Computex

Intel propagiert "Mobile Internet Devices"

In Mobilen Internet Devices (MID) sieht Intel die nächste innovative Geräteklasse. Es handelt sich um Geräte zwischen Smartphone/PDA und Notebook, über die es noch viel zu lernen gibt.

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Jeder kennt das Dilemma: Auf der einen Seite haben Handys, Smartphones, PDAs und ähnliche Geräte dieser Größenklasse zu kleine Displays und zu eingeschränkte Browser, um alle Internetseiten problemlos darzustellen, und auf der anderen Seite sind selbst die kleinsten Notebooks der 1-kg-Klasse zu schwer und zu akkuhungrig, als dass man sie wirklich jederzeit mitschleppen möchte, zudem kosten sie zu viel. Als Lösung sieht Intel eine Geräteklasse dazwischen und tauft sie Mobile Internet Devices, abgekürzt MID. Anand Chandrasekher, Senior Vice President der Ultra Mobility Group von Intel, erläuterte auf der Computex, dass sich ein MID nur unzulänglich über die Begriffe "Smartphone" und "Notebook" beschreiben ließe und griff blumig darauf zurück, dass erste Fernseher auch nur unzureichend als "Radio mit Bildern" vermarktet wurden, was ihren Kern nicht getroffen habe.

Intel propagiert neue Geräteklasse MID (7 Bilder)

Intel propagiert neue Geräteklasse MID

Schnuckelig: Intel präsentiert MIDs, die Mobilen Internet Devices, hier das IEC U2 in einer Version, von der nicht ganz klar wurde, wie funktionstüchtig sie schon ist.

Ganz so weit mag man nicht zurückgehen: Ein MID ist sozusagen genau das, was man braucht, um einen praxistauglichen mobilen Internet-Zugang zu bekommen. Eigentlich wäre der Begriff überflüssig, denn genau so hatte sich Intel vergangenes Jahr die UMPC, die Ultra Mobile PCs, vorgestellt, wenn auch weniger visionär angepriesen. Doch deren erste Generation wog viel, hatte kurze Akkulaufzeiten, war mangels GSM/UMTS/HSDPA gar nicht in der Lage, anders als per WLAN ins Internet zu gehen, kämpfte mit Fehlermeldungen, weil Windows auf die niedrige Displayauflösung nicht angepasst war, krankte an schlechter Bedienung und kostete viel. UMPCs wie der Samsung Q1 Ultra und Sony UX1 sind zwar hochinteressante und innovative Geräte, aber sie erfüllten die eigentliche Zielsetzung nur eingeschränkt. Möglicherweise wollte Intel den Begriff nicht mehr vom faden Beigeschmack der ersten Geräte befreien, sondern hat sich lieber einen neuen ausgedacht.

Somit stehen die Eckdaten für ein MID fest:

  • Das Display muss mindestens 800, besser 1024 Punkte in der Breite zeigen und entsprechend groß sein, das Gerät sollte aber nicht größer sein, als dadurch (und vielleicht eine Tastatur) vorgegeben ist.
  • Prozessor und Browser müssen in der Lage sein, auch moderne und komplexe "Web-2.0"-Inhalte mit Animationen, Videos und Flash fehlerfrei darzustellen.
  • Nach dem Einschalten muss ein MID ohne Booten sofort bedienbar sein (ohne dass ein Standby-Betrieb die Akkulaufzeit reduziert).
  • UMTS/HSDPA muss mindestens optional erhältlich sein.
  • Die Bedienoberfläche muss an die reduzierten Eingabemöglichkeiten angepasst sein.
  • Der Preis sollte deutlich unter 1000 Euro liegen, im Idealfall um 500 Euro.

Intel will diese Geräte nicht nur durch die eigene Prozessorplattform nach vorne bringen, sondern auch durch Mitarbeit an der Bedienoberfläche und an der Funkanbindung. Als Partner im Funkbereich konnte Option gewonnen werden, einer der größten Hersteller von UMTS/HSDPA-Hardware. Die einstige Kooperation mit Nokia haben die Partner abgebrochen, vielleicht, weil MIDs und Nokias Smartphones zu sehr in Konkurrenz miteinander stehen. Als vielleicht weiteren Seitenhieb präsentierte Intel gar eine andere finnische Firma, den MID-Hersteller EB (Elektrobit). Beim Betriebssystem setzt Intel verstärkt auf Linux und zeigte eine spezielle Mobilversion von Ubuntu, tatsächlich liefen viele der gezeigten MIDs (siehe Fotogalerie) unter Ubuntu. Auf Intels nächster Powerpoint-Folie stand dann "Thanks Microsoft" unter dem Vista-WoW, aber Chandrasekher ließ sich während seines Vortrags keinen Sarkasmus anmerken.

