf Menschen. Auch andere Personen als die Eigentümer sollten es legal tun dürfen. Und jeder sollte anderen beibringen dürfen, wie sie legale Dinge tun können."

Die Chancen auf Erfolg sind zur Zeit besser als in den vergangenen Jahren. Denn weil andere Interessengruppen das Copyright in jeweils ihrem Interesse verändern wollen, sind in Washington bereits mehrere Gesetzesvorschläge in Umlauf. Sollten also Copyright-Vorschriften geändert werden, wird in dem Aufwaschen vielleicht auch der Paragraph 1201 angegangen. (ds)