Smart-Meter-Zwangsbeglückung: Koalition rüstet Kommunalversorger mit Verbrauchsdaten aus

Schwarz-Rot hat sich auf Korrekturen am Regierungsentwurf für ein Gesetz zur "Digitalisierung der Energiewende" geeinigt, wonach auch größere Verteilnetzbetreiber genaue Daten aus "intelligenten Stromzählern" erhalten sollen.

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Smart Meter
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Im Streit um die künftig mit "intelligenten Stromzählern" viel genauer gemessenen Verbrauchsdaten kann die Lobby der Verteilnetzbetreiber einen Erfolg verbuchen: Die große Koalition hat sich nach längerem Tauziehen darauf verständigt, auch größere kommunale Energieversorger wie Stadtwerke mit mehr als 100.000 angeschlossenen Kunden an die "Smart-Meter-Datentöpfe" heranzulassen. Ihnen sollen genauso wie den vier großen übergeordneten Übertragungsnetzbetreibern Messungen in 15-Minuten-Intervallen am Folgetag automatisch bereitgestellt werden.

Dies geht aus dem Änderungsantrag von CDU/CSU und SPD am Regierungsentwurf für ein Gesetz zur "Digitalisierung der Energiewende" hervor, der heise online vorliegt. Das Papier soll am Mittwochnachmittag im federführenden Wirtschaftssausschuss des Bundestag befürwortet und am Donnerstag im Plenum beschlossen werden.

Die Regierungsfraktionen begründen ihr Datengeschenk mit dem Informationsbedarf größerer Verteilnetzbetreiber für die "aktive Bewirtschaftung" eigener "Netzverlust- und Differenzbilanzkreise". Diese wichtigen, bereits rechtlich verankerten Aufgaben habe die Bundesregierung bisher "nicht explizit berücksichtigt". Kleinere Versorger sollten die begehrten Informationen, aus denen sich recht genaue Nutzungsprofile erstellen lassen, weiterhin "am Folgetag situationsgerecht" in eigener Initiative abfragen können.

Boris Schucht vom Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz hatte dagegen bei einer Anhörung erklärt, dass es mit intelligenten Stromzählern möglich werde, die "Bilanzkreisabrechnung" zu vereinfachen. Die Verteilnetzbetreiber müssten die Verbrauchsdaten dann nicht mehr vorab sammeln und zusammenrechnen. Datenschützer warnten davor, kommunale Versorger zur zusätzlichen "Datendrehscheibe" zu machen.

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Kleinerzeugungsanlagen mit einer installierten Leistung über ein bis einschließlich 7 kW sollen laut der Koalition ebenfalls eine Vorreiterrolle einnehmen und von 2017 an "smarte" Messsysteme nebst zugehöriger Gateways einbauen. Die Bundesregierung hatte diese mehr oder weniger freiwillige Aufgabe zunächst nur größeren Verbrauchern ab 7 kW installierter Leistung und entsprechenden Erzeugungssystemen zuschreiben wollen.

"Die Systemvorteile einer intelligenten Anbindung werden die Vermarktung von Energie, die diese Anlagen erzeugen, und die Systemintegration verbessern", begründet Schwarz-Rot diesen Schritt. Der neue Regelungsansatz bleibe verhältnismäßig, da Neuanlagen teils erst von 2018 an einbezogen würden, die Preisobergrenze für den Zählereinbau mit 60 Euro niedrig und die Maßnahme an sich "optional" sei.

Das Konzept, wonach die Schutzprofile und technischen Richtlinien des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bezogen auf den jeweiligen Einsatzbereich weiter entwickelt werden sollen, wollen die Regierungsfraktionen klarstellen. So soll schon "für den Beginn des Rollouts von Smart-Meter-Gateways der Nachweis der geleisteten Sicherheitsfunktionalität für die verordneten Anwendungsbereiche im Vordergrund" stehen. Systeme, die entsprechende Anforderungen noch nicht erfüllen, "sind innerhalb einer vom BSI festgesetzten Frist auf den neuesten Stand zu bringen".

Unternehmen sollen im Gegensatz zu Haushaltskunden ihr einmal erteiltes Plazet zum Einbau eines intelligenten Messsystems nicht widerrufen dürfen, hat Schwarz-Rot festgelegt. Die Koalition begründet dies mit der "erhöhten Sachkunde" von Firmen. Dies soll den übrigen Marktteilnehmern "mehr Planungssicherheit" geben.

Der Umbau der Zählerplätze soll laut dem Änderungsantrag Aufgabe des Anschlussnehmers beziehungsweise des Vermieters bleiben. Der Netzbetreiber sei für den entsprechenden Netzanschluss, der Messstellenbetreiber für den eigentlichen Zähler und die zugehörige Steuer- und Kommunikationstechnik zuständig. Die Aufsichtsbefugnisse der Bundesnetzagentur hat Schwarz-Rot präzisiert.

Die Koalition will zudem den Bereich Elektromobilität deutlicher in das gesetzliche Konzept einfügen: So soll der Elektrofahrzeugnutzer, der den Ladepunkt nutzt, gleichfalls als "Letztverbraucher" gelten. Erfasst sind so alle Vorgänge, mit denen Strommengen an Ladepunkten weitergegeben, durchgeleitet oder zwischengespeichert werden. Zugleich werden der Betreiber der "Stromtankstelle" sowie der E-Autofahrer "Anschlussnutzer". Wie Zählpunkte konkret ausgestattet sein müssen, wird nur für "ortsfeste" Installationen vorgeschrieben, nicht für solche in Elektromobilen.

Generell will die Regierung mit der Initiative "Smart Meter" möglichst flächendeckend in einem gestuften Verfahren ausrollen. Netzbetreiber dürfen dem Vorhaben nach Haushalte auch in Eigenregie mit intelligenten Zählen ausstatten, weshalb Kritiker von einer "Zwangsbeglückung" der Verbraucher sprechen, ohne dass diese einen echten Nutzen aus der Digitalisierung zögen.

Die Opposition will gegen das Vorhaben stimmen. Die Grünen sprechen sich in einem Entschließungsantrag dafür aus, dass Vermieter intelligente Messsysteme nur mit "ausdrücklicher Einwilligung des jeweils betroffenen Anschlussnutzers" etwa in Form eines Mieters installieren lassen dürften. Die Ausnahmen von der Einbaupflicht müssten erweitert, Widerspruchsrechte verdeutlicht werden. Anreize für Smart Meter seien etwa durch Regeln für "lastvariable Tarife" zu schaffen. (kbe)