Der Schlüssel zum Erfolg sei auch nicht das Betriebssystem, erläuterte er, sondern die Bedienoberfläche des MID. Die UMPC-Erweiterungen von Microsoft zeigte er gar nicht erst, sondern führte Glide vor, eine Anwendung, die dem Nutzer jeden Kontakt mit dem Betriebssystem erspart (daher spricht der Hersteller Transmedia auch vom Glide OS) und die komplette Bedienung des MID ermöglicht. Wichtig sei es, die Anwendungen so anzupassen, dass man sie per Touchscreen und (großflächigem) Daumen bedienen kann, statt auf fummlige Mausersatzwippen am Displayrand oder auf den bei PDAs so (un)beliebten Stift fürs Anvisieren winziger Kästchen angewiesen zu sein. Ob unter der Oberfläche Windows oder Linux laufen würde, sei für die Bedienbarkeit unwichtig.

Der zweite Schlüssel ist eine bezahlbare Internet-Anbindung per UMTS/HSDPA, worauf Intel natürlich keinen Einfluss hat. Chandrasekher verwies auf die fallenden Preise sowohl beim Kabel-Internet als auch bei Handygebühren und folgerte, dass günstige HSDPA-Flatrates unweigerlich kommen werden.

Zum nächsten kritischen Punkt, nämlich der Bereitschaft der Anwender, neben ihrem Mobiltelefon ein zweites Gerät mitzunehmen, sagte Intel wenig konkretes. Chandrasekher präsentierte eine Umfrage, die unter Anwendern durchgeführt wurde, die schon jetzt mehr wollen als nur zu telefonieren: Dabei haben rund die Hälfte aller Besitzer von Navigationsgeräten, Medienplayern (MP3, Video), Smartphones und tragbaren Spielekonsolen gesagt, dass sie ein MID zusätzlich oder statt ihres Zusatzgeräts nutzen wollen. Chandrasekher wertete das als Erfolg für die Idee, aber andererseits ist es doch eher ein schlechtes Zeichen, dass selbst von den Leuten, die schon jetzt ein zweites Gerät mitnehmen, nur die Hälfte ein MID nutzen würden. Eine Umfrage unter Nur-Handy-Nutzern fehlte zudem – oder ergab möglicherweise so schlechte Ergebnisse, dass Intel sie lieber nicht präsentierte.

Aber in der Tat: Ein problemloser Internetzugang per coolem Mobilgerät ist mit den momentanen Geräten und Kosten so schlecht vorstellbar, dass die Umfragen keinen Rückschluss auf die tatsächliche Akzeptanz erlauben. Wer hätte schon den Boom des iPod, der GPS-Navis, der Notebooks und der Handys genau zu dem Zeitpunkt erwartet, als sie stattgefunden haben. Immerhin erfreuen sich gerade die aufwendigen Webdienste wie YouTube, Google Earth und die mobilen wie Google Street View momentan einer so hohen Beliebtheit, dass es durchaus vorstellbar ist, dass viele Anwender ohne funktionale Einschränkungen mobil darauf zugreifen wollen.

Chandrasekher sieht dann auch einen Markt, der zwar kleiner ist als der von Handys, aber um ein mehrfaches größer ist als der von Notebooks. Es geht also um mehrere hundert Millionen Geräte pro Jahr, und in möglichst vielen davon soll ein Intel-Prozessor stecken. Auch Intel-CEO Paul Otellini hält daher die Ultramobil-Plattform für die wichtigste Produkteinführung seit Jahren. Neue Prozessortechniken gab es derweil nicht zu sehen, Intel zeigte lediglich die im April gestartete Plattform McCaslin mit dem den A100 und A110, die nur abgespeckte ULV-Dothans sind, und die schon auf dem IDF in Peking angekündigte, im ersten Halbjahr 2008 erscheinende Ultramobilplattform Menlow. Erst dann werden auch die vorgeführten Geräte ihren Presample- oder gar Mockup-Status verlieren und marktreif sein.

