Patentstreit zwischen Apple und Samsung: 120-Millionen-Sieg verpufft im Nichts

Im zweiten großen US-Patentstreit mit Samsung hatte Apple 120 Millionen Dollar erstritten. Doch das war rechtswidrig, hat nun das Berufungsgericht festgestellt. Stattdessen muss Apple an Samsung zahlen.

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Handys von Samsung und Apple

Samsung hat nun alle in diesem Verfahren von Apple erhobenen Vorwürfe der Patentverletzung abgewehrt. Gleichzeitig hat sich Samsung seinerseits mit einem Vorwurf gegen Apple durchgesetzt.

(Bild: dpa, Andreas Gebert/Symbol)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

2 Milliarden US-Dollar hat Apple Anfang 2012 bei Samsung eingeklagt. Es handelt sich um den zweiten großen US-Prozess um Patente zwischen den beiden Konzernen. Im Mai 2014 entschied ein kalifornisches Bundesbezirksgericht: Samsung sollte Apple wegen Patentverletzung rund 119,5 Millionen Dollar zahlen. Doch daraus wird nichts.

Apple vs. Samsung, 2. Runde

Seit Ende März 2014 läuft der zweite Prozess zwischen Apple und Samsung. Diesmal geht es ausschließlich um angeblich verletzte Patente, Geschmacksmuster (Design-Patente) spielen keine Rolle. Apple verlangt einen Schadenersatz von 2 Milliarden US-Dollar, Samsung seinerseits möchte 7 Millionen haben.

Denn das für Patentsachen zuständige Bundesberufungsgericht (Federal Circuit) hat alle Entscheidungen des Bundesbezirksgerichts, die Apple Geld zusprachen, aufgehoben. Eine erfolgreiche Gegenklage Samsungs wurde indes bestätigt. Apple wurde der Verletzung eines Samsung-Patents für schuldig befunden und muss Samsung 158.400 US-Dollar zuzüglich Verfahrenskosten überweisen. Apple könnte noch versuchen, den US Supreme Court für den Fall zu interessieren. Der nimmt aber nur ausgewählte Fälle überhaupt an.

In Apples Patent 5,946,647 geht es um die Erkennung von Strukturen in Daten durch einen Analyseserver und daraus abgeleitete Funktionen. Konkret bemängelte Apple, dass sich auf Samsungs Android-Geräten durch das Tippen auf Telefonnummern in Webseiten sowie in SMS ein Kontextmenü öffnet, in dem dann ein Telefonanruf ausgelöst werden kann. Samsung hat diese Funktion ohne Einbeziehung eines Analyseservers umgesetzt.

Jedoch spricht Apples Patent ausdrücklich von einem Server. Das Berufungsgericht hat bereits im Verfahren Apple v Motorola (Federal Circuit 2012-1548) zu exakt demselben Apple-Patent entschieden, dass der Server eine vom Client unterschiedliche Routine sein muss. Der Zugriff auf eine Softwarelibrary reicht nicht aus, weil dabei weiterhin die selbe Applikation den Library-Code ausführt. Ohne Server kann das Patent also nicht verletzt werden, was Samsung schon fast 99 Millionen US-Dollar erspart.

Patentnummer
Entscheidung der Geschworenen
US-Dollar
Urteil des Berufungsgerichts US-Dollar
5.946.647 Patent verletzt 98.690.625 Mangels Server Patent nicht verletzt 0,-
8.046.721 Patent verletzt 2.990.625 Patent ungültig (Prior Art)
0,-
8.074.172 Patent verletzt 17.943.750 Patent ungültig (Prior Art)
0,-
6.847.959 Patent nicht verletzt
0,- Bestätigt
0,-
7.761.414 Patent nicht verletzt
0,- Bestätigt
0,-
Summe: 119.625.000 0,-

Drei weitere Vorwürfe der Patentverletzung hatte Apple schon im Laufe des mehr als vier Jahre dauernden Verfahrens fallen lassen müssen.

Um "Slide to Unlock", also das Entsperren eines Gerätes durch Wischen auf dem Touchscreen, geht es in Apples Patent 8,046,721. In Deutschland hat der Bundesgerichtshof (BGH) dieses Patent für ungültig erklärt. Diese Art der Geräteentsperrung war bereits Stand der Technik (Prior Art) und daher nicht patentierbar. Der Federal Circuit ist nun zum gleichen Ergebnis gekommen.

Das selbe Schicksal hat Apples Patent 8,074,172 ereilt. Darin wurde Monopolschutz für eine Autokorrektur von Tippfehlern begehrt. Diese beiden Teilentscheidungen sparten Samsung weitere gut 20 Millionen Dollar. Von den Apple zugesprochenen 120 Millionen Dollar ist damit nichts übrig.

