Intel outside: Smartphone-SoCs gestoppt

Intel bricht die Entwicklung der Ende 2013 angekündigten, aber erfolglosen Smartphone-Chips SoFIA und Broxton mit Atom-Cores ab.

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Smartphone Motorola Razr i mit Intel Atom

Smartphone Motorola Razr i mit Intel Atom

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Seit rund acht Jahren kämpft Intel erfolglos um den Smartphone-Markt. Nun bricht das Unternehmen die Entwicklung der im November 2013 angekündigten Systems-on-Chip SoFIA und Broxton ab. Dadurch frei werdende Ressourcen sollen in die Entwicklung von 5G-Mobilfunktechnik fließen. Es scheint aber wahrscheinlich, dass einige der rund 12.000 angekündigten Stellenstreichungen den Bereich der Smartphone-SoCs treffen: Dafür hatte Intel in den vergangenen Jahren einige Firmen und Firmensparten zugekauft.

Intel hatte mit den letzten Quartalszahlen auch Umstrukturierungen angekündigt, bei denen auch bisherige Projekte auf den Prüfstand kommen sollen. Die glücklose Sparte der Smartphone-Atoms gehört zu den ersten, die von den Einschnitten betroffen sind, wie Intel gegenüber US-Medien schriftlich bestätigt hat. Der Analyst und Berater Patrick Moorhead hatte darüber bei Forbes.com geschrieben.

Die Systems-on-Chip (SoCs) der Atom-Familie hatte der ehemalige Intel-Chef Paul Otellini 2007 als wichtigste neue Produktfamilie seit Jahren bezeichnet. Doch die Atom-Familie reüssierte nur in den seinerzeit begehrten Netbooks wie Asus' Eee PC, also in Billig-Notebooks. Und so blieb es trotz Investitionen in Milliardenhöhe im Wesentlichen bis heute.

Wichtigstes Ziel der Atom-SoCs waren stets Smartphones, die viel höhere Stückzahlen erreichen als PCs und Notebooks. Dafür musste Intel aber Komponenten zukaufen, etwa PowerVR-GPUs vom Imagination Technologies. Doch es haperte stets auch an der Software: Einerseits waren die Windows-Treiber für die PowerVR-Grafik vom Pech verfolgt, andererseits brachten die x86-Kerne der Atoms unter Android keine relevanten Vorteile.

SoFIA und Broxton sind Atoms, die speziell auf Smartphones und Android-Tablets zielen. Die SoFIA-Chips sollten als Atom x3 starten, vor allem eine Version mit eingebautem UMTS-Modem wurde dringend erwartet. Eines der großen Probleme der Atoms war, dass Intel es bisher trotz Zukaufs mehrerer LTE-Entwicklerfirmen (darunter die Infineon-Mobilsparte) nicht geschafft hat, eine Version mit integriertem LTE-Modem zu verkaufen.

Andere Atoms wie jene für Windows-Tablets und Compute Sticks laufen weiter. Hier ist derzeit die Familie Cherry Trail alias Atom x5-Z8500 und x7-Z8700 aktuell. Für Billig-Notebooks und Mini-PCs gibt es die eng verwandten Braswell-SoCs unter den Produktnamen Celeron N3000 und Pentium N3700. Sie sollen Ende 2017 von Apollo Lake mit Goldmont-Mikroarchitektur abgelöst werden.

Die Kooperation zwischen Intel und dem chinesischen Chip-Entwickler Rockchip soll angeblich weiterlaufen. Welche Atom-Varianten Rockchip weiterentwickeln soll, ist aber unklar.

Die Geschichte der Smartphone-Atoms steckt aus heutiger Sicht voller grotesker Fehleinschätzungen. So versuchte der heute für Qualcomm tätige Ex-Manager Anand Chandrasekher etwa die angeblich besonders gute Unterstützung von Adobe Flash als Vorteil der Atoms zu verkaufen. Mittlerweile gehört Flash selbst zum Alteisen, unter anderem weil Steve Jobs persönlich Flash aus dem iPhone-Betriebssystem iOS verbannte.

Ex-Intel-Manager Anand Chandrasekher betonte im Mai 2009, dass Adobe Flash angeblich nur auf Mobile Internet Devices mit x86-Technik (IA) läuft.

(Bild: Intel)

Zwischenzeitlich wollte Intel Smartphone-Hersteller mit dem Argument der besseren Fertigungstechnik zum Wechsel von ARM-SoCs auf Atoms überzeugen. Doch die SoFIA-Atoms sollte dann der Auftragsfertiger TSMC mit wesentlich gröberen Strukturen fertigen, als Intel im gleichen Zeitraum beherrschte.

Für Erklärungsbedarf bei den Anlegern sorgte Intel Anfang 2014 mit dem sogenannten "Gegenumsatz" (Contra-Revenue): Tablet- und Smartphone-Hersteller bekamen für Atoms nicht bloß satte Rabatte, sondern sogar Geldzahlungen angeboten. Diese sollten angeblich Entwicklungskosten ausgleichen helfen. Der Contra-Revenue schmälerte Intels Gewinn und sorgte in der Atom-Sparte für Verluste, die schließlich in der profitablen PC- und Notebook-Sparte versteckt wurden.

Auch von Intels Anstrengungen für Mobilbetriebssysteme wie Maemo oder MeeGo blieb wenig übrig. Mehrfach versprachen Intel-Manager Smartphones mit x86-Technik, die nie erschienen sind. So zeigte Paul Otellini einst das LG-Gerät GW990. Die zuletzt für die Mobilsparte zuständige Aicha Evans hatte noch Anfang 2015 Windows-Mobile-Smartphones mit dem jetzt eingestampften SoFIA-Atom x3 in Aussicht gestellt.

Im Rückblick wirken Atoms sowie die sogenanntem Mobile Internet Devices (MIDs) und die mit Microsoft lancierten Ultra-Mobile PCs (UMPCs) wie hilflose Reaktionen auf den Smartphone-Boom, den zuerst Apple mit dem iPhone anfachte und dann Google mit Android weiter befeuerte. Doch dieser Markt ist schwierig, wie nicht nur die Turbulenzen bei Zulieferern wie Imagination Technologies zeigen, sondern auch der Ausstieg von Broadcom, NEC, Nvidia, NXP oder auch TI aus dem Geschäft mit Smartphone-ARM-SoCs. (ciw)