Ein paar Geräte zeigte Intel, teils Mockups (funktionslose Plastikgehäuse), teils Vorseriengeräte, teils fertige Produkte wie das Fujitsu FMV. Andere Geräte waren das HTC Shift sowie Modelle der hierzulande eher unbekannten Hersteller Amtec, USI und IEC. Nicht alle entsprechen dabei allen MID-Vorgaben.

Allen ist gemeinsam, dass man sie mit dem Display nach außen geklappt bedienen kann, einige haben mehr oder weniger pfiffige Lösungen, um die Tastatur unterzubringen; nur wenige kommen ohne einen irgendwie gearteten Mausersatz aus. Von der technischen Seite entsprechen sie einem Intel-Notebook mit Hauptspeicher, Festplatte (teils SSD) und Chipsatz mit Grafikkern.

Die Konkurrenz hat in diesem Formfaktor wenig anzubieten. VIA hat zwar gerade Mobile ITX vorgestellt, ein scheckkartengroßes Modul mit Prozessor VIA C7M und Chipsatz, aber zumindest bislang blieb den Notebooks mit C7M der große Erfolg verwehrt. Außer dem schon bekannten UMPC zeigte VIA auch nur ein einziges neues Modell, das von FIC gefertigte Nanobook. Es kommt allerdings in der wenig innovativen Notebook-Bauform.

Auch AMD kann den Ultrastromspar-Prozessoren von Intel nicht viel entgegen setzen. Der Turion64 kommt auch in 65-nm-Fertigung nicht auf niedrige Leistungsaufnahmen herunter (genaue Datenblätter fehlen), besondere Stromsparversionen und Neuentwicklungen sind bislang noch nicht erhältlich. Lediglich die Geode LX/NX genannte Stromspar-Version des alten Athlon XP, die auch im 100-Dollar-Laptop zum Einsatz kommt, mag eine annähernd so niedrige Leistungsaufnahme haben, aber sie bietet auch weniger Rechenleistung.

Konkurrenz droht dann auch vielleicht eher von anderer Seite: Chandrasekher präsentierte eine Untersuchung dazu, wie fehlerfrei die weltweit 57 beliebtesten Internet-Seiten von verschiedenen Systemen aus abrufbar sind. Einwandfrei schnitt dabei nur Windows XP mit dem Internet Explorer ab, schon mit FireFox traten einige Fehler auf. Unter Linux beobachtete Intel rund 30 Darstellungsfehler. Mit ARM-Prozessoren unter Windows Mobile und anderen Betriebssystemen zählten die Tester jedoch über 120 Fehler, wodurch die meisten Seiten unbenutzbar wurden.

Die einzige Lösung dieses Problems ist jedoch nicht, ein MID mit Intel-x86-Prozessor einzusetzen, sondern man könnte auch einfach die anderen Geräte verbessern. Ansätze dazu gibt es mehrere, und auch hieraus könnten interessante Geräte entstehen, die Intels MID-Idee entsprechen – teils mit, teils ohne Intel-Hardware: Apple hatte im Januar das iPhone auch mit dem Argument angepriesen, einen vollwertigen Internetzugang zu bieten, was bei der Displayauflösung von 480 × 320 Punkten schwierig werden dürfte; genaueres weiß man aber erst nach dem Verkaufsstart, derzeit für den 29. Juni geplant. HTC hat das Touch vorgestellt, ein Smartphone mit angeblich deutlich verbesserter Bedienoberfläche, aber ebenfalls nur kleinem Display (320 × 200 Punkte). Diese Geräte wollen das Mobiltelefon ersetzen, haben aber für einen vollwertigen Internetzugang ohne umständliches ständiges Scrollen oder Zoomen ein zu kleines Display.

Eher in die Richtung MID geht der Palm Foleo, er hat ein mit 1024 × 600 Punkten angenehm großes Display und eine Tastatur. Allerdings kommt er im wenig innovativen Notebook-Design ohne Möglichkeit, das Display zugeklappt nach außen zeigen zu lassen. Es wiegt über ein Kilogramm, so viel wie Mininotebooks. Zudem ist er selbst gar nicht in der Lage, anders als per WLAN ins Internet zu gehen, sondern benötigt für UMTS/HSDPA-Verbindungen ein Mobiltelefon. Unverständlicherweise verweist Palm dabei nur auf Smartphones wie Palms der Treo-Serie, das iPhone oder Blackberry-Geräte, aber an sich sollte Foleo doch genau diese Geräteklasse ersetzen und mit einem einfachen Bluetooth-UMTS-Handy ins Internet können. (jow)