Zwei weitere Apple-Patente hatten bereits die Geschworenen für nicht verletzt erachtet, was der Federal Circuit nun bestätigt hat. Bei Schutzschrift 6,847,959 ging es wieder einmal um die gleichzeitige Suche am Handy und im Internet. Hier half Samsung, dass dessen Suchfunktion gar nicht online sucht, sondern nur in bereits zuvor von einem Google-Server bezogenen Daten. Und bei Patent 7,761,414 ging es um Spitzfindigkeiten bei der Synchronisation von E-Mails.

Patentnummer
Entscheidung der Geschworenen
US-Dollar
Urteil des Berufungsgerichts US-Dollar
6.226.449 Patent verletzt 158.400 bestätigt 158.400
5.579.239 Patent nicht verletzt 0,- bestätigt
0,-
Summe: 158.400 158.400

Samsung hatte sechs weitere Vorwürfe der Patentverletzung fallen lassen müssen.

Hingegen konnten sich die Koreaner mit einem Patentanspruch durchsetzen: Patent 6,226,449 dreht sich um (De)Kompressoren für Bilder und Videos sowie um die Organisation solcher Dateien. Apple verteidigte sich damit, dass es getrennte (De)Kompressoren für Bilder einerseits und Videos andererseits verwendet. Hier wurde Apple zum Verhängnis, dass es diese Module im selben Hardwarechip verbaut hat. Laut Berufungsgericht war es daher seitens der Geschworenen vernünftig (reasonable), das als einheitlichen (De)Kompressor zu betrachten – sowohl für Bilder als auch für Videos.

Zweitens spricht das Patent von einer Liste von Bildern oder Videos. Apples Geräte zeigen die Bilder auf einer virtuellen Filmrolle. Apple wollte das nicht als "Liste" verstanden wissen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Drittens wurde die automatische Erstellung von Fotoalben auf iPhones als "Klassifizierung" von Daten eingestuft, was ebenfalls von Samsungs Patent erfasst ist.

Das Bundesberufungsgericht Federal Circuit tagt in diesem Gebäude in Washington, DC,

(Bild: AgnosticPreachersKid CC-BY-SA 3.0)

Schließlich hatte Samsung auch sein Patent 5,579,239 vorgebracht. Es handelt von der Aufnahme, Komprimierung und Übertragung von Video. Damit griff Samsung Apples Videotelephonieapp Facetime an. Zum Schluss wurde darüber gestritten, ob für die Übertragung der Daten Software erforderlich sei. Weil das bejaht wurde, war Apple aus dem Schneider. In den Ausführungen überrascht das Berufungsgericht mit der Aussage, dass "Hardware, für sich alleine, nichts tut, ohne Anweisungen seitens Software, die (der Hardware) sagt, was sie zu tun habe".

Apple hatte Samsungs Patentanspruch auch vor dem Bezirksgericht abwehren können. Erstaunlich war dabei der Erfolg des Arguments, Facetime übertrage gar kein Video. Die App übermittle lediglich eine Folge von Einzelbildern jeweils sofort.

Urteil des Federal Circuit in Apple v Samsung als PDF.

Ursprünglich hatte Apple die Verletzung von acht Patenten behauptet. Samsung verteidigte sich damit, die Patente gar nicht zu verletzen; überdies seien die Patente ungültig. Außerdem verletze Apple seinerseits acht Samsung-Patente.

Nachdem das Bundesbezirksgericht wegen angeblicher Patentverletzung ein vorläufiges Vertriebsverbot für das Samsung Galaxy Nexus verhängt hatte, hob das Berufungsgericht dieses Verbot Anfang 2013 wieder auf. Das US-Patent 8,086,604 war für die Suche mit nur einer Suchanfrage in mehreren Quellen, etwa dem Gerät selbst und dem Internet, erteilt worden. Der bemühte Teil des Patents (Claim 6) war aber bereits Stand der Technik (Prior Art). In der Folge musste Apple den Vorwurf der Verletzung dieses Patents und zweier weiterer fallen lassen.

Nachdem die Geschworenen bei drei der verbliebenen fünf Patente für Apple entschieden hatten, verlangte Apple ein weiteres, viel umfassenderes Vertriebsverbot für Samsung-Geräte. Das wurde aber sowohl vom Bezirksgericht als auch vom Berufungsgericht abgelehnt. Und am Freitag hat das Gericht zum dritten Mal in diesem Fall entschieden. Das könnte Apples endgültige Niederlage besiegeln.

Das Verfahren heißt Apple v Samsung. Vor dem Bundesbezirksgericht US District Court Northern California wurde es unter der Aktenzahl 12-CV-00630-LHK geführt, beim Federal Circuit mit 2015-1171. Dieses Verfahren ist nicht zu verwechseln mit dem noch anhängigen ersten großen Patentprozess (US District Court, Northern California, 11-cv-01846-LHK). Dort sollte Samsung Apple zunächst rund eine Milliarde Dollar zahlen, was dann auf 548 Millionen reduziert wurde. (